"Konzertierte Aktion":Scholz stimmt Bürger auf lang anhaltende Inflationskrise ein

"Konzertierte Aktion": Scholz mit der DGB-Vorsitzenden Fahimi und dem BDA-Chef Dulger nach dem ersten Treffen zur "Konzertierten Aktion".

Scholz mit der DGB-Vorsitzenden Fahimi und dem BDA-Chef Dulger nach dem ersten Treffen zur "Konzertierten Aktion".

(Foto: AFP)

Um der hohen Inflation etwas entgegenzusetzen, hat der Kanzler Gewerkschaften und Arbeitgeber zum Gespräch geladen. Weitere Runden sollen folgen.

Eine "sehr, sehr wichtige Sache" nennt Bundeskanzler Olaf Scholz die Konzertiere Aktion, mit der er der derzeit hohen Inflation entgegenwirken will. Das erste Treffen fand am Montagnachmittag statt. In Berlin haben sich Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgebern, der Bundesregierung und der Bundesbank sowie Wissenschaftler zusammengefunden, um über mögliche Gegenmaßnahmen und Entlastungen zu sprechen. Nun wolle man sich, so Scholz auf der Pressekonferenz nach der Auftaktveranstaltung, in regelmäßigen Abständen treffen. Der Kanzler, DBG-Chefin Yasmin Fahimi und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärten, dass es im ersten Treffen zunächst darum gegangen sei, sich ein "gemeinsames Verständnis" über die Lage zu verschaffen. In den folgenden Treffen wolle man dann über konkrete Maßnahmen sprechen.

"Wir stehen vor einer historischen Herausforderung"

Scholz stimmte die Bürger auf eine lang anhaltende Krise mit hohen Preisen ein. "Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen", sagte der SPD-Politiker. Russlands Krieg in der Ukraine und die durch die Pandemie gestörten Lieferketten sorgten für eine generelle Unsicherheit. Man müsse sich darauf einstellen, dass sich diese Lage auf absehbare Zeit nicht ändern werde. "Wir stehen vor einer historischen Herausforderung."

Ziel der Gespräche sind gemeinsame Instrumente, um den Preissteigerungen in Deutschland etwas entgegenzusetzen. Geplant ist ein längerer Prozess mit mehreren Treffen. Ergebnisse soll es im Herbst geben. "Wir werden als Land durch diese Krise nur gut durchkommen, wenn wir uns unterhaken, wenn wir gemeinsam uns auf Lösungen einigen", sagte Scholz. Die Gesellschaft sei viel stärker, als manchmal unterstellt werde. "Wichtig ist mir die Botschaft: Wir stehen zusammen."

Der Kanzler strebt einen längerfristigen Prozess an

Beobachter erwarten die entscheidenden Runden der "Konzertierten Aktion" erst nach der Sommerpause - wenn das tatsächliche Ausmaß der Energie- und Preiskrise klarer wird. Das drängendste Problem ist derzeit der Gaspreis. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte zuletzt vor einer Preisexplosion bei Stadtwerken, falls Russland den Gashahn zudrehen und große Versorger weiter in Not geraten sollten. Die größten Herausforderungen bei den Preisen aber - so sagte es Scholz vor dem Treffen - dürften erst im nächsten Jahr folgen. "Für dieses Jahr sagen fast alle, die nachgerechnet haben, dass wir bei den unteren und mittleren Einkommen ungefähr 90 Prozent der Preissteigerungen durch die vielen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, aufgefangen haben." Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hatte sich vor dem Treffen unter anderem für eine Preisgarantie für einen Grundbedarf an Strom und Gas stark gemacht.

Für Scholz' Plan gibt es ein historisches Vorbild: Als es 1967 zum ersten Abschwung im Wirtschaftswunderland Deutschland kam, erfand der SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller die Anti-Krisenpolitik die "Konzertierte Aktion" mit Arbeitgebern und Gewerkschaften. Der Staat wollte mit eigenen Maßnahmen Preisentwicklung und Wirtschaft beeinflussen, Konsens mit den Sozialpartnern sollte in der Sache helfen und Demokratie und Gemeinsinn festigen. Das will nun auch Scholz - sein Motto: "Wir müssen uns unterhaken und zusammenhalten."

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