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Korruptionsaffäre:Sachsens oberster Verfassungsschützer abgelöst

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In der sächsischen Korruptionsaffäre gibt es erste personelle Konsequenzen: Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Rainer Stock, wurde nun abberufen. Auch die Kritik an Kanzerlamtsminister de Maizière hält an.

Stock wurde als Referatsleiter ins Innenministerium versetzt, wie Ressortchef Albrecht Buttolo (CDU) am Dienstag mitteilte. Ein Ministeriumssprecher sagte, damit werde der Forderung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im Landtag Rechnung getragen, der die Überwachung des Geheimdienstes obliegt.

Der Verfassungsschutz hatte jahrelang Material zur organisierten Kriminalität gesammelt, das auch Hinweise auf die Verstrickung von Politikern und Justizbeamten in kriminelle Netzwerke enthalten soll. Die Rede ist von Korruption, Amtsmissbrauch, Verrat von Dienstgeheimnissen und Kontakten zur Rotlichtszene.

Stock stand seit Februar 2003 an der Spitze des Landesamtes für Verfassungsschutz. Mitglieder der PKK hatten bereits vor einigen Wochen seine Ablösung gefordert. Die Abgeordneten kritisierten, die Daten seien möglicherweise ohne Rechtsgrundlage gesammelt worden. Zudem seien sie viel zu spät über die Existenz der Akten informiert worden.

Vorwürfe gegen de Maizière

Auch die Staatsanwaltschaft sei zu zögerlich eingeschaltet worden. Neben Stock und Boos wurden zwei weitere Abteilungsleiter des Innenministeriums "umgesetzt", wie es am Dienstag hieß. Argumente für die Versetzungen nannte Innenminister Buttolo allerdings keine. Neuer Verfassungsschutz-Präsident wird Reinhard Boos, der bereits von 1999 bis 2002 dieses Amt innehatte.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, André Hahn, der auch Mitglied des PKK ist, begrüßte die Abberufung Stocks grundsätzlich. Allerdings bleibe abzuwarten, ob der notwendige Neuanfang an der Spitze des Landesamtes für Verfassungsschutz mit dem Rückgriff auf einen früheren Präsidenten des Verfassungsschutzes gelingen könne.

Auch gegen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) waren im Zusammenhang mit der Affäre Vorwürfe laut geworden. Er soll in seiner Zeit als sächsischer Innenminister die PKK nicht ausreichend darüber informiert haben, dass es Hinweise auf organisierte Kriminalität gebe. Die Grünen wollen das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags einschalten, das für die Kontrolle der Geheimdienste auf Bundesebene zuständig ist.

Journalist bedroht

De Maizière soll dem PKG seine Informationspolitik darlegen. Es gebe an die Adresse des Kanzleramtsministers "schon einige Fragen", sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jerzy Montag, der Rheinischen Post. Die Vorgänge in Sachsen würfen auch für den Bund die Frage auf, "nach welchen Kriterien Herr de Maizière entscheidet, welche Informationen für das Parlament notwendig sind".

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jan Mücke, forderte in der Berliner Zeitung, "de Maizière sollte sein Amt als Geheimdienst-Koordinator der Bundesregierung so lange ruhen lassen, bis der Untersuchungsausschuss in Sachsen seinen Abschlussbericht vorgelegt hat". Ob es einen Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag zu der Affäre geben wird, soll im Juli entschieden werden.

Buttolo sprach erstmals von Bedrohungen im Zusammenhang mit der Affäre. "Ein Journalist wurde per Telefon aufgefordert, die Berichterstattung einzustellen, anderenfalls werde man ihm Kinderschändung unterstellen", sagte der Minister. Laut Buttolo wird auch Informanten und Ermittlern mit Rufmord und Gewalt gedroht.

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SZ vom 13.06.2007
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