Korea-Krise: Die Rolle Chinas:Peking und der nützliche Diktator

Nordkorea spielt sein altbekanntes Spiel aus Wortbrüchen und militärischen Provokationen. Und wieder reagiert der Westen ratlos - und appelliert hilflos an China, Kim Jong Il zur Vernunft zu bringen. Doch Peking stützt weiterhin das Regime in Pjöngjang - um seine Machtposition in der Region zu sichern.

Henrik Bork, Peking

Nordkorea spielt wieder sein altes Spiel. Diktator Kim Jong Il hat erklärt, dass er wieder zu Verhandlungen über sein Atomprogramm bereit ist. Gleichzeitig hat er mit einer Reihe gezielter militärischer Provokationen begonnen. Die Versenkung der südkoreanischen Korvette Cheonan Ende März war der Auftakt. Der Granathagel dieser Woche war die Fortsetzung.

Korea-Konflikt

Am 25. November veröffentlichte die nordkoreanische Presseagentur dieses Foto des "Geliebten Führers": Kim Jong Il besucht einen Laden, in dem Sojasauce verkauft wird.

(Foto: dpa)

Mit jedem Drehen an der Spirale aus Aggression und Kriegsangst wächst nach der verqueren Logik des nordkoreanischen Regimes der Druck auf Südkorea und die USA, den Kommunisten in Pjöngjang die Einzelteile ihres Atomwaffenprogramms mit diplomatischen Versprechen, Öllieferungen, Nahrungsmittelhilfe und anderen Zugeständnissen abzuhandeln.

Auch die Reaktion Südkoreas und seiner Bündnispartner ist dieselbe wie in früheren Runden dieses Atompokers. Besonders auffällig ist die große Hilflosigkeit und Ratlosigkeit gegenüber Nordkorea. Sie ist erkennbar in den immer gleichen Aufforderungen an China, die Nordkoreaner endlich zur Vernunft zu bringen.

Nun wäre es zwar schön, wenn Chinas kommunistische Führung bereits zu solch einer aufgeklärten, ideologiefreien Außenpolitik fähig wäre. Doch leider hat Peking in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt, dass es sich voll und ganz hinter das sozialistische Bruderland Nordkorea stellt.

Deckung im Sicherheitsrat

Selbst nach zwei Atomtests Pjöngjangs und dem Versenken der Cheonan, bei dem 46 südkoreanische Soldaten ums Leben kamen, haben die Chinesen immer wieder härtere Sanktionen gegen Nordkorea im UN-Sicherheitsrat verhindert. Nordkorea kann sein Spiel aus Provokationen, Verhandlungen, Wortbrüchen und neuen Provokationen seit einem Jahrzehnt ungestraft spielen, weil es von Chinas Vetomacht im Sicherheitsrat gedeckt ist.

Es ist daher nicht mehr als Wunschdenken, was der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums, Philip Crowley, am Mittwoch in Washington erklärt hat. China solle klar sagen, dass Nordkorea für das jüngste Artillerieduell auf der Insel Yonpyong verantwortlich sei, sagte der Amerikaner, "so wie wir auch".

Auch sein Vorgesetzter, US-Präsident Barack Obama, scheint darauf zu hoffen. Er werde China zur Kooperation auffordern, um künftige Provokationen Nordkoreas zu verhindern, hatte Obama schon am Mittwoch in einem Telefonat mit Südkoreas Präsident Lee Myung Bak erklärt. Wie die Korea Times unter Berufung auf das Präsidialamt in Seoul weiter berichtete, betonte auch der südkoreanische Staatschef die wichtige Rolle Chinas.

Verärgerung über Kriegstreiberei

Doch diese Hoffnungen dürften auch diesmal wieder enttäuscht werden. Zwar ist auch die kommunistische Führung in Peking über Kims Kriegstreiberei verärgert. Seine Regierung finde nicht gut, was Nordkorea da gerade wieder mache, sagte ein chinesischer Diplomat am Mittwoch im vertraulichen Gespräch. Offiziell aber vermeidet die chinesische Regierung jede Kritik an Pjöngjang.

Nur in vertraulichen Gesprächen machen hochrangige chinesische Regierungsmitglieder seit Jahren keinen Hehl daraus, dass sie Nordkorea für einen schwierigen, ja oft lästigen Bündnispartner halten. Man habe weniger Einfluss auf Kim Jong Il, als im Westen oft angenommen werde, sagte ein chinesischer Politiker in einem solchen Gespräch.

Kim höre kaum auf Peking, sagte der Beamte. Auch das ist kein neues Phänomen. Die Geschichte Nordkoreas kann auch als ein einziger diplomatischer Seiltanz zwischen übermächtigen, oft gegenseitig verfeindeten Großmächten wie der Sowjetunion, später Russland, Japan und eben China gelesen werden. Nordkorea spielt traditionell all diese Mächte gegeneinander aus, um selbst zu überleben.

Pekings Strategie: Passiv bleiben

Peking glaubt zudem, dass eine passive Haltung seine strategischen Interessen in der Region am besten fördert. Es sieht in Nordkorea noch immer einen nützlichen Pufferstaat. Dessen Kollaps und eine mögliche Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel fürchtet es aus mehreren Gründen. Zum einen würden damit amerikanische Soldaten bis an die Nordostgrenze Chinas vorrücken. Für chinesische Altpolitiker, die sich noch gut an die vielen Toten ihres Landes im Koreakrieg erinnern, ist dies undenkbar.

Korea-Krise: Die Rolle Chinas: Eine bewaffnete nordkoreanische Soldatin patrouilliert an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze nahe des Yalu-Flusses.

Eine bewaffnete nordkoreanische Soldatin patrouilliert an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze nahe des Yalu-Flusses.

(Foto: AFP)

Chinesische Angst vor einem Flüchtlingsstrom

Zum anderen trennen China im Winter nur einige zugefrorene Grenzflüsse von Nordkorea. Jahr für Jahr flüchten Tausende bis Zehntausende von verarmten Nordkoreanern über das Eis, um in China Arbeit zu finden. Oft kehren sie anschließend heimlich wieder zurück, um ihren Familien zu helfen. Bestechliche Grenzsoldaten machen dies möglich. Doch einen Flüchtlingsstrom im Falle eines Zusammenbruchs des nordkoreanischen Regimes will Peking nicht erleben.

China ist daher mehr an politischer Stabilität in Nordostasien interessiert als am Schicksal der nordkoreanischen Bevölkerung. Deren Ernährungslage soll sich in diesem Winter wieder verschlechtert haben, berichten verschiedene Quellen.

Doch Peking will keinesfalls am Status Quo rütteln. "Wir hoffen, die Parteien werden mehr zum Frieden und zur Stabilität auf der koreanischen Halbinsel beitragen." Das war alles, was sich Chinas Regierungssprecher Hong Lei am Dienstag nach dem Artilleriegefecht in seinen Nachbarländern abringen ließ.

Dass US-Präsident Obama nun erneut einen Flugzeugträger in die Gewässer vor Korea entsandt hat, missfällt den Chinesen. Peking hatte bereits sehr verärgert reagiert, als im Juli ein amerikanischer Flugzeugträger an gemeinsamen Manövern mit Südkorea teilnahm. Um klar zu machen, dass China die Gewässer rund um Korea als seine ureigene Einflusssphäre betrachtet, antwortete es mit einem eigenen Seemanöver, das als klare Warnung an die Adresse Washingtons und Seouls gelesen werden sollte, an militärische Optionen im Umgang mit Nordkorea auch nur zu denken.

Gewisses Verständnis für Nordkoreas Regime

In China gibt es jedoch nicht bloß diese Eigeninteressen, sondern auch ein besseres Verständnis für die nordkoreanische Position. Während die USA und die westliche Welt in Nordkoreas Diktator eine Art Größenwahnsinnigen sehen, der ständig unnötig provoziert, können die Chinesen die Welt aus Sicht ihres kleinen Nachbarn sehen. Nordkorea hatte zwar den Koreakrieg angezettelt, wäre aber in dessen Verlauf beinahe zum Opfer taktischer Nuklearwaffen geworden, deren Einsatz General MacArthur zeitweise gefordert hatte.

Das kleine, in seiner eigenen Ideologie gefangene Land fühle sich seither tatsächlich von Washington bedroht, betonen chinesische Nordkorea-Beobachter. Doch die USA bezeichnen es mal als Teil einer "Achse des Bösen" (Präsident George W. Bush), mal schicken sie ihre Flugzeugträger vor die koreanische Küste. Die Spirale des gegenseitigen Misstrauens zwischen Washington und Pjöngjang schraubt sich so immer weiter hoch - fatalerweise, wie man in Peking glaubt.

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