Kopenhagen:Dänisches Paradox

Der unerwartete Wahlerfolg der Rechtspopulisten macht die Sozialdemokraten zu Verlierern, obwohl sie stärkste Partei sind.

Von Silke Bigalke, Kopenhagen

Plötzlich waren sie nicht mehr nur die Königsmacher. Die Dänische Volkspartei ist nach den Wahlen am Donnerstag zweistärkste Partei in Dänemark und die stärkste im bürgerlichen Block. Dabei hatten die EU- und Einwanderungskritiker vor der Wahl durchblicken lassen, dass sie sich am liebsten gar nicht an der Regierung beteiligten würden. Er wolle Einfluss, keine Ministerposten, hatte Parteichef Kristian Thulesen Dahl gesagt. Das dürfte nun schwierig werden, da er die liberale Venstre, die er unterstützen möchte, überrundet hat. "Wir fürchten uns nicht davor, Teil einer Regierung zu sein", sagte Thulesen nach der Wahl, "solange uns die Position den größten politischen Einfluss liefert."

Ministerpräsident wird trotzdem wohl ein anderer: Lars Løkke Rasmussen, Parteichef der Venstre. Rasmussen hat das Land bereits zwischen 2009 und 2011 regiert, musste das Amt dann aber an Helle Thorning-Schmidt abgeben. Nun hat er es zurückerobert. Sozialdemokratin Thorning-Schmidt kündigte noch in der Nacht ihren Rücktritt als Regierungs- und Parteichefin an. Von einem Sieger und einer Verliererin zu sprechen, wäre trotzdem falsch. Der unerwartet große Erfolg der Dänischen Volkspartei stellte nicht nur die Verhältnisse im bürgerlichen Block auf den Kopf. Er sorgte noch in der Wahlnacht für nahezu paradoxe Szenen.

Zuerst trat Thorning-Schmidt vor ihre Anhänger. Sie hatte es geschafft, das Ergebnis der Sozialdemokraten zu verbessern und ihre Partei wieder zur stärksten Kraft im Land zu machen. Für Thorning-Schmidt ist das ein großer Triumph. In den vergangenen vier Jahren lag ihre Partei in Umfragen meistens hinter den Liberalen. Die Menschen waren enttäuscht davon, dass die Sozialdemokraten nach dem Wechsel die Wirtschaftspolitik der Liberalen weitgehend übernommen hatten, anstatt zu einem großzügigeren Sozialstaat zurückzukehren.

Kopenhagen: SZ-Grafik: Eiden; Quellen: Politiko, DR

SZ-Grafik: Eiden; Quellen: Politiko, DR

Den hat Thorning-Schmidt in diesem Wahlkampf versprochen, sie erklärte die wirtschaftliche Krise für beendet. Trotzdem musste sie sich am Wahlabend geschlagen gegeben. Ihr Koalitionspartner, die sozialliberale Radikale Venstre, hatte zu viele Stimmen verloren. "Wir wurden auf der Ziellinie geschlagen", sagte sie mit Tränen in den Augen.

Dann kam Lars Løkke Rasmussen ins Schloss Christiansborg, Sitz des dänischen Parlaments. Er war eigentlich der große Verlierer der Wahl, fuhr für seine Liberalen das schlechteste Ergebnis seit 25 Jahren ein. Im Parlament müssen sie nun mit 13 Mandaten weniger auskommen. Schuld daran ist auch Rasmussen persönlich. Diverse Affären um Steuer- und Parteigelder, die er für Erste-Klasse-Flüge und teure Anzüge ausgegeben hat, kosteten ihn viel Vertrauen bei den Wählern. Vergangengenen Sommer war bereits über seinen Rücktritt spekuliert worden. Nun haben ihn die Stimmen der Dänischen Volkspartei gerettet. Am Wahlabend zeigte er sich ungewohnt demütig. Es sei kein Traumergebnis, sagt er, "das ist teilweise meine Schuld". Ob er nun Premier würde, das müsse man noch sehen.

Es wird auch von Kristian Thulesen Dahl abhängen. Der feierte den Erfolg seiner Partei für ihn untypisch ausgelassen, sang nach der ersten Prognose auf dem Weg ins Parlament. Thulesen, der die Parteiführung 2012 übernommen hat, gilt als pragmatisch und wurde schon "Teflon Thulesen" genannt, weil er unangreifbar wirkt. Die Entscheidung, sich nicht an der Regierung zu beteiligen, wäre strategisch. Bereits zwischen 2001 und 2011 hat die Dänische Volkspartei einen liberalen Ministerpräsidenten von der Seitenlinie aus unterstützt. Sie konnte damals durchsetzen, dass das Asylrecht verschärft und Grenzkontrollen wiedereingeführt wurden, ohne selbst große Kompromisse eingehen zu müssen. Dieses Mal werden sich Kompromisse nicht vermeiden lassen. Die Liberalen haben beispielsweise eine deutlich positivere Haltung zur EU als die Volkspartei. Diese möchte dafür deutlich mehr Geld für Sozialleistungen ausgeben als die Liberalen, vor allem für Senioren.

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