Konjunkturpaket:Steinbrück warnt vor höherem Staatsdefizit

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Das Konjunkturpaket kostet eine Menge Geld - so viel, dass vom kommenden Jahr an der EU-Stabilitätspakt nicht mehr eingehalten werden kann. Bundesfinanzminister Steinbrück rechnet mit einer Verschuldung von vier Prozent.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet nach der Einigung auf das schuldenfinanzierte 50-Milliarden-Konjunkturpaket mit einer deutlichen Überschreitung der europäischen Defizitgrenze im kommenden Jahr. 2009 werde Deutschland die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts "einigermaßen einhalten können", sagte der Minister der Financial Times Deutschland. "Für 2010 werden wir dagegen wohl über vier Prozent liegen", prognostizierte er.

Peer Steinbrück mahnt zur Ehrlichkeit. (Foto: Foto:)

Das Haushaltsjahr 2008 lief dagegen nach Angaben des Ministers trotz der beginnenden Krise besser als geplant. Der Bund habe die vorgesehene Neuverschuldung von 11,9 Milliarden Euro leicht unterschritten und mit einem Defizit von 11,6 Milliarden Euro abgeschlossen, sagte Steinbrück.

Das Bundeskabinett hat das Paket am Mittwoch beschlossen. Das verlautete aus der Bundesregierung. Mit dem Beschluss wurde gleichzeitig die Arbeit an den konkreten Gesetzesänderungen begonnen, die zur Umsetzung des Pakets notwendig sind. Die entsprechenden Entwürfe sollen in der Sitzung des Kabinetts am 27. Januar verabschiedet werden, um dann das konkrete Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Am späten Vormittag wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu dem größten Konjunkturpaket in der Geschichte der Bundesrepublik eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben.

Kein Ged für Steuerreform

Eine große Steuerreform rückt angesichts des Konjunkturprogramms in weite Ferne. Steinbrück hält eine solche Vereinfachung des komplizierten deutschen Steuersystems in den kommenden zehn Jahren für nicht mehr finanzierbar. Etwas weniger deutlich drückte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus. Sie sagte am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Farbe bekennen": "Wir brauchen eine Strukturreform, aber natürlich müssen wir erst einmal wieder in eine Phase wirtschaftlicher Erholung kommen." Auch sei eine große Steuerreform nicht in einem Schritt zu bewältigen.

Steinbrück mahnte in der Financial Times Deutschland zu Ehrlichkeit im Bundestagswahlkampf: "Alle, die im Wahlkampf zum Beispiel die Beseitigung des Mittelstandsbauchs im Steuertarif versprechen, werden das nicht durchhalten, wenn sie an der Regierung sind. Das würde 27,5 Milliarden Euro kosten." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte der Fuldaer Zeitung (Mittwoch): "Schon kurzfristig reduzieren die 50 Milliarden Euro den Spielraum für eine dringend notwendige Reform der Steuerstruktur."

Die Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauchs, der mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer überproportional belastet, gehört ebenso wie die Abschaffung der "kalten Progression" zu den wichtigsten Forderungen nach einer großen Steuerreform. Die kalte Progression sorgt dafür, dass die Bürger durch die Inflation immer höhere Steuersätze zahlen müssen. Das deutsche Steuersystem gilt mit seinen diversen Sonderregelungen zudem als eines der kompliziertesten der Welt.

Paket zur Jobrettung

Das zweite Konjunkturprogramm der Bundesregierung könnte aus Sicht von Arbeitsmarktforschern bis zu 250.000 Jobs retten. Der "Pakt für Deutschland" werde den erwarteten tiefen Einbruch des Wirtschaftswachstums in diesem Jahr um einen halben bis einen ganzen Prozentpunkt abfedern, sagte der Vizechef des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Ulrich Walwei, in der Berliner Zeitung voraus. "Das bedeutet für den Arbeitsmarkt, dass in der Summe etwa bis zu 250 000 Arbeitsplätze erhalten werden können, die sonst in der Krise verloren gegangen wären."

Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE), Hubertus Schmoldt, forderte die Unternehmen auf, angesichts des Konjunkturpakets keine Jobs mehr zu streichen. "Dank der arbeitsmarktpolitischen Beschlüsse und auch wegen der Entlastungen bei den Sozialbeiträgen können und sollten die Unternehmen die jetzige Beschäftigung garantieren", sagte Schmoldt der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post. Die Politik habe ihren Part geleistet.

Deutschland hat indes für 2008 erneut ein Staatsdefizit ausgewiesen. Das Finanzierungsdefizit des Staates betrug rund 1,59 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Das deutsche Staatsdefizit belief sich 2008 auf 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nach minus 0,2 Prozent im Vorjahr. Damit erfüllte Deutschland wie in den beiden Vorjahren das Maastricht-Kriterium von maximal 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

2009 steht Deutschland allerdings vor einer Schuldenexplosion wegen der Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der Kosten der Konjunkturpakete. Allein der Bund steuert auf eine Rekordneuverschuldung von mehr als 40 Milliarden Euro zu.

Bund und Länder gaben im vergangenen Jahr mehr Geld aus als sie einnahmen. Die Gemeinden erzielten ein Plus von 8,77 Milliarden Euro. Deutschland hatte das Maastricht-Kriterium von 2002 bis 2005 überschritten. 2006 war erstmals seit fünf Jahren wieder die zulässige Obergrenze eingehalten worden.

Brüssel hatte das Defizitverfahren gegen Deutschland im Juni 2007 eingestellt.

© dpa/Reuters/AFP/AP/vw/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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