Zerfall der Alternative für Deutschland:Das Scheitern der rechtspopulistischen Versuchung

Bernd Lucke Frauke Petry Alternative für Deutschland (AfD)

AfD-Gründer Bernd Lucke mit seiner Rivalin und Nachfolgerin Frauke Petry

(Foto: dpa)

Die AfD steht vor dem Ende - wie frühere Konkurrenten von CDU/CSU. Konservative in Deutschland sind zu schwach, sie bieten weder in der Union noch außerhalb eine verlockende Alternative.

Kommentar von Joachim Käppner

Zu den Klassikern unheimlicher Bedrohungsszenarien gehört H. G. Wells' "Krieg der Welten" von 1898. Die Marsianer landen auf der Erde, Panik bricht aus. Ob die Menschen schwere Feldgeschütze abfeuern oder eine Verständigung suchen: Nichts hilft, keine Strategie kann die Invasion aufhalten - bis die Marsianer an der frischen Luft schnuppern und sie allesamt daran eingehen.

Ganz ähnlich verhält es sich von jeher mit den Parteien, die sich rechts von der Union, aber noch im demokratischen Spektrum etablieren wollen. Anfangs erscheint ihr Siegeszug überwältigend. Die politische Landschaft verschiebe sich nach rechts, rufen die Auguren ängstlich.

Symptome eines Wirklichkeitsschocks

Während die Frontfiguren aber noch im Triumph des Augenblicks baden, zeigt ihre Truppe schon Symptome eines Wirklichkeitsschocks, dem sie sehr bald erliegen wird - und der Spuk ist vorbei. So erging es den Republikanern, der Schill-Partei, der Statt Partei, und nun scheint es bei der Alternative für Deutschland (AfD) so zu sein.

Das unterscheidet CDU und CSU von der SPD. Die Grünen und die heutige Linke sind, überwiegend, Fleisch von deren Fleische - der Preis, den SPD-Regierungen dafür zahlen mussten, dass sie der Basis die kalte Luft der Wirklichkeit zumuteten.

Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum rechtskonservative Bewegungen wie die AfD dagegen die Marsmenschen der deutschen Parteiengeschichte werden. Der wichtigste: Es fehlte und fehlt das große, mobilisierende Thema, das die etablierten Parteien nicht besetzen.

Nicht einmal das Unbehagen an Europa und der Währungskrise war ein solches, obwohl in anderen Ländern vergleichbare Parteien davon bis in die Regierungen gespült wurden. Wenn die Kanzlerin in Athen als Zuchtmeisterin Europas gilt, ist es auf Dauer eben nicht so leicht zu vermitteln, dass dieselbe Kanzlerin den Ausverkauf Deutschlands betreibe.

Nie fand die Rebellion von rechts ein einigendes Motiv wie die Grünen in den Achtzigern mit Umwelt und Frieden; eines, das bei allen Wirren des Anfangs ein Lebensgefühl widerspiegelte und für etwas stand - und sich nicht in Verweigerung und den üblichen Vorurteilen erschöpfte. An beidem mangelt es zwar auch der Linken keineswegs, doch bietet sie, je nach Sichtweise, die Verheißung oder die Illusion einer grundsätzlichen Politikalternative.

Weder die AfD noch ihre Vorgänger hatten Vergleichbares anzubieten. Ronald Barnabas Schill, irrlichternder Richter in Hamburg, prangerte eine Justiz an, die ein Herz für Verbrecher habe, die Statt Partei die Abgehobenheit der politischen Klasse. Beides entsprach vagen Befindlichkeiten vieler Wähler, war aber auf Dauer viel zu wenig.

Den meisten Deutschen ist die rechte Zone einfach zu eklig

Die Konservativen in Deutschland sind zu schwach; sie sind es thematisch, intellektuell, personell. Weder in der Union noch außerhalb bieten sie eine verlockende Alternative. Stattdessen: Lamento, Jammern, Verschwörungstheorien, von Thilo Sarrazin bis zu Erika Steinbach.

Die Ära von Franz Josef Strauß und Alfred Dregger ist lange vorbei, die Stahlhelmfraktion fast ausgestorben. Wahlen werden heute in der Mitte gewonnen, in welche Angela Merkel die Union geführt hat. Das Heil der Union als letzte ganz große Volkspartei liegt gewiss nicht in den Resten eines verstockten Milieus, das die alten Schlachten wieder und wieder schlägt. Wer heute das konservative Profil von CDU und CSU schärfen will, würde genau das tun.

Den Moment verpasst

Wo aber das Milieu fehlt, kann eine Partei wie die AfD ihr Heil nur noch viel weiter rechts suchen, wie in der Pegida-Szene, die kurzfristig auf den Straßen aufbegehrte. Daher der Appell an tiefsitzende Ängste - vor Überfremdung, dem Islam, Geldentwertung und sozialem Abstieg, der Moderne an sich.

Selbst der vom rechten Flügel der AfD weggebissene Bernd Lucke hatte mit diesem Wählerpotenzial geliebäugelt. Die rechtspopulistische Versuchung aber ist eine Garantie zum Scheitern. Sie zieht Obskuranten und Fanatiker wie von Zauberhand an. Der bemitleidenswerte Verfall der Sitten in der angeblichen Professorenpartei AfD kündet davon. Sie vergrault jene seriösen Wähler, die sich von der Grauzone zum offenen Rechtsextremismus fernhalten wollen.

Den meisten Deutschen ist diese Zone, auch 70 Jahre nach den Nazis, einfach zu eklig, zu gestrig, zu beschränkt. Das ist auch der Grund, warum die Zivilgesellschaft den Pegida-Demonstranten so eindrucksvoll entgegengetreten ist.

Das heißt nicht, dass der rechte Rand der Gesellschaft auf Dauer politikunfähig bleiben muss. Ein Scheitern Europas, verbunden mit wirtschaftlicher Not, könnte auch hier Alternativen zur Union möglich machen. Aber die Hürden sind hoch. Die AfD jedenfalls hat den Moment verpasst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: