Korruptionsaffäre in der Türkei:Gül torpediert Erdoğans Verschwörungstheorie

Turkish president visits

Empfang in Kopenhagen: Der türkische Präsident Abdullah Gül äußert sich in Dänemark zu den Korruptionsvorwürfen gegen Ankara.

(Foto: dpa)

Es gibt ein Komplott gegen die Regierung - so erklärt der türkische Premier Erdoğan die Korruptionsaffären, in denen seine Regierung steckt. Staatspräsident Gül erläutert nun, was er von den Theorien seines Parteifreundes hält.

Es ist Wahlkampf in der Türkei - und der steht ganz im Zeichen der Korruptionsaffäre um die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan. Der Ministerpräsident sieht in den Vorwürfen ein Komplott ausländischer Kräfte. Jetzt hat sich der türkische Staatspräsident Abdullah Gül mit klaren Worten von Erdoğan distanziert - ohne ihn beim Namen zu nennen. Während eines Besuchs in Dänemark sagte Gül zu Journalisten, dies sei ein Erklärungsmodell "aus der Dritten Welt". Die Hürriyet Daily News zitiert ihn weiter mit den Worten: "Ich glaube nicht an derartige Verschwörungstheorien."

Erdoğan macht die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für die Korruptionsvorwürfe verantwortlich. Er wirft Gülen vor, er wolle mit der Bildung "paralleler Strukturen" im Staatsapparat die Regierung stürzen. Gül vermied es jetzt, von "parallelen Strukturen" zu sprechen und sagte, Staatsbedienstete könnten durchaus "unterschiedliche Ansichten" haben. Sollte es Verfehlungen gegeben haben, gebe es rechtliche Mittel zu deren Ahndung, so Gül.

Gül forderte zudem, die Korruptionsvorwürfe müssten transparent aufgearbeitet werden. An diesem Mittwoch sollen die Beschuldigungen gegen vier ehemalige Minister Erdoğans bei einer Sondersitzung des türkischen Parlaments debattiert werden.

Anders als Erdoğan verlangte sein Parteifreund Gül auch, die Schuldigen für den Tod des Jugendlichen Berkin Elvan müssten rasch gefunden werden. Der Junge war während der Gezi-Proteste im vergangenen Jahr von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen worden und nach monatelangem Koma in der vergangenen Woche gestorben. Gül betonte, der Rechtsstaat müsse sicherstellen, dass sich ein solcher Fall nicht wiederhole. Erdoğan hatte das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt.

Gül und Erdoğan sind politische Weggefährten und zählen zu den Gründern der Regierungspartei AKP. Kritiker werfen Gül vor, aus Rücksicht auf Erdoğan die Kontrollbefugnisse des Staatspräsidenten über die Regierung nicht genügend einzusetzen. Erdoğan werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt, doch hat Gül bisher nicht erklärt, ob er bei der ersten Direktwahl des Staatsoberhaupts im August noch einmal antreten will.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: