Konvertiten:Wenn Sinnsuchende zu Extremisten werden

Deutsche, die zum Islam übergetreten sind, gelten den Sicherheitsbehörden seit einigen Jahren als hochgefährlich. Sie fallen immer wieder als besonders radikal auf - auch zwei der Festgenommenen sind Konvertiten.

Annette Ramelsberger

Deutsche, die zum Islam übergetreten sind, gelten den Sicherheitsbehörden seit einigen Jahren als hochgefährlich. Immer wieder fallen den Ermittlern fanatisierte Deutsche auf, die an Terroranschlägen teilnehmen wollen - manchmal sogar als Selbstmordattentäter. Bei der Islamischen Dschihad Union, die mit Bombenattentaten den Heiligen Krieg nach Deutschland tragen wollte, hat sich diese Sorge als begründet erwiesen.

Der mutmaßliche Rädelsführer und einer seiner beiden Helfer sind Konvertiten. Sie sind nicht die einzigen unter den etwa 100 sogenannten Gefährdern, die Polizei und Verfassungsschutz für besonders bedrohlich in Deutschland halten.

Im Frühjahr 2006 entdeckten die Fahnder bei einem ihrer Streifzüge im Internet eine eigenartige Anfrage einer Berlinerin an ihre Glaubensbrüder. Sie habe "eine großartige Möglichkeit", schrieb die Frau, und ob es ihr erlaubt sei, dazu ihr Baby mitzunehmen. Die Fahnder stutzten, weil die Frau am Schluss eine Grußfloskel wählte, die normalerweise Selbstmordattentäter benutzen, um sich zu verabschieden.

Die Ermittler identifizierten die Frau als die 40-jährige Sonja B., die zum Islam übergetreten war und ein kleines Kind hatte. Als die Polizei ihre Wohnung durchsuchte, waren die Koffer gepackt, und das Ticket nach Pakistan lag bereit. Die Frau wartete offenbar nur noch auf den Ruf ins Paradies.

Auch der Deutsche Steven Smyrek war bereit, in den Tod zu gehen. Der jetzt 36 Jahre alte Mann hatte sich innerhalb weniger Jahre in einen radikalen Muslim verwandelt und schloss sich der libanesischen Terrororganisation Hisbollah an. Für sie wollte er im Jahr 1999 - als blonder Deutscher unauffällig - in Tel Aviv oder Haifa einen Selbstmordanschlag verüben. Er wurde von israelischen Sicherheitskräften festgenommen und saß jahrelang in Haft. Er lehnte es auch ab, seine Strafe in Deutschland zu verbüßen und lernte lieber mit seinen Glaubensbrüdern im Gefängnis Arabisch.

Und auch Christian Ganczarski aus dem Ruhrgebiet gilt als hochverdächtig, an einem Terroranschlag mitgewirkt zu haben: im Jahr 2002 auf der tunesischen Ferieninsel Djerba. 21 Menschen kamen dabei ums Leben. Ganczarski hatte zwei Stunden vor dem Anschlag mit dem Täter telefoniert, den er in einem Terrorlager in Afghanistan kennengelernt hatte.

Als der Täter anrief, wollte der nur eines: den Segen von Ganczarski. Er bekam ihn. Der konvertierte Familienvater, der im polnischen Gleiwitz geboren wurde und lange in Deutschland lebte, war vom Katholizismus zum Islam konvertiert. Heute sitzt er in Frankreich in Untersuchungshaft.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat bereits vor Jahren ein eigenes Projekt eingerichtet, um hier den Überblick nicht zu verlieren. Denn Menschen, die zu einer anderen Religion übertreten, gelten häufig als besonders fanatisch: Sie möchten sich oft selbst beweisen, dass sie ihren Glauben genauso engagiert leben wie die, die in ihn hineingeboren wurden.

Das mache sie auch empfänglich für die Werber des Heiligen Krieges, heißt es beim Verfassungsschutz. Der kommt zu dem Schluss: "Dieser Eifer kann mitunter ein Abgleiten in das islamistische Spektrum begünstigen und sogar in der Bereitschaft enden, im Rahmen des Dschihad in den Kampf zu ziehen." So steht es in einer vertraulichen Studie.

International gibt es eine ganze Reihe von Konvertiten, die in terroristischen Netzwerken aktiv waren. Schlagzeilen machte zum Beispiel der Brite Richard Reid, der in einem Flugzeug über dem Atlantik seinen Schuh in Brand setzen wollte, in dem er Sprengstoff versteckt hatte. Er ging als "Schuhbomber" in die Terrorgeschichte ein.

Bekannt ist auch der Fall des australischen Konvertiten Jack Roche. Er wollte in seinem Heimatland gegen die Ungläubigen kämpfen und spähte dort amerikanische Anschlagsziele aus.

Nur 0,1 Prozent sind gefährlich

Allerdings sind nur ganz wenige der gut 1000 Menschen, die jedes Jahr in Deutschland zum Islam übertreten, für den Terrorismus empfänglich. "99,9 Prozent aller Konvertiten sind kein Problem", sagt der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke.

"Wir werden nicht aus jedem Konvertiten einen Gefährder machen", betont auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Aber die 0,1 Prozent, die sich radikalisieren, sind für die Sicherheitsbehörden immer noch besorgniserregend genug. "Diese Menschen müssen sich und anderen beweisen, dass sie besonders qualifiziert sind im Fanatismus", sagt Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). "Das macht uns ernste Sorgen."

Denn die Heiligen Krieger aus Deutschland sind vielseitig einsetzbar: Sie sind unauffällig, bekommen Visa für viele Länder, sind meist gut ausgebildet. Ideale Kuriere im Terrornetzwerk.

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