Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Deutsche Wirtschaft stark wie lange nicht

Trotz politischer Unsicherheit in der Welt wuchs das Bruttoinlandsprodukt 2017 besonders kräftig.

Von Cerstin Gammelin und Alexander Hagelüken, München/Berlin

Die deutsche Wirtschaft ist trotz wachsender politischer Unsicherheit in der Welt um 2,2 Prozent gewachsen. Ökonomen hatten befürchtet, der Protektionismus des US-Präsidenten Donald Trump werde der Exportnation Deutschland schaden. Tatsächlich fiel das Plus höher aus als 2016 (1,9 Prozent), so das Statistische Bundesamt. Zuletzt war das Wachstum vor sechs Jahren so stark, damals erholte sich die Wirtschaft von der Finanzkrise. Berücksichtigt man, dass es vergangenes Jahr weniger Arbeitstage gab, fällt der Boom noch kräftiger aus. Der Staat verbuchte den höchsten Überschuss seit der Vereinigung, was einer neuen Regierung Ausgaben erleichtert.

Entgegen pessimistischen Prognosen verhängte Trump nicht massenhaft Strafzölle gegen konkurrierende Nationen. Auch brach weder Chinas Wirtschaft ein, noch verursachte der anstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union größere Einbußen. Der deutsche Export nahm mit 4,7 Prozent sogar fast doppelt so stark zu wie im Jahr zuvor. Allerdings trug das internationale Geschäft erneut weniger zum Aufschwung bei als in früheren Jahren. Fundament für den Zuwachs waren die privaten Konsumausgaben. Die Beschäftigung erreichte mit mehr als 44 Millionen Menschen einen neuen Rekord. Stärker als zuletzt stiegen auch die Investitionen.

Für das Jahr 2018 sind Ökonomen optimistisch. Die Weltkonjunktur soll weiter anziehen, die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland steigen. Niedrige Zinsen dürften erneut Bauvorhaben anregen. Das Münchner Ifo-Institut geht für dieses Jahr von einem Wachstumsplus von 2,6 Prozent aus, das Kieler Institut für Weltwirtschaft von 2,5 Prozent. Mit einer konjunkturellen Überhitzung aber, die etwa Preise und Löhne zu stark in die Höhe treibt, rechnet der Bundesverband der Deutschen Industrie nicht. Für das Jahr 2019 wird dann weniger Dynamik erwartet.

Zu den Gefahren für die Wirtschaft zählen Konjunkturforscher den Atomkonflikt zwischen Nordkorea und den USA und Eskalationen im Mittleren Osten. Die Politik von US-Präsident Trump könnte auf längere Sicht schaden. Etwa wenn seine Steuerreform zugunsten der Unternehmen Investitionen aus Deutschland in die USA umlenken und er die Streitschlichtung der Welthandelsorganisation WTO lahmlegt, die bisher Konflikte zwischen Exportnationen beilegt.

Die anhaltende Konjunktur bescherte 2017 auch dem Staatshaushalt schwarze Zahlen. Der Überschuss von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung zusammen erreichte 38 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass die nächste Bundesregierung einen finanziellen Spielraum für große Projekte haben wird. Der geschäftsführende Bundesminister Peter Altmaier (CDU) war mit einem Richtwert von 45 Milliarden Euro für die gesamte Legislaturperiode in die Gespräche von CDU, CSU und SPD gegangen. An diesem Freitag kann der finanzielle Spielraum nochmals geringfügig größer werden - wenn das Bundesfinanzministerium den Jahresabschluss 2017 vorlegt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3821099
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.01.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.