Korruptionsvorwürfe gegen Karl-Heinz Grasser:Ein Mann, der Stoff für zehn Romane bietet

Politiker, Unternehmer, Jetsetter, Liebling der Klatschzeitschriften - und womöglich auch korrupt: Karl-Heinz Grasser soll als österreichischer Finanzminister vom Verkauf eines staatlichen Wohnungsunternehmens profitiert haben. Eine Schar von Staatsanwälten ist ihm auf der Spur. Bislang allerdings vergeblich.

Cathrin Kahlweit, Wien

Kommt er? Kommt er nicht? Und wenn er kommt, spricht er dann oder "entschlägt er sich der Aussage", wie die Österreicher sagen? Immerhin ist der Mann, der für Dienstagnachmittag im Korruptions-Untersuchungsausschuss des Wiener Parlaments angekündigt ist, der populärste unter allen Zeugen - und wohl auch der mit den meisten anhängigen Ermittlungsverfahren.

Karl-Heinz Grasser und Porsche

Er sei "zu jung, zu schön, zu reich" - und deshalb von Neidern umgeben, sagen Grasser-Fans. Der Korruptionsausschuss will nun klären, ob er als österreichischer Finanzminister vom Verkauf der Buwog profitierte.

(Foto: dpa)

Die Ausschussvorsitzende, die grüne Abgeordnete Gabriela Moser, hält die von der ÖVP durchgesetzte Ladung des Ex-Finanzministers, Ex-FPÖ- und jetzigen ÖVP-Mannes sowie Ex-Societylieblings Karl-Heinz Grasser zum jetzigen Zeitpunkt für eine "hirnlose Schnellschussaktion". Und BZÖ-Mann Stefan Petzner meckert: "Die ÖVP will Grasser dadurch schützen, weil noch wenig auf dem Tisch liegt. Man fängt doch eigentlich immer mit den kleinen Fischen an."

Die Abgeordneten - angetreten zur Aufarbeitung zahlreicher Korruptionsfälle - wollen sich von dieser Woche an bei der kritischen Selbstbeschau im Parlamentsausschuss der Buwog-Affäre widmen. Dahinter versteckt sich der Verkauf einer staatseigenen Wohnungsgesellschaft vor acht Jahren. Lehman-Brothers durften damals den Deal betreuen, obwohl eine andere Bank billiger gewesen wäre; seither gibt es gegen den damaligen Finanzminister Grasser den Vorwurf der Untreue. Zwei Bieter stritten sich um das Filetstück, das schließlich für 960 Millionen Euro in Privatbesitz wechselte; als der siegreiche Bieter das Gebot abgab, verfügte er offenbar über Insiderwissen.

Wenig später zeigten sich denn auch zwei Freunde Grassers, PR-Unternehmer Peter Hochegger und Lobbyist Walter Maischberger, wegen Steuerhinterziehung von knapp zehn Millionen Euro selbst an; sie räumten ein, für Informationen vom Eigentümer Provisionen bekommen zu haben. Auch Grasser, so der unbewiesene Verdacht, soll dabei mitverdient haben.

Wo und wie der frühere Lieblings-Schwiegersohn der Republik, der mit der schillernden Fiona Pacifico Griffini-Grasser - schwerreiches Mitglied des Swarovski-Clans - verheiratet ist, noch so alles mitverdiente, das beschäftigt seit Jahren eine große Schar von Staatsanwälten. Karl-Heinz Grasser, einstiger Ziehsohn von Jörg Haider, ist Herr über eine verschachtelte Stiftungskonstruktion, in der Gelder aus zahlreichen Geschäften mit Freunden gelandet sein sollen.

Nachgewiesen wurde ihm das alles bis heute nicht, ebenso wenig wie die Steuerhinterziehung, die in der Liechtensteiner Konstruktion vermutet wird - auch wenn die Staatsanwaltschaft Wien dem Vernehmen nach weiter von einem "dringenden Tatverdacht" ausgeht. Einen herben Rückschlag mussten die Ermittler hinnehmen, als die Justiz in Vaduz sich kürzlich weigerte, wichtige Unterlagen herauszugeben, die unerlaubte Geldflüsse Grassers belegen sollen. Und wie in jedem guten Krimi gibt es in Liechtenstein ein Nebengleis: Ein Anwalt aus dem kleinen Fürstentum, der für Grasser arbeitet, soll bei einer Akteneinsicht mal eben belastende Unterlagen mitgenommen haben.

Der Medienhype dürfte beachtlich werden

Wohl kein Thema im Ausschuss, aber Anlass für weitere Spekulationen sind andere Vorwürfe. Da ist zum Beispiel Marina Giori-Lhota, die Schwiegermutter des Finanzjongleurs. Grasser hatte auf ein Konto der österreichischen Meinl-Bank in mehreren Raten insgesamt 500.000 Euro in bar eingezahlt, immer abends nach Schalterschluss und ohne Quittung. Seine Schwiegermutter habe prüfen wollen, wie gut er mit ihrem Geld umgehen könne, begründete er das Vorgehen; das Geld floss in Genussscheine der Hypo-Alpe-Adria.

Die Investition für die marode Bank, die später von der BayernLB gekauft wurde, warf eine Viertelmillion ab. Frau Giori-Lhota - befragt, ob sie das Geld zu versteuern gedenke - widersprach ihrem Schwiegersohn: Sie dementierte, wirtschaftlich Berechtigte dieses Kontos zu sein. Die Vermutung liegt nahe, dass es auch nicht ihr Geld war. Mittlerweile hat die Meinl-Bank Grasser wegen Geldwäsche angezeigt.

Ach, der Mann bietet Stoff für zehn Romane. Da sind seine Steuerakten, die, wie vieles andere aus Grassers Leben auch, in allen Zeitungen des Landes einzusehen sind. Im Jahr 2009 hat der umtriebige Unternehmer anscheinend nur ein paar hundert Euro Steuern bezahlt, weil er so wenig verdiente. Wie er seinen aufwendigen Lebensstil - pendelnd zwischen seinem Wiener Loft und dem Kitzbüheler Ferienhaus - finanziert, ist sein Geheimnis. Grasser selbst gibt an, er habe während seiner Tätigkeit für die Meinl International Power (ein Unternehmen des Bankiers Julius Meinl, der 2009 kurz in Untersuchungshaft saß) neun Millionen Euro in zwei Jahren verdient. Dieses Geld und andere Einnahmen vermuten die Ermittler in Liechtenstein.

Den Wirrwarr um die Bundeswohnungsgesellschaft und deren Verkauf will der Untersuchungsausschuss nun analysieren. Geladen ist auch Karl-Heinz Grassers ehemaliger Mitarbeiter Michael Ramprecht, der Grasser einst der Manipulation in der Buwog-Sache beschuldigt hatte und deswegen von ihm angezeigt worden war.

Es wird nicht leicht sein, Karl-Heinz Grasser persönliche Bereicherung oder gar Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit nachzuweisen. Da die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, wird er sich im Parlament wohl kaum selbst belasten. Der Medienhype beim Auftritt des Mannes, der gern seine Fans mit dem Satz zitiert, er sei "zu jung, zu schön, zu erfolgreich" und deshalb von vielen Neidern umgeben, dürfte beachtlich werden. Österreich liebt seine gefallenen Helden. Und Grasser selbst wird sagen, was er immer sagt: Er sei unschuldig, und der Skandal sei, dass die Justiz so lange brauche, um das zu erkennen.

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