Westbalkan:Angriff auf Kosovos Infrastruktur

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Reparaturarbeiten an dem durch eine Explosion beschädigten Kanal in der Nähe von Zubin Potok in Nordkosovo. Das Wasser wird für die Trinkwasserversorgung sowie zur Kühlung von Kraftwerken gebraucht. (Foto: Valdrin Xhemaj/Reuters)

Nach einem Anschlag auf die Wasserversorgung in Nordkosovo macht die Regierung das benachbarte Serbien verantwortlich - und zieht Parallelen zu russischen Angriffen auf ukrainische Infrastruktur. Belgrad weist alle Vorwürfe zurück.

Von Tobias Zick

In Teilen Kosovos ist die Wasserversorgung gestört, seit am Freitagabend im mehrheitlich serbisch besiedelten Norden des Landes eine Explosion einen wichtigen Kanal beschädigt hat. Der Ibar-Lepenec-Kanal leitet Wasser vom Gazivode-Stausee an der Grenze zu Serbien bis in die Hauptstadt Pristina; ein Teil wird aufbereitet und als Trinkwasser für Hunderttausende Menschen verwendet, ein anderer Teil dient als Kühlwasser für ein großes Kohlekraftwerk. Der offenkundige Anschlag zielte also auf zentrale Infrastruktur des Landes.

Premierminister Albin Kurti besuchte den Tatort nahe der Stadt Zubin Potok noch am selben Abend und machte „von Serbien gesteuerte und orchestrierte Banden“ verantwortlich: Das Nachbarland habe schließlich „das Interesse, den Willen und die Ressourcen, um solche Angriffe auszuführen“. Das Muster ähnele den gezielten Attacken der russischen Invasionstruppen auf kritische Infrastruktur der Ukraine.

Serbien hat die Unabhängigkeit Kosovos nie anerkannt

Die Lage in der Region ist seit Jahren angespannt. Serbien hat die 2008 erklärte Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo nie anerkannt; ein von der EU vermittelter Dialog zur „Normalisierung“ der Beziehungen schleppt sich sehr zäh dahin, nicht zuletzt deshalb, weil auch fünf EU-Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennen. Der Norden des sonst albanisch geprägten Kosovo ist mehrheitlich von ethnischen Serben bewohnt, die sich wiederum über die als einschüchternd empfundene massive Präsenz kosovarischer Polizei beklagen. Dass es für deren Stationierung allerdings handfeste Gründe gibt, wurde vergangene Woche abermals deutlich: Vor dem Anschlag auf dem Wasserkanal waren Sprengsätze vor einer Polizeiwache und einem Rathaus detoniert.

Die Lage im Norden war bereits im November 2022 eskaliert, nachdem flächendeckend serbische Lehrerinnen, Polizisten, Sachbearbeiterinnen und Bürgermeister von ihren Ämtern zurücktraten, vorgeblich aus Protest gegen eine als diskriminierend empfundene Politik der albanisch dominierten Regierung in Pristina – offenbar auf Geheiß aus Belgrad, der Hauptstadt Serbiens, von wo aus die Geschicke der dominierenden Regionalpartei Srspska Lista kontrolliert werden.

Die folgenden Neuwahlen boykottierten dann die serbischen Kandidaten gemeinsam, es wurden – bei einer Beteiligung von sechs Prozent oder stellenweise noch weniger – albanische Kandidaten zu Bürgermeistern gewählt, die dann von  schwer bewaffneter Polizei an ihre Amtssitze geleitet wurden. Die Nato stockte ihre Kfor-Truppen auf, bei Ausschreitungen wurden Dutzende serbische Demonstranten sowie ungarische und italienische Kfor-Soldaten zum Teil schwer verletzt.

Eine Stichelei, eine Eskalation nach der anderen

Im September 2023 dann die nächste Eskalation: Im Norden Kosovos lockten etwa 30 serbische Attentäter in Camouflage-Uniformen eine kosovarische Polizeipatrouille in einen Hinterhalt und attackierten sie, anschließend verschanzten sie sich in einem serbisch-orthodoxen Kloster und lieferten sich von dort aus Gefechte mit kosovarischen Sicherheitskräften. Einige der Angreifer wurden getötet, andere flohen nach Serbien. Die kosovarischen Behörden stellten anschließend Kriegswaffen wie Handgranaten und Schnellfeuergewehre sicher. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wies den Vorwurf, seine Regierung habe die Terrortruppe unterstützt, zurück. Allerdings identifizierten die Behörden per Drohnenvideo einen der Attentäter als Milan Radoičić – ein Geschäftsmann und führender Politiker im Nordkosovo, der als langjähriger Vertrauter von Vučić gilt. Bis heute ist Radoičić Berichten zufolge in Serbien auf freiem Fuß.

Nach dem Anschlag auf den Wasserkanal nahe Zubin Potok nannte Kosovos Premier Albin Kurti wieder die beiden Namen: Verantwortlich seien „das offiziellen Belgrad und seine kriminellen Strukturen, angeführt von Milan Radoičić, mit Unterstützung serbischer Institutionen und des Präsidenten Serbiens, Aleksandar Vučić.“ Letzterer wies die „haltlosen“ Vorwürfe zurück: Diese seien „zutiefst unverantwortlich und besorgniserregend“ und entbehrten jeglicher Beweise. Zudem deutete er an, dass jene, die solche Vorwürfe erheben, möglicherweise dadurch „die Aufmerksamkeit von ihrem eigenen Wissen oder möglicher Beteiligung an dem Vorfall ablenken“ wollten.

Bei Razzien in der Umgebung des Tatorts stellte die kosovarische Polizei nach eigenen Angaben Militäruniformen, Sturmgewehre und Sprengstoff sicher, außerdem mehrere Jagdgewehre, die jedoch „nicht in Zusammenhang mit dem Vorfall“ stünden. In mehreren Städten der serbisch geprägten Region setze man nun verstärkt Patrouillen ein; dies sei keine Maßnahme „gegen die Bürger, sondern für ihre eigene Sicherheit und zum Zweck von Ermittlungen in dem Fall“, erklärte der zuständige Vize-Regionalchef der Polizei, Veton Elshani.

Die Kfor-Führung lehnte, wie sie gegenüber dem Nachrichtenportal Kossev bestätigte, einen Antrag der kosovarischen Regierung ab, Einheiten der kosovarischen Armee in das Gebiet zu entsenden: Nach einer Prüfung der Sicherheitslage sei man zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht gerechtfertigt wäre, hieß es, zudem unternähme Kfor selbst genug, um die Gegend zu sichern. Einem Abkommen von 2013 zufolge hat die von der Nato geführte Truppe die Entscheidungshoheit über die Stationierung von militärischen Einheiten in Nordkosovo.

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