Süddeutsche Zeitung

Korea-Gipfel:Kim überrascht die Welt

Was wurde nicht schon über Nordkoreas Machthaber gespottet. Doch nun könnte Kim Jong-un die am schärfsten bewachte Grenze der Welt abschaffen - und damit Geschichte schreiben.

Kommentar von Christoph Giesen, Peking

727, diese Zahlenkombination kennt in Nordkorea jeder. 727, das ist der Code des Sieges. Nur ranghohe Kader dürfen Autos mit einer 727 im Nummernschild fahren. Wer einen 727er durch Pjöngjang preschen sieht, salutiert automatisch. 727, so heißt natürlich auch die Zigarettenmarke, die Nordkoreas Diktator Kim Jong-un so gerne raucht.

Die Zahlenkombination steht für den 27. Juli 1953. An jenem Tag vor beinahe 65 Jahren wurde das Waffenstillstandsabkommen zwischen dem kommunistischen Norden und den Vereinten Nationen unterzeichnet. In Nordkorea ist der 27. Juli ein Feiertag. Seitdem trennt aber auch die am schärfsten bewachte Grenze der Welt die Koreanische Halbinsel in zwei Hälften. 248 Kilometer Todesstreifen. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht. Offiziell herrscht noch immer Krieg im Land.

Bald könnte das Geschichte sein. Süd- und Nordkorea wollen den offiziell noch geltenden Kriegszustand auf der Halbinsel bis zum Ende dieses Jahres beenden. Das ist das Ergebnis des ersten Treffens zwischen Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in. Es wäre ein historischer Schritt. Wie überhaupt der gesamte Gipfel im Grenzort Panmunjom historische Dimensionen annimmt.

Vor wenigen Monaten noch schien die Lage hoffnungslos zu sein: Im Februar 2017 wurde Kims Halbbruder am Flughafen in Kuala Lumpur vergiftet, mutmaßlich war es ein Auftragsmord des nordkoreanischen Geheimdienstes. Im vergangenen Juni dann kam ein amerikanischer Tourist aus nordkoreanischer Gefangenschaft frei - fast hirntot wurde Otto Warmbier aus dem Flugzeug getragen, wenige Tage nach seiner Rückkehr starb er. Zwischendrin machte Nordkorea Schlagzeilen mit einem Atombombentest und etlichen Raketenstarts. Die Lage in Nordostasien war so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Beim Gipfel in Panmunjom ist davon nichts zu spüren. Zu sehen sind bewegende Bilder. Mit einem Grinsen im Gesicht überschritt Kim die Demarkationslinie. Er ergriff Moons Hand und führte ihn kurz auf nordkoreanisches Gebiet - ein Schritt, den das minutiös ausgearbeitete Protokoll nicht vorgesehen hatte.

Was wurde nicht schon alles über Kim gespottet: "Little Rocket Man" hatte ihn US-Präsident Donald Trump gescholten, Zeitungen nannten ihn den "Irren aus Pjöngjang", und in China ist der gängige Spitzname in Anspielung auf seine Vorgänger: Kim, der Fette, Nummer drei.

Nichts davon wird ihm gerecht. Kim, so scheint es, weiß, was er will. Und er bekommt es auch. Ende März eine Audienz bei Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, einen Gegenbesuch hat Chinas starker Mann bereits angekündigt. Und in wenigen Wochen steht ein Treffen mit US-Präsident Trump an. Diplomatisch hat Kim sehr viel mehr erreicht, als man ihm zugetraut hatte. Die Welt schaut auf ihn und seine Marke 727.

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