Süddeutsche Zeitung

Korruptionsaffäre in Spanien:Bárcenas belastet Regierungschef - Rajoy lehnt Rücktritt ab

Zehntausende Euro Schwarzgeld will er noch zuletzt an Mariano Rajoy ausgezahlt haben - das sagt der frühere Schatzmeister der Volkspartei, Luis Bárcenas, vor dem Untersuchungsrichter. Doch Spaniens Premier weist die Vorwürfe zurück. Und findet, es sei nicht seine Aufgabe, zu den ständigen Verdächtigungen Stellung zu nehmen.

Von Thomas Urban, Madrid

Der konservative spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat am Montag Rücktrittsforderungen der Opposition wegen eines Korruptions- und Parteispendenskandals zurückgewiesen. Auf einer Pressekonferenz in Madrid wehrte er sich erneut gegen den Vorwurf, er habe jahrelang viel Geld aus Schwarzgeldzahlungen an die von ihm geführte Volkspartei (PP) erhalten.

Genau diese Behauptung wiederholte am Montag der frühere PP-Schatzmeister Luis Bárcenas vor einem Untersuchungsrichter. Bárcenas, der fast zwei Jahrzehnte lang die Parteifinanzen verwaltete, befindet sich seit Ende Juni wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Untersuchungshaft. Er soll in den letzten Jahren bis zu 48 Millionen Euro ungeklärter Herkunft auf Konten im Ausland, vor allem in der Schweiz, eingezahlt haben.

Rajoy sagte, es sei nicht die Aufgabe eines Regierungschefs, jeden Tag zu den unaufhörlich erscheinenden Spekulationen und Verdächtigungen Stellung zu nehmen. Er habe von den Wählern ein Mandat erhalten, das Land aus der Krise zu führen: "Diese Aufgabe möchte ich zu Ende bringen." In Spanien steht die nächste Parlamentswahl im Herbst 2015 an, die PP regiert mit absoluter Mehrheit, doch würde sie derzeit kaum über 25 Prozent kommen.

Bárcenas und die doppelte Buchführung

Nach Angaben aus Justizkreisen hat Bárcenas am Montag erstmals zugegeben, die vor fünf Monaten veröffentlichten handschriftlichen Listen mit den Namen von angeblichen Schwarzgeldempfängern, unter ihnen Rajoy und dessen Vorvorgänger José Maria Aznar, verfasst zu haben. Bisher hatte er die Autorenschaft geleugnet. Die PP-Generalsekretärin Maria Dolores de Cospedal, deren Name ebenfalls auf der Liste stand, erklärte, für deren Echtheit gebe es keinerlei Belege.

Bárcenas aber hat nach Angaben seiner Anwälte am Montag dem Untersuchungsgericht viel Material übergeben, das seine Version von einer systematischen doppelten Buchführung der PP belegen sollen. Nach seiner Version hat er für die PP Millionen von Unternehmern kassiert, die öffentliche Aufträge für Infrastrukturprojekte zu teuer abgerechnet hätten. Diese Praxis hat nach seinen Angaben zur Regierungszeit Aznars (1996 bis 2004) eingesetzt.

Bárcenas galt als Gefolgsmann Aznars, mit dessen Nachfolger Rajoy an der PP-Spitze hat er sich allerdings überworfen. 2009 musste er das Amt des Schatzmeisters abgeben, weil er in die Korruptionsaffäre "Gürtel" verwickelt war, bei der es ebenfalls um die Aufteilung öffentlichen Geldes zwischen Unternehmern und PP-Politikern ging.

Händel mit dem Ex-Schatzmeister?

Allerdings haben weder Rajoy noch Cospedal bisher erklärt, wieso Bárcenas bis Ende 2012 monatlich weiterhin eine fünfstellige Summe angeblicher Aufwandsentschädigung aus der Parteikasse bekam, obwohl er nicht mehr in deren Diensten stand. Bárcenas selbst fachte am Montag die Spekulationen mit der Behauptung an, er habe noch 2009 und 2010 an Oppositionsführer Rajoy und Gospedal jeweils insgesamt 90.000 Euro an Schwarzgeld ausbezahlt, in 500-Euro-Scheinen in Briefumschlägen.

Die stellvertretende Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría, die als enge Vertraute Rajoys gilt, wies Berichte zurück, nach denen PP-Vertreter Bárcenas vor seiner Inhaftierung einen Handel angeboten hätten: Wenn er zur Parteienfinanzierung schweige, werde das Justizministerium für ein mildes Urteil in dem bisherigen Hauptvorwurf der Steuerhinterziehung durchsetzen. Andernfalls aber müsse er damit rechnen, dass auch seine Frau als Mitwisserin ins Gefängnis komme.

Die linksliberale Zeitung El País, die gewöhnlich zu den schärfsten Kritikern Rajoys gehört, warnte allerdings davor, den Aussagen Bárcenas zu viel Gewicht beizumessen. Dieser habe sich als "notorischer Lügner" erwiesen, er könne von Rachemotiven getrieben sein, weil er von Rajoy seines Postens und somit seiner Pfründe beraubt worden sei. Bislang habe er noch keine zweifelsfreien Beweise für seine Version präsentiert. Mehrere Medien spekulierten auch über einen Machtkampf innerhalb der PP.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2013
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