Klima-Protest in Berlin:"Jetzt kippen wir auch die Abwrackprämie"

Demonstration gegen die Kaufpraemie fuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und SUVs. Die Menschenkette geht vom Verband d

Demonstration vor dem Bundeskanzleramt.

(Foto: imago images/Jens Schicke)

Während die Koalition über Konjunkturhilfen verhandelt, demonstrieren Aktivisten in Berlin für ein ökologisches und soziales Paket. Es ist eine seltene Allianz.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auf wen sie hofft beim Koalitionsausschuss heute Abend? Luisa Neubauer denkt kurz nach. "Ich würde ja gerne drei Namen droppen und sagen: Auf die setzen wir!", sagt Neubauer, eine der Frontfiguren der Fridays for Future. "Schade." Was die Klimakompetenz angehe, sei diese Bundesregierung eben "keine Blütenwiese".

Um diese Klimakompetenz aber könnte es gehen in den nächsten Stunden. Die Koalition verhandelt über die Umkehr der Corona-Talfahrt in der deutschen Wirtschaft. Ein Konjunkturpaket soll die Unternehmen wieder aus dem Tal führen, in Berlin gibt es dafür derzeit täglich mehr neue Ideen als neue Infizierte. Besonders vehement aber tobt der Streit rund um Prämien für den Kauf von Neuwagen. Können Kunden bald auf einen Zuschlag vom Staat für ein neues Auto hoffen? Selbst dann, wenn unter dessen Motorhaube ein klimaschädlicher Verbrenner steckt?

Am Dienstag tritt eine seltene Allianz vor die Presse: Die Fridays for Future, bisher vor allem ein Netzwerk gegen die Klimakrise, hat sich mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zusammengetan. Gemeinsam wollen sie für ein ökologisches und zugleich soziales Konjunkturpaket eintreten - ohne Autobonus. "40 Prozent der Menschen leben von der Hand in den Mund", sagt Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. "Die können sich keinen Neuwagen leisten." Besser seien die Milliarden bei den Kommunen aufgehoben, die sie in soziale Einrichtungen stecken könnten. Neubauer nennt es "völlig sinnentleert", den Kauf von Autos zu fördern, die mit ihren Emissionen dem Klima noch zusätzlich schaden. "Wir erwarten da Kreativität", sagt sie.

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Der Kampf um das Konjunkturpaket ist zäh. Die Autoindustrie ist groß und einflussreich, mehrere Ministerpräsidenten hatten ihre Sympathien für Kaufprämien schon erkennen lassen, unter ihnen der Grünen-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Klima- und Umweltschützer riefen am Dienstag in 60 deutschen Städten zu Demos auf. "Konjunktur mit Zukunft" forderten sie vor dem Brandenburger Tor, jeder einzelne Demonstrant auf Bierkisten oder Ikea-Hockern, in sicherem Abstand von seinen Nachbarn. Kurz darauf schlängelte sich eine Menschenkette durch die Stadt, vom Sitz des Autoindustrie-Verbands VDA zum Kanzleramt. Doch nicht an den Händen hielten sich die Demonstranten, sondern an Bändern: "Abstand halten zur Autolobby", stand darauf.

Ursprünglich hatte es heute noch einmal ein Treffen geben sollen zwischen Regierung und Autoindustrie, doch der Gipfel wurde abgesagt. Die Umweltschützer verbuchen das als ersten Erfolg. "Mit unserem Protest zeigen wir, dass wir nicht nachlassen", sagte Kerstin Haarmann, Chefin des Verkehrsclubs Deutschland. "Jetzt kippen wir auch die Abwrackprämie."

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