Korruptionsskandal in den USA:Codename "Bid Rig"

Die USA erschüttert ein hollywoodreifer Skandal: Es geht um Geldwäsche, Organhandel und Korruption. Die Protagonisten: Bürgermeister, Beamte - und Rabbiner.

Wolfgang Jaschensky

Deal ist ein beschauliches und wohlhabendes Städtchen. Entlang der Ocean Avenue reihen sich großzügige Häuser, manche mit Swimmingpools, der weite Sandstrand stets in Sichtweite. Hier lebt die weiße Mittelschicht.

Korruptionsskandal in den USA: "Religiöse Führer handelten wie Kriminelle": New Jersey, Heimat der Mafia-Serie "Sopranos" ist offenbar krimineller als sein Ruf.

"Religiöse Führer handelten wie Kriminelle": New Jersey, Heimat der Mafia-Serie "Sopranos" ist offenbar krimineller als sein Ruf.

(Foto: Foto: Reuters)

Doch die Idylle offenbart nun große Risse. Künftig wird der Name der Stadt mit dem wohl größten Korruptionsskandal in der Geschichte New Jerseys in Verbindung gebracht werden. Einem Skandal, dessen Natur und Ausmaß den Glauben der Amerikaner an Politiker und Würdenträger erschüttert. Es geht um Geldwäsche, Organhandel und vor allem Korruption.

Das FBI verhaftete in einer großangelegten Razzia 44 Personen, darunter drei Bürgermeister, zwei Abgeordnete des New Jersey General Assembly und fünf Rabbiner. Bundesanwalt Ralph Marra teilte mit, gegen alle Festgenommenen werde wegen "öffentlicher Korruption und internationaler Geldwäsche in großem Maßstab" ermittelt. Die Aktion war der vorläufige Höhepunkt einer FBI-Operation mit dem Codenamen "Bid Rig" (Absprache bei Ausschreibungen), die die Bundespolizei in den vergangenen zwei Jahren mit Geschick und Glück vorantrieb.

Am Anfang der Ermittlungen stand nach Informationen der New York Times ein Mann namens Solomon Dwek, ein gescheiterter Bauträger aus Deal. Nachdem Dwek verhaftet worden war, weil er einen ungedeckten Scheck über 25 Millionen Dollar einlösen wollte, setzte ihn das FBI als Informanten ein.

So entspann die Bundespolizei, ausgehend von dem kleinen Städtchen Deal mit dem kleinen Betrüger Solomon Dwek groß angelegte Ermittlungen, die das FBI in die Amtsstuben der Rathäuser und Parlamente führte - und in die jüdische Gemeinde von New Jersey.

Die Gegend um Deal ist ein Zentrum jüdischen Lebens in New Jersey - vor allem für orthodoxe sephardische Juden syrischer Abstammung. Hier gibt es zahlreiche koschere Restaurants, jüdische Schulen und orthodoxe Synagogen. Dwek war nach Informationen der New York Times Mitglied der jüdischen Gemeinde in Deal - sein Vater gründete einst die örtliche Talmudschule.

Das FBI setzte seinen Informanten zunächst auf fünf Rabbiner an, die unter dem Verdacht standen, Geld zu waschen, berichtet die New York Times. Dwek soll den Geistlichen erzählt haben, dass er Bankrott sei und sein Vermögen vor dem Staat retten möchte.

"Korruption war für sie eine Lebenseinstellung"

Die Rabbiner sollen Dweks Schecks angenommen und das Geld durch Wohlfahrtsverbände geschleust haben, die unter ihrem Einfluss standen. Für diese Dienste behielten sie sich eine Provision ein und zahlten den Rest an Dwek aus. Drei Millionen Dollar (2,1 Millionen Euro) soll der FBI-Informant so gewaschen haben. "Religiöse Führer handelten wie Kriminelle", sagt Chefermittler Marra.

Neben den fünf Rabbinern befinden sich nun zehn weitere Mitglieder des Geldwäscherings in Untersuchungshaft. Dieser Ring soll nach Angaben des Bundesanwalts Verbindungen in die Schweiz und nach Israel unterhalten haben.

Über seine Rabbi-Verbindungen soll Dwek außerdem auf einen Mann in Brooklyn aufmerksam geworden sein, der als Organhändler operiert haben soll. Dem Mann wird nun vorgeworfen, dass er Menschen dazu überredet habe, eine Niere für 10.000 Dollar zu verkaufen. Später soll der Mann das Organ für 160.000 Dollar verkauft haben.

"Korruption war für sie eine Lebenseinstellung"

Offenbar durch einen Zufall bekamen die Untersuchungen einen neuen Fokus. Durch einen in die Geldwäsche involvierten Mann entstand ein Kontakt zu einem Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Jersey City. Dieser Mann soll 30.000 Dollar Bestechungsgeld akzeptiert und dem Informanten Dwek die Tür zu Politikern und Beamten geöffnet haben.

Dwek soll nun vorgegeben haben, in verschiedenen Kommunen Hochhäuser bauen zu wollen und bot Entscheidungsträgern 5000 Dollar an, wenn diese im Gegenzug sich um sein Anliegen kümmern. Mit dieser Masche hatte Dwek in mehreren Gemeinden, darunter Jersey City, Erfolg. In der Folge wurden unter anderem drei Bürgermeister und zwei Kongressabgeordnete aus New Jersey in Gewahrsam genommen.

Erschreckend ist für den Bundesanwalt nicht nur das Ausmaß der Korruption, sondern auch die Leichtigkeit, mit der der Informant seine Opfer fand. "Sie haben sich bereitwillig zum Kauf angeboten", so Marra. "Korruption war für sie eine Lebenseinstellung."

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