Konservativer Parteichef in Griechenland:"Sparen und Steuern verringern"

Kyriakos Mitsotakis, der Chef der griechischen Konservativen, erklärt im Interview, wie er die Regierung von Alexis Tsipras ablösen will.

Interview von Christiane Schlötzer

SZ: Premier Alexis Tsipras und seine Linkspartei Syriza haben im griechischen Parlament derzeit eine Mehrheit von nur noch zwei Stimmen. Steht Griechenland vor Neuwahlen?

Kyriakos Mitsotakis: Wir sagen, je schneller gewählt wird, umso besser. Die Tsipras-Regierung hat dem Land nichts mehr anzubieten. Am 20. August läuft das dritte und letzte EU-Rettungsprogramm für Griechenland aus, wir brauchen eine neue Regierung, die das Land in die Zukunft führt. Die Wirtschaft wächst nicht, mit Ausnahme des Tourismus. Und niemand spricht über die privaten Schulden, die sind in den vergangenen drei Jahren um fast 50 Prozent gestiegen, von 80 auf 130 Milliarden Euro. Ich spreche von den Schulden der Bürger gegenüber Steuerämtern, Pensionsfonds und Banken. Bei vielen Menschen herrscht ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Wie wird sich dann das Ende des Rettungsprogramms bemerkbar machen?

Die Leute werden keine wirkliche Änderung spüren. Die Steuern sind sehr hoch und sie bleiben hoch. Die Renten werden noch einmal gekürzt werden, dem hat Herr Tsipras schon zugestimmt. Es gibt also kein Gefühl der Euphorie. Wenn die Lage so gut wäre, wie sie die Regierung darzustellen versucht, warum sagen dann acht von zehn Griechen in allen Umfragen, dass sie kein Licht am Ende des Tunnels sehen? Zudem wird es, auch wenn das Programm endet, eine weitere Überwachung Griechenlands durch die Geldgeber geben.

Ist das gut oder schlecht für Griechenland?

Je mehr Unabhängigkeit wir haben, desto besser ist das für uns. Das Problem ist das Vertrauen. Wenn es genug Vertrauen gäbe, dass die Regierung die vereinbarten Reformen auch umsetzt, dann wäre kein so strenger Mechanismus zur Überwachung für alles nötig, was in Griechenland geschieht. Und es ist das erste Mal, dass so etwas passiert, in Portugal, Irland und Zypern gab es nach dem Programmende keine weitere Überwachung.

Sie versprechen Steuersenkungen für die Unternehmen und eine Verringerung der hohen Mehrwertsteuer von derzeit 24 Prozent. Wie wollen Sie das innerhalb des strengen vorgegebenen Rahmens finanzieren?

Wir werden die mit den Geldgebern vereinbarten finanziellen Zielmarken respektieren. Aber es gibt Spielräume. Wir wollen sparen und Steuern verringern. Die Regierung hat wenig getan, um die öffentliche Verwaltung zu reformieren. Im Gegenteil. Sie hat in den letzten drei Jahren die Personalausgaben um 500 Millionen Euro erhöht. Ich will einen kleineren, aber effektiveren Staat. Die Syriza-Regierung hat ihren Haushaltsüberschuss erwirtschaftet, indem sie die Wirtschaft über die Maßen besteuert hat. Es ist nur gerecht, dieses Geld an die reale Wirtschaft zurückzugeben. Sie haben zerstört, was von der Mittelklasse noch übrig war. Hohe Steuern schaffen kein Wachstum und sie sorgen für Steuervermeidung. Wenn Sie einen Handwerker bitten, ihr Haus zu streichen, dann macht er das nur, wenn er keine Rechnung ausstellen muss, weil er nach dem Abzug von Steuern und Sozialabgaben keinen Sinn mehr in dem Job sieht. Er wird ihnen vorschlagen: Ich mache es ohne Rechnung, das ist besser für dich und für mich. Aber es ist schlecht für den Staat. Diesen Teufelskreis müssen wir brechen.

Konservativer Parteichef in Griechenland: "Besonders in Nordgriechenland sind viele Leute sehr wütend", sagt Kyriakos Mitsotakis. Die Proteste richten sich gegen das Namensabkommen mit dem Nachbarland, das künftig Nord-Mazedonien heißen soll.

"Besonders in Nordgriechenland sind viele Leute sehr wütend", sagt Kyriakos Mitsotakis. Die Proteste richten sich gegen das Namensabkommen mit dem Nachbarland, das künftig Nord-Mazedonien heißen soll.

(Foto: Sakis Mitrolidis/AFP)

Und wie wollen Sie das tun?

Ich würde die Steuern senken und erwarte dafür bessere Steuermoral. Und für die Verfolgung von Steuerhinterziehern gibt es heute bessere Möglichkeiten als früher. Wir haben nun eine unabhängige Steueraufsicht, das war eine der wichtigsten Reformen, die Syriza-Regierung hat sie zum Glück nicht angetastet.

Heißt ein kleinerer Staat weitere Entlassungen?

Nein. Wir wollen weniger Leute einstellen als in Rente gehen. Und die Zahl der befristeten Verträge verringern.

Berlin und Athen verhandeln derzeit über ein bilaterales Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen, die bereits in Griechenland registriert wurden. Was halten Sie davon?

Die Tsipras-Regierung legt keinen Wert darauf, uns über die Gespräche zu informieren. Ich habe immer gesagt, das Migrationsproblem muss auf europäischer Ebene behandelt werden, und ich rechne es der deutschen Kanzlerin hoch an, dass sie auf eine geteilte Verantwortung in der EU drängt. Eine Vereinbarung zwischen Griechenland und Deutschland wird nicht alle Probleme lösen. Zudem geht es dabei um sehr kleine Zahlen. Wichtiger ist, dass Herr Tsipras nicht wirklich an einer Sicherung der Grenzen der EU interessiert ist. Das liegt womöglich an seinen linken Genen oder er ist Geisel bestimmter linker Gruppen. Er ist deshalb kein glaubwürdiger Gesprächspartner. Ohne Schutz der Außengrenzen können wir aber keine innere Bewegungsfreiheit in der EU haben. Ich kann auch nicht akzeptieren, dass einige EU-Länder, zum Beispiel Ungarn, ihre Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht übernehmen wollen. Damit trägt Griechenland eine besondere Last.

Was sollte mit den Ländern, die sich verweigern, geschehen?

Sie müssen die Konsequenzen spüren. Dies ist keine Drohung gegenüber Polen oder Ungarn. Aber die Lasten müssen geteilt werden.

Was soll mit dem Dublin-Abkommen passieren, das verlangt, dass Flüchtlinge in das Land zurückmüssen, in dem sie die EU zuerst betreten haben?

Das Dublin-Abkommen ist tot. Wir brauchen ein neues Verfahren. Davor aber sollten wir in Griechenland unsere Asylverfahren straffen. Die dauern mit zwei Instanzen und zwei Berufungsinstanzen ewig. So bleiben die Flüchtlinge auf den Inseln, im Zustand der Ungewissheit. Es muss viel schneller gehen. Wer dann Asyl bekommt, ist frei, dorthin zu gehen, wohin er will. Wer es nicht bekommt, muss in die Türkei zurückgebracht werden, so wie es die Vereinbarung der EU mit Ankara vorsieht.

Tsipras hat zuletzt eine Einigung in dem ein Vierteljahrhundert alten Namensstreit mit Ihrem nördlichen Nachbarland gefunden, das nun Nord-Mazedonien heißen soll. Der rechte Partner von Syriza lehnt den Vertrag ab, daher ist die Mehrheit so geschrumpft. Auch Sie sind gegen die Einigung, die für die deutsche Regierung "historisch" ist, weil sie Skopje den Weg in Nato und EU öffnet. Wie wollen Sie Ihre Position den EU-Partnern erklären?

Kyriakos Mitsotakis

Kyriakos Mitsotakis, 50, Chef der konservativen Nea Dimokratia, hat nach Umfragen gute Chancen, nächster griechischer Premier zu werden. Seine Familie ist im Land eine Dynastie: Der Vater war Premier, die Schwester Außenministerin.

(Foto: Alexandros Vlachos/picture alliance/dpa)

Ich habe klar gesagt, mir gefällt dieser Vertrag nicht. Aber ich sage auch, ich werde das Abkommen respektieren als eine Verpflichtung des Landes, wenn es vom griechischen Parlament ratifiziert worden ist. Aber meine Partei, die Nea Dimokratia, wird dagegen stimmen.

Wäre es Ihnen lieber, Neuwahlen fänden erst nach der Ratifizierung statt?

Nein. Aber wenn ich verhandelt hätte, dann hätte ich eine andere Lösung gesucht. Unser nördlicher Nachbar hat etwas von uns bekommen, was bislang keine griechische Regierung zu geben bereit war: das Recht auf eine mazedonische Nationalität und eine mazedonische Sprache, obwohl wir das Land nun Nord-Mazedonien nennen. Das ist doch ein Paradox.

Aber der Begriff "mazedonische Sprache" wird schon seit 1977 in UN-Dokumenten verwendet.

Das ist nicht dasselbe. Wir sollten hier sehr sensibel sein. Die Mehrheit der Griechen lehnt die Vereinbarung ab. Besonders in Nordgriechenland sind viele Leute sehr wütend. Hunderte von griechischen Firmen dort benützen für ihre Produkte die Bezeichnung "Makedonisch". Ich hätte nichts dagegen, wenn wir sagen würden, die Sprache, die in Skopje gesprochen wird, ist Slavo-Mazedonisch, aber nicht Mazedonisch. Bei unseren Nachbarn wird es ein Referendum geben, und ich denke, der Vertrag wird dort gebilligt. Bei uns hätte er in einem Referendum keine Chance. Ich will kein Referendum, denn über außenpolitische Fragen muss das Parlament entscheiden. Aber das sollte uns zu denken geben. Herr Tsipras hat auch in diesem Fall uns vorher nicht konsultiert. Er will das Thema nutzen, um meine Partei zu spalten, aber da spiele ich nicht mit. Es ist wichtig für die Zukunft Griechenlands, dass die ND zusammenbleibt und demnächst eine solide proeuropäische Regierung bilden kann.

Griechenland war lange für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei, auch wegen der eigenen Sicherheit. Die Türkei hat dazu auf absehbare Zeit keine Chance mehr. Was bedeutet das für Athen?

Die Türkei muss internationales Recht respektieren. Zum Beispiel sollte sie nicht zwei griechische Offiziere festhalten, die im März an einem nebligen Tag aus Versehen türkisches Gebiet betreten haben. Das ist kein Zeichen für gute nachbarschaftliche Beziehungen. Ich hoffe, dass wir eines Tages einen ehrenvollen Neuanfang in unseren Beziehungen mit Herrn Erdoğan machen können. Aber es braucht zwei für einen Tango.

Die Festnahme der Offiziere wirkt wie eine Revanche, nachdem in Griechenland acht türkische Offiziere nach dem Putschversuch vor zwei Jahren Asyl beantragt haben.

Das ist nicht vergleichbar. Wir respektieren die Entscheidungen der griechischen Justiz. Wir sind nicht auf dem Basar.

Im Gegensatz zu den Türken in Deutschland dürfen Griechen im Ausland nicht wählen, sie müssen dazu immer noch nach Griechenland reisen. Warum?

Ich würde das ändern, aber für Wahlrechtsänderungen sind 200 Stimmen im Parlament nötig. Und Syriza will es nicht, weil sie fürchten, wer im Ausland lebt, ist skeptischer gegenüber dieser Regierung. In den letzten sieben, acht Jahren haben 400 000 junge Menschen Griechenland wegen der Krise verlassen, und eine linke Regierung sagt ihnen: Wenn ihr Geld habt, kauft ein Ticket und wählt, aber wenn ihr arm seid, dann lasst es. Das ist doch absurd.

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