Bis spät in die Nacht sitzt Horst Seehofer am Dienstag mit seinen Gesundheitsexperten in der Münchner Staatskanzlei. Es wird viel gerechnet, viel diskutiert. Dann, ganz am Ende, greift Seehofer zum Telefon und informiert Kanzlerin Angela Merkel schon einmal vorab. Aus München droht Ärger.
Opponenten in Sachen Kopfpauschale: Gesundheitsminister Rösler (li., FDP) und CSU-Chef Seehofer
(Foto: dpa)Auch Philipp Röslers neues Konzept für eine Gesundheitsreform fällt bei der CSU durch. Seehofer will die Kopfpauschale, die der liberale Bundesgesundheitsminister einführen will, genauso wenig wie den nach Einkommen abgestuften Beitragssatz. In dieser Nacht hat die CSU begonnen, das neben Steuersenkungen zweite wichtige Projekt der FDP zu begraben.
Als hätte die Kanzlerin nicht schon genug Probleme. Jetzt reizt CSU-Chef Seehofer den Koalitionspartner aufs Äußerste. Ohne Zustimmung der CSU dürfte sich auch Angela Merkel schwertun, die Reform mitzutragen. Rösler war am Montag eigens nach München gereist, um persönlich bei Seehofer für seine Ideen zu werben. Merkel hatte noch ausrichten lassen, sie erwarte sich "gute Klärungen". Überhaupt nichts hatte sich geklärt.
Am Mittwochvormittag holt sich Seehofer für die Ablehnung die Zustimmung im CSU-Präsidium. In dem Gremium ist man sich schnell einig. Gegen Mittag schickt Seehofer seinen Gesundheitsminister Markus Söder vor die Presse, es ist ein kurzes Statement. "Wir werden den Vorschlag von Philipp Rösler nicht mittragen", sagt der CSU-Politiker. Man habe lange geprüft und sich viel Zeit genommen. "Es funktioniert in der Praxis nicht."
Es ist aber nicht nur ein einfaches Nein aus Bayern. Söder rechnet mit Röslers Konzept regelrecht ab: Die Kopfpauschale verstoße gegen das "soziale Gerechtigkeitsempfinden", die sechs neuen Tarifstufen, durch die Rösler den bisherigen einheitlichen Beitragssatz ersetzen will, mache "Millionen Menschen zu Bittstellern". Zudem sei es bürokratisch kaum umzusetzen.
Grundsätzliches von Söder
Und dann wird Söder noch sehr grundsätzlich: Weil Rösler die Mittelschicht sogar mehr als bisher belaste, verstoße das Konzept gegen die Grundphilosophie der Koalition. "Nach acht Monaten Arbeit hatten wir gehofft, dass man mehr Vorschläge machen kann als dies", ätzt Söder. Dieses "parteipolitische Prestigeprojekt" sei jedenfalls keine Lösung.
Solche scharfen Attacken erwartet man eigentlich sonst nur von der Opposition. Als Söder gefragt wird, ob er denn nicht angesichts der vielen Probleme lieber Rücksicht auf die Koalition nehmen sollte, erklärt er lapidar: "Entscheidend ist nicht der Koalitionsfrieden. Wir brauchen eine gute Lösung für die Zukunft." Die Koalition in Berlin erlebe in diesen Wochen ihre Bewährungsprobe. Von "Schicksalstagen" spricht Söder sogar. Höher kann er den Streit gar nicht hängen.
Nicht nur die Christsozialen in München, auch der Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion im Bundestag stellt sich gegen die Pläne des FDP-Gesundheitsministers. "Man hätte versuchen müssen, über Einsparungen mehr zu erreichen", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef und Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs, der Financial Times Deutschland. Stattdessen wolle Rösler jetzt die Arbeitgeberbeiträge erhöhen.