Süddeutsche Zeitung

Konkurrenz für Italiens Premier:Renzi, der Rebell

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Italiens Regierungschef Letta muss sich darauf einstellen, dass ihm bald ein neuer, von der Basis erkorener Chef seiner Partei hineinredet: Der Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, greift nach dem Parteivorsitz der Sozialdemokraten.

Von Andrea Bachstein, Rom

Wenn es nach den Zuschauern des Fernsehsenders Sky in Italien geht, steht der Sieger schon fest: Dann wird der mediengewandte, eloquente Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, nächster Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD). Ein Dreier-Duell mit den anderen Bewerbern vor den Kameras hat er klar gewonnen.

Diese Platzierung deckt sich mit anderen Meinungsumfragen. Ob ihn die Mitglieder und Anhänger der Partei wirklich an der PD-Spitze sehen wollen, können sie am Sonntag bei Urwahlen entscheiden. Dann soll nach zehn Monaten unter dem Übergangschef Guglielmo Epifani endlich klar sein, wie es mit den Sozialdemokraten weitergeht.

Die Konstellation für den neuen Chef der PD ist günstig wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Der rechte Gegner Silvio Berlusconi ist nach seinem Ausschluss aus dem Senat schwach wie nie. Berlusconis bisherige Partei Popolo della Libertà (PDL) hat sich in zwei Parteien gespalten.

Für Letta ist die Partei keine optimale Stütze

Der sozialdemokratische Regierungschef Enrico Letta muss sich nun darauf einrichten, dass ihm ein neuer, von der Basis erkorener Chef seiner Partei mehr hineinredet. Schon bisher war die Partei für Letta keine optimale Stütze. Ein Teil der PD empfand die Koalition mit der Berlusconi-Partei PDL als unerträglich. Auch darum ging es bei den harten Personal- und Richtungskämpfen, die die PD seit den zu knapp gewonnen Wahlen im Februar prägen.

Dass die Sozialdemokraten sich bisher zu viel mit sich selbst befassen, findet auch einer von Renzis Mitbewerbern um den PD-Vorsitz, der 52-jährige Gianni Cuperlo aus Triest. Der Abgeordnete ging als Dritter aus dem Fernsehvergleich hervor. Er ist der Meinung, seine Partei solle sich endlich um die Probleme der Bürger kümmern, um die Menschen, die angesichts von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise nicht mehr weiter wüssten. Entscheidend sei es nun, den Arbeitsmarkt in Gang zu bringen.

Von der Regierung wünscht sich Cuperlo "mehr Mut bei Wirtschafts- und Sozialthemen". Bei den Reformen solle sie den bisherigen Kurs ändern, auch "gegenüber dem erpresserischen Verhalten der extremen Rechten". Das Alibi, man müsse auf diese Rechten in der Koalition Rücksicht nehmen, gebe es nun nicht mehr nach der Spaltung der Berlusconi-Partei, deren größter Teil sich von der Koalition losgesagt hat.

Cuperlo zielt nicht nur auf die Methoden der Berlusconi-Leute, sondern auch gegen Renzi. Der 43-jährige Toskaner hält die PD seit Jahren als Rebell in Atem. Er will die alte Garde aussortieren und steht für eine verwässerte Sozialdemokratie, in der sich viele linke Mitglieder und die Gewerkschaften nicht wiedererkennen.

In den vergangenen Tagen hat Renzi begonnen, die Regierung seines Parteifreundes Letta anzugehen. Renzis Kritiker behaupten, er wolle gar die Regierung stürzen oder zumindest den Premier. Renzi sagt dazu: "Ich denke nicht an Posten." Doch mit ihm würde die PD eine neue Seite aufschlagen. "Meine Kraft erlaubt es, dass ich der Regierung drei Bedingungen stelle", sagt er. "Wenn sie diese akzeptiert, dann ist es gut. Wenn nicht, sage ich Addio Mehrheit." Das heißt: Dann will er die Koalition mit den Berlusconi-Abtrünnigen von Innenminister Angelino Alfano aufkündigen.

Inhaltlich geht es Renzi um die Themen Reformen, Arbeitsmarkt und Europa. Seine Ankündigung lässt auch aufhorchen, weil Premier Letta sich kommende Woche im Parlament der Vertrauensfrage stellen muss. "Ich bin sicher", prophezeit Renzi schon mal, "sie machen die Reformen, und es wird erst 2015 neu gewählt."

Einstiger Wahlkämpfer für Romano Prodi

Das sieht der dritte und nach Renzi aussichtsreichste Kandidat für den Parteivorsitz anders. Giuseppe "Pippo" Civati, 48 Jahre alt, Abgeordneter, Philosophiedozent und einstiger Wahlkämpfer für Romano Prodi, will, dass schon im Frühjahr wieder ein neues Parlament gewählt wird. Civati ist der Ansicht, dass die jetzige Regierung nicht mehr ausreichend legitimiert sei, weil sie auf Druck des Staatspräsidenten zustande gekommen sei. Außerdem sei durch den Austritt der neuen Berlusconi-Partei Forza Italia aus dem Regierungsbündnis eine neue Situation entstanden.

Die Partito Democratico hofft, dass am Sonntag zwei bis drei Millionen Italiener von Nord bis Süd zu der Abstimmung über den neuen Parteichef kommen. "Wenn es weniger als 1,5 Millionen sind, wäre es eine Niederlage", sagt Matteo Renzi. Denn dann wäre die Legitimierung für den Sieger zu schwach, um den ewigen Richtungskämpfen ein Ende setzen zu können.

Zunächst sollten sich aber alle Kandidaten eines wünschen - dass die Vorwahlen korrekt ablaufen. Es kam nämlich heraus, dass es mit den vielen neuen Mitgliedsausweisen hier und da Schummeleien gegeben hat, die zu einer Manipulation der Wahlen führen könnten. Die PD hat daraufhin die weitere Ausgabe von Ausweisen gestoppt. In Salerno ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Mitgliedskarten.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2013
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