Süddeutsche Zeitung

Konservativer US-Radiomoderator Limbaugh:Der Hetzer entschuldigt sich

Rush Limbaugh ist in den USA berühmt-berüchtigt für seine Hetztiraden gegen alles, was aus seiner Sicht nicht konservativ genug ist. Doch nachdem der Radiomoderator eine Studentin, die sich für Geburtenkontrolle einsetzt, als Schlampe beschimpfte und ein Sturm der Entrüstung losbrach, kündigten jetzt reihenweise Werbekunden. Limbaugh entschuldigte sich prompt und die Demokraten frohlocken.

Sebastian Gierke

Super Tuesday? Der Vorwahlkampf der Republikaner entscheidet sich? War da was? Interessiert das eigentlich irgendwen?

In Amerika, so schien es in den vergangenen Tagen, war das Interesse eher gering. Das Thema in den Zeitungen und Talkshows des Landes war ein Radiomoderator, dessen Ausfälle gegen eine Studentin - und seine Entschuldigung.

Rush Limbaugh heißt der Radiomoderator und Autor, und in den USA kennt ihn so gut wie jeder. Limbaugh ist berühmt. Berühmt-berüchtigt. Seine Talkshow, die fünf Mal pro Woche drei Stunden lang ausgestrahlt wird, verfolgen wöchentlich über 15 Millionen Amerikaner.

Der 61-Jährige ist einer von denen, die ihre Gewohnheiten und Ansichten für die Grundregeln der Welt halten. Einer seiner Bestseller heißt: Wie die Dinge sein sollten. Ein Bestseller über ihn - geschrieben von dem Comedian und Demokraten Al Franken - heißt: Rush Limbaugh ist ein großer fetter Idiot.

Limbaughs Welt ist nicht sonderlich komplex. Es gibt weiß oder schwarz. Es gibt die Guten und die Bösen. Und die Guten, das sind meisten die Weißen. Die Gottesfürchtigen und Konservativen. Obama nennt so er schon mal "halfrican American" - einen halben Afrikaner, der kein 100-prozentiger Amerikaner sein könne. Und Frauen, die sich für die Kostenübernahme bei Empfängnisverhütung engagieren, sind für Limbaugh: Schlampen.

So wie Sandra Fluke. Die 30-jährige Jura-Studentin setzt sich für die Bezahlung von Empfängnisverhütung durch Krankenversicherungen ein. Es sind ideologische Grabenkämpfe, die Demokraten und Republikaner bei diesem Thema führen. Und die Republikaner sind gerade dabei, getrieben vom erzkonservativen Katholiken Rick Santorum, auf diesen Feldern immer weiter nach rechts zu rücken. Dabei verlieren sie die unabhängigen Wähler in der Mitte - auch und vor allem die unter Umständen entscheidende Klientel der Frauen - aus den Augen.

Fluke jedenfalls machte sich auch im Repräsentantenhaus in einem Ausschuss für die von Präsident Barack Obama durchgesetzte Politik zur kostenlosen Empfängnisverhütung stark. Verhütung koste einen Studenten viel Geld, nicht alle könnten sich das leisten, sagte Fluke dort. Das brachte den Agitator Limbaugh auf Hochtouren. Er beschimpfte sie auf das Unflätigste und verdrehte ihre Worte: Ihre Forderung nach vom Staat bezahlter Verhütung war für Limbaugh Beweis für sexuelle Ausschweifungen. Als "Prostituierte" und "Schlampe" bezeichnete der Ultrakonservative sie in seiner Sendung und legte einen Tag später noch nach: Fluke solle doch Videos von sich ins Netz stellen, die sie bei all dem Sex zeige, den sie dank der Pille hätte. Er wolle auch etwas davon haben, schließlich würde er mit seinen Steuern dafür bezahlen.

Für diese Unverfrorenheit bekam "El Rushbo" zunächst Beifall von Rechtsaußen. Doch mit der gewaltigen Entrüstung, die ihm danach entgegenschlug, hatte wohl selbst der sturmerprobte Limbaugh nicht gerechnet. Der Präsident der von Jesuiten geführten Eliteuni Georgetown, der politisch sonst auf Limbaughs Seite steht, zeigte sich solidarisch mit der Studentin.

Barack Obama telefonierte mit Fluke und sicherte ihr seine Unterstützung zu. "Er bestärkte mich und dankte mir dafür, dass ich die Bedenken der amerikanischen Frauen öffentlich gemacht habe", zitiert die Huffington Post Fluke. Das Weiße Haus habe ihr ausdrücklich die Freigabe gegeben, über das eigentlich persönliche Telefonat zu sprechen. Und auch die republikanischen Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney, Rick Santorum und Newt Gingrich distanzierten sich schließlich von Limbaughs Wortwahl. In der Sache änderten sie ihre Meinung nicht.

Dennoch kam es einer kleinen Sensation gleich, als Limbaugh bei Sandra Fluke Abbitte leistete für seine Ausfälle. Entschuldigt hat er sich jedenfalls noch selten. Zumindest erinnern kann sich daran niemand. Er habe nicht vorgehabt "Miss Fluke persönlich zu attackieren". Sagt der Mann, der Miss Fluke zur Prosituierten erklärte.

Nicht ganz klar ist, was Limbaugh dazu gebracht hat. Echte Einsicht in einen Fehler, gar Reue darf man bei einem wie ihm wohl getrost ausschließen. Möglicherweise macht sich Limbaugh, der im Moment 50 Millionen Dollar im Jahr mit seiner Sendung verdient, aber Sorgen um die Finanzen. Immer mehr Werbekunden ziehen sich wegen der Beleidigung von Fluke zurück und zwei Radiosender, die die Show ausstrahlten, haben Limbaugh mittlerweile aus dem Programm genommen.

Vielleicht hat Limbaugh aber auch eingesehen, dass er den Konservativen mit seinen Tiraden geschadet hat. Die Demokraten jedenfalls versuchen mit guten Gründen seit mehreren Tagen, das Thema in der Öffentlichkeit zu halten.

Der Streit darüber, ob kirchliche Institutionen ihren Angestellten eine Versicherungspolice mit kostenlosem Anspruch auf Verhütungsmittel anbieten müssen, kommt den Demokraten da zupass. Und wenn einer wie Limbaugh mit leicht brennbaren Dummheiten das Feuer anfacht, werden sie sich hüten, es zu löschen. Denn es wärmt nur den Präsidenten. Das Washingtoner Insidermagazin Politico hat bereits vier Gründe dafür identifiziert, warum Limbaugh tatsächlich Einfluss auf das Rennen um das Weiße Haus haben könnte.

Anmerkung des Autors: In einer ersten Version diese Textes wurden der Begriff Geburtenkontrolle in einem falschen Zusammenhang verwendet. Der Fehler wurde nach dem freundlichen Hinweis eines Lesers korrigiert.

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