Korruptionsermittlungen:Österreichs Regierung wackelt

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Wegen Korruptionsermittlungen gegen Bundeskanzler Kurz stellen die Grünen als Koalitionspartner dessen Handlungsfähigkeit infrage. Der Bundespräsident bestellt die Parteichefs ein.

Von Leila Al-Serori

Die Korruptionsermittlungen gegen den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) haben massive Spannungen in der von ihm geführten Koalition mit den Grünen ausgelöst. Die grüne Parteispitze stellte am Donnerstag die Handlungsfähigkeit des Kanzlers infrage und kündigte Gespräche mit den Fraktionschefs der anderen Parlamentsparteien über das weitere Vorgehen an. "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund infrage gestellt", sagte Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. Die Opposition forderte geschlossen den Rücktritt des Kanzlers. Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing Kogler und Kurz am Donnerstagnachmittag zu Gesprächen.

Am Mittwoch hatten in Wien Hausdurchsuchungen im Kanzleramt, der Parteizentrale der ÖVP und im Finanzministerium stattgefunden, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz und mehrere enge Mitarbeiter. Es geht um den Verdacht der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung. Die schwerwiegenden Anschuldigungen begründen die Staatsanwälte mit Textnachrichten, die im Zuge von Folgeermittlungen nach der Ibiza-Affäre sichergestellt worden waren.

Mit Ibiza haben die Vorwürfe allerdings nichts zu tun: Konkret sollen 2016 Anzeigen in einer Boulevardzeitung mit Geldern des von der ÖVP geführten Finanzministeriums - also mit Steuermitteln - bezahlt worden sein. Im Gegenzug seien geschönte Umfragen für die Partei veröffentlicht worden. Vorgeworfen wird dem Kurz-Team demnach, sich wohlmeinende Berichterstattung erkauft zu haben. Damals war Kurz Außenminister und auf dem Sprung an die Spitze der ÖVP. Bei den Neuwahlen 2017 ging seine Volkspartei als stärkste Kraft hervor, und er wurde Bundeskanzler.

Kurz wies die Vorwürfe am Mittwochabend in einem Fernsehinterview zurück und betonte, er wolle Kanzler bleiben. Er sei überzeugt, dass sich die Anschuldigungen als falsch herausstellen würden. Am Donnerstagnachmittag bekräftigte er, dass er weiterhin bereit sei, die Zusammenarbeit mit den Grünen fortzusetzen.

Vizekanzler Kogler, der sich am Mittwoch noch mit Kritik zurückgehalten und die Handlungsfähigkeit der Regierung als "voll gegeben" bezeichnet hatte, fand zuvor scharfe Worte: "Damit ist eine neue Dimension erreicht. Der Eindruck ist verheerend", sagte er. Hinter den Kulissen soll Medienberichten zufolge bereits verhandelt werden, ob die Koalition ohne Sebastian Kurz weitergeführt werden könne. Dass die ÖVP ihren Parteichef fallen lässt, gilt allerdings als unwahrscheinlich: Mehrere Parteigrößen stellten sich am Donnerstag hinter ihn.

Alle drei Oppositionsparteien, die SPÖ, die FPÖ und die liberalen Neos, fordern geschlossen den Rücktritt des Kanzlers. Sie drängten zudem auf eine Sondersitzung des Parlaments am Dienstag. Wenn sich dort eine Mehrheit findet, könnten die Abgeordneten dem Kanzler mit einem Misstrauensantrag das Vertrauen entziehen. Für Kurz wäre es das zweite Mal: Bereits im Zuge der Ibiza-Affäre wurde er so des Amtes enthoben. Bei den folgenden Neuwahlen holte seine ÖVP wieder die meisten Stimmen.

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