Korea:Handschlag der Hoffnung

Atomare Abrüstung und ein Friedensvertrag: beim koreanischen Gipfeltreffen setzen sich Diktator Kim und Präsident Moon große Ziele. Doch vollmundige Versprechen gab es schon viele.

Von Kai Strittmatter

Nord- und Südkorea wollen auf "vollständige nukleare Abrüstung" sowie auf einen Friedensvertrag hinarbeiten. Darauf haben sich die politischen Führer der beiden Länder, die sich offiziell noch immer im Krieg befinden, am Freitag in einem historischen Treffen an der Grenze geeinigt. Der Friedensvertrag soll schon bis zum Ende dieses Jahres gemeinsam mit den USA ausgehandelt werden. Käme er zustande, dann würde er nach 65 Jahren offiziell dem Koreakrieg ein Ende setzen, dessen erbitterte Schlachten von 1950 bis 1953 Millionen Menschen das Leben kosteten. Bislang gibt es lediglich einen Waffenstillstand, den die USA im Namen der UN 1953 mit Nordkorea ausgehandelt hatten. "Der Koreakrieg geht zu Ende!", schrieb US-Präsident Donald Trump auf Twitter. "Die Vereinigten Staaten und alle seine großartigen Menschen sollten sehr stolz sein auf das, was gerade in Korea geschieht."

Nach der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung umarmten sich Nordkoreas Herrscher Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in im "Friedenshaus". Es steht im Grenzort Panmunjom auf der südlichen Seite der entmilitarisierten Zone zwischen beiden Staaten.

Das war nur eine von mehreren demonstrativen Gesten der Vertraulichkeit, mit denen Kim und Moon am Freitag im Verlauf ihrer mehrstündigen Gespräche die Beobachter überraschten. Aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde, dass das Treffen auf der südkoreanischen Seite der Demarkationslinie stattfand. Es war mithin das erste Mal, dass Nordkoreas Herrscher Kim Jong-un seinen Fuß auf südkoreanischen Boden setzte; und es war auch das erste Mal seit seinem Amtsantritt 2011, dass er zur Weltpresse sprach. "Ich bin gekommen, um der Geschichte der Konfrontationen ein Ende zu setzen", sagte Kim. Das Treffen soll den Boden bereiten für einen angedachten Gipfel zwischen Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump, der vielleicht Ende Mai stattfinden wird.

Moon Jae-in, Kim Jong Un
(Foto: AP)

Die demonstrative Versöhnlichkeit Kims ist auch deshalb so überraschend, weil sie nach einer langen Phase der Konfrontation kommt, in der immer neue Atomwaffen- und Raketentests Kim Jong-uns mit immer wütenderen Drohungen vonseiten Donald Trumps beantwortet worden waren. Trump hatten Kim unter anderem "Feuer und Zorn, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat" angedroht.

Beobachter erklären Kims Verhandlungsbereitschaft zum einen mit dem anhaltenden Druck, den die Trump-Regierung auf das abgeschottete Land und auch auf Nordkoreas Alliierten China ausübt: Die von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen treffen das verarmte Land hart. US-Vize-Präsident Mike Pence stellte am Freitag in Washington denn auch klar, dass es bei diesem Druck vorläufig bleibt. Zum anderen fühlt sich Kims Regime mittlerweile in einer starken Verhandlungsposition, denn es besitzt nun jenes Arsenal nuklearer Sprengköpfe, das es immer angestrebt hat. Auch die Raketentechnologie des Landes ist wohl sehr bald ausgereift genug, um Sprengköpfe auf amerikanisches Territorium transportieren zu können. Am vergangenen Wochenende aber hatte Kim die Einstellung aller Tests verkündet, mit der Begründung, sein Land brauche sie nicht mehr.

Während die Aussicht auf einen Friedensvertrag von allen Seiten begrüßt wurde, nahmen viele Beobachter die Ankündigung mit Skepsis auf, dass bald Atomwaffen beseitigt würden. "Süd- und Nordkorea bestätigen das gemeinsame Ziel einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel durch vollständige nukleare Abrüstung", lautet der entsprechende Passus in der gemeinsamen Erklärung. Der Weg dorthin wird allerdings nicht weiter erläutert. Weder gibt es für die Abrüstung einen Zeitplan, noch ist klar, ob Kim Jong-un wieder das alte Ziel Nordkoreas verfolgt, einen Keil zwischen Südkorea und die USA zu treiben. Skeptiker vermuten, Kim werde seine Atomwaffen nie aufgeben, da er in ihnen eine Überlebensgarantie sieht. Langfristig strebe er die stille Anerkennung als Atommacht an.

Inter-Korean Summit 2018

Begleitet von Leibwächtern steuert die Limousine von Kim Jong-un ihr Ziel an: den innerkoreanischen Gipfel im Grenzort Panmunjom.

(Foto: Getty Images)

Donald Trump gab sich vorläufig verhalten zuversichtlich: "Gute Dinge passieren", schrieb der Präsident in einem Tweet, aber erst die Zukunft werde zeigen, wie es weitergehe. Trump dankte Chinas Staatschef Xi Jinping - "meinem guten Freund" - für dessen Hilfe: "Ohne ihn wäre es ein viel längerer, schwierigerer Prozess gewesen!"

Der Wandel Kim Jong-uns vom "Raketenmann", wie ihn Trump einmal nannte, zum Staatsmann hatte mit einem zunächst geheimgehaltenen Besuch in Peking vor einem Monat seinen Anfang genommen. Die Chinesen hatten im Koreakrieg einst auf der Seite des Nordens gegen eine internationale Truppe unter Führung der USA gekämpft. Zuletzt übte Peking wachsenden Druck auf das Regime in Pjöngjang aus.

Das Treffen von Panmunjom war der dritte interkoreanische Gipfel der letzten Jahrzehnte. Schon in den Jahren 2000 und 2007 waren südkoreanische Präsidenten nach Pjöngjang gereist, um dort Kim Jong-il zu treffen, den Vater des heutigen Herrschers. Auch von jenen Gipfeln hatte es hoffnungsfrohe Bilder gegeben, denen jedoch stets Ernüchterung folgte. Frühere Vereinbarungen scheiterten am Streit über Waffeninspektionen, Nukleartests und Wirtschaftshilfe. Nordkoreas amtliche Nachrichtenagentur KCNA forderte am Freitag die USA auf, nun "aufrichtig" zu reagieren: "Die USA müssen lernen, wie man die andere Seite respektiert und nicht in Arroganz und Herablassung verfallen."

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