Kopftuch:Ängstliche Richter

Das Bundesarbeitsgericht schreckt vor einer Entscheidung zurück.

Von Detlef Esslinger

Richter erwecken von Berufs wegen gern den Eindruck allergrößter Sicherheit. Tatsächlich gibt es unter ihnen jedoch ebensolche Zögerer wie überall sonstwo auch. Was sie aber können: Unsicherheit in Eindruck heischenden Formulierungen verstecken. Das Bundesarbeitsgericht wollte am Mittwoch in einem Kopftuchstreit keine Entscheidung riskieren. Also teilte es mit, bestimmte Fragen müssten "im Zusammenhang mit Konventions- und Verfassungsrecht durch ein Vorabentscheidungsersuchen geklärt werden". Banaler gesagt: Lieber Europäischer Gerichtshof, bitte hilf uns!

Das muslimische Kopftuch mag zwar längst zum Straßenbild gehören; trotzdem mochte das Gericht nicht entscheiden, was Vorrang hat: die unternehmerische Freiheit einer Drogeriekette, ihrer Kassiererin das Tuch zu verbieten, weil es ein so "auffälliges Zeichen" sei - oder deren Freiheit, ihre Religion zu leben.

Weil hier Emotionen immer noch schnell gesät sind, suchen die Erfurter Richter Verstärkung in Luxemburg. Sie fragen, ob eine Firma sich zumindest dann nicht auf die unternehmerische Freiheit berufen darf, wenn sie nur manche Zeichen verbietet (die "auffälligen"), aber nicht alle. Die Vorinstanzen gaben der Frau recht. Womöglich hatten die Bundesrichter dies auch vor. Aber sie trauen sich noch nicht.

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