Konservative suchen neuen Spitzenkandidaten:Frankreichs K-Frage

Jetzt mal entspannen: Staatschef Hollande weilt auf einem Felsen über dem Mittelmeer, zwanzig Kilometer entfernt residiert Ex-Präsident Sarkozy in einer Villa am Cap Nègre. Während die einen Urlaub machen, rüstet man sich abseits der Sommeridylle bereits für die nächste Schlacht. Im November soll ein neuer konservativer Parteipräsident gewählt werden.

Stefan Ulrich, Paris

Frankreich im August: Nach einem Jahr Dauerwahlkampf herrscht nun tiefer Friede. Die Politiker haben Paris verlassen, um sich in der Bretagne, im Burgund oder an der Côte d'Azur zu erholen. Der neue Staatschef François Hollande weilt mit seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler im Fort de Brégançon auf einem Felsen über dem Mittelmeer. Die Paparazzi lauern auf den unerhörten Scoop, ihn in Badehose abzulichten.

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Während François Hollande mit seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler am Mittelmeer entspannt, wird abseits der Sommeridylle bereits der nächste Kampf vorbereitet. Es geht um Sarkozys Erbe, dessen liberal-konservative UMP-Partei ist seit der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl verwaist.

(Foto: AFP)

Zwanzig Kilometer weiter macht Ex-Präsident Nicolas Sarkozy am Cap Nègre in der Villa seiner Frau Carla Bruni Ferien. Fotografen, die ihn beim Radfahren abbilden, weist er an, sich doch lieber auch Hollande zu widmen.

Parallel zu dieser Sommeridylle wird bereits zur nächsten Schlacht gerüstet. Es geht um Sarkozys Erbe. Dessen liberal-konservative UMP-Partei ist seit der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl Anfang Mai verwaist. Im November sollen die Mitglieder einen neuen Parteipräsidenten wählen und so womöglich eine Vorentscheidung treffen, welcher Oppositionspolitiker den Sozialisten Hollande bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 herausfordern wird. Mehrere Politiker bringen sich in Stellung. Favoriten im Kampf um die UMP sind dabei Sarkozys früherer Premier François Fillon und der erste Sekretär der Partei, Jean-François Copé.

Copé, ein 48 Jahre alter, dynamischer, dem rechten Parteiflügel zuneigender Mann, ist vielleicht der umtriebigste Politiker dieses Sommers. Während seine Kollegen schwimmen, wandern und Krimis lesen, spickt er seine Ferien mit politischen Terminen. Landauf, landab taucht er bei Parteiveranstaltungen auf, um die UMP-Anhänger hinter sich zu scharen. Den Parteiapparat und die Mehrheit der Aktivisten weiß Copé bereits hinter sich. Unter den sonstigen UMP-Wählern und allgemein im Volk ist sein zehn Jahre älterer Rivale aber wesentlich populärer.

Der vertrauenswürdig wirkende Fillon kann mit der Erfahrung von fünf Premiersjahren aufwarten. Er glich den hyperaktiven Präsidenten Sarkozy aus und strahlte in der Krise Ruhe aus. Zwar fehlt es ihm an Charisma. Doch das gilt für den Sozialisten Hollande genauso. Im Gegensatz zu Copé hat Fillon seine Kandidatur um den Parteivorsitz bereits offiziell verkündet. Mehrere Ex-Minister unterstützen ihn, unter ihnen das Nachwuchstalent Laurent Wauquiez. Dennoch ist Fillon vorerst ausgebremst. Als der Motorsport-Fan im Juli auf Einladung von Ferrari-Chef Luca di Montezemolo auf Capri Urlaub machte, brach er sich bei einem Sturz mit dem Motorrad den Knöchel. Nun muss er die Fraktur auskurieren, während Copé Boden gutmacht.

Da die französische Politik ganz auf den Präsidenten ausgerichtet ist, ist sie - ähnlich wie in den USA - stark personalisiert. Die Parteien haben auch den Charakter von Präsidentenwahlvereinen. Programmatik spielt eine geringere Rolle als in Deutschland. Dies gilt besonders für die UMP, wie schon in ihrem Namen "Union pour un mouvement populaire" (Union für eine Volksbewegung) zum Ausdruck kommt. Dennoch geht es nach Sarkozys Abgang in der UMP nicht nur um Köpfe, sondern auch um Inhalte.

Bündnisse mit den Rechtsextremen?

Die Partei debattiert darüber, ob Sarkozys Wahlkampf zu rechtslastig und auf die Themen Sicherheit, Immigration sowie nationale Identität fixiert war. Etliche UMP-Politiker fordern, sich mehr der Mitte der Gesellschaft zuzuwenden. Andere Parteiströmungen, darunter die sogenannte populäre Rechte, halten dagegen. Sie wollen nationalkonservative Wähler ansprechen und in einem ähnlichen Reservoir wie der radikale Front National von Marine Le Pen fischen. Noch nicht geklärt ist auch das Verhältnis der UMP zum Front National. Während Sarkozy und die Mehrheit der Parteifunktionäre auf eine strikte Abgrenzung setzten, können sich viele Anhänger der UMP Bündnisse mit den Rechtsextremen vorstellen, um die Linke zu schlagen.

Die UMP wurde vor zehn Jahren als Sammelpartei für Gaullisten, Liberale, Konservative und Christdemokraten gegründet und bislang von Nicolas Sarkozy dominiert - von 2004 an war er Parteichef und von 2007 an Staatspräsident. In den vergangenen Jahren musste die UMP viele Niederlagen hinnehmen. Sie verlor gegen die Linke bei Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen und zuletzt auch bei der Präsidentschaftswahl.

Zudem schaffte es die UMP nicht, den Front National auszutrocknen. Die rechtsnationalistische Partei der Familie Le Pen scheint sich dauerhaft behaupten zu können. Die Finanzkrise sowie der Frust über Europa und seine Eliten dürften dem Front noch mehr Wähler zutreiben. Die UMP kann dagegen kaum weiter nach rechts ausgreifen, wenn sie die politische Mitte nicht aufgeben will.

Bei all den anstehenden Umbrüchen stellt sich die Frage, was vom "Sarkozysmus", also von Sarkozys politischem Wirken, bleibt. Inhaltlich ist dieser Sarkozysmus schwer zu fassen, da sein Namensgeber flexibel - manche sagen: opportunistisch - auf die jeweilige Lage reagierte. Mal öffnete er sich nach links, mal nach rechts, mal gab er den Liberalen, mal den Protektionisten. Der Sarkozysmus ist weniger Programm denn Politikstil. Er steht für rasches Agieren bis hin zum Aktionismus und mediale Omnipräsenz des Präsidenten, also eher für Krisenmanagement als für Visionen.

Dieser Stil war nach den behäbigen Jahren der Chirac-Ära zunächst gefragt. Er nutzte sich jedoch rasch ab. Die Begeisterung der Bürger schlug in Überdruss um, was dem als langweilig geltenden Hollande zur Macht verhalf. Niemand kann sagen, welchen Präsidententypus die Franzosen in fünf Jahren wünschen. In dieser Ungewissheit liegt nun die Chance Sarkozys.

Im Wahlkampf hatte Sarkozy angekündigt, im Fall einer Niederlage werde das Land nichts mehr von ihm hören. Tatsächlich zog er sich komplett aus der Politik zurück. Er erholte sich auf Reisen in Kanada, Marokko und am Cap Nègre. Aus dem Machtkampf seiner UMP-Partei hielt er sich heraus. Er empfing zwar alle möglichen Kandidaten für seine Nachfolge, gab aber keine Empfehlung ab. In Paris heißt es, ab September wolle Sarkozy wieder als Anwalt arbeiten und auf internationalen Konferenzen brillieren.

Französische Beobachter vermuten allerdings, insgeheim halte sich Ex-Präsident Sarkozy für ein Comeback bereit. Enigmatische Andeutungen seiner Freunde deuten darauf hin. "Er schließt nichts aus", zitierte die Zeitung Le Parisien jüngst einen Sarkozy-Vertrauten. Wenn Frankreich in der Wirtschafts- und Finanzkrise versinke und Sarkozys Partei UMP in einer Führungskrise - dann sei schließlich vieles denkbar.

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