Kongresswahlen in den USA:Mit Geld, Glück und Tontauben an die Macht

Der Enkel eines US-Präsidenten, eine Demokratin mit Liebe zu Waffen und ein Mann, der Hillary Clinton für den "Antichrist" hält. SZ.de stellt die interessantesten Kandidaten bei den "Mid-Terms" am 4. November vor.

Von Matthias Kolb, Washington, und Johannes Kuhn, San Francisco

12 Bilder

Republican candidate for the United States Senate Scott Brown speaks at a campaign rally at Gilchrist Metal Fabricating in Hudson

Quelle: REUTERS

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Name: Scott Brown (Republikaner)

Steht zur Wahl in: New Hampshire (Senatssitz)

Mission: Eine dritte Karriere als Posterboy. 1982 zog sich der Republikaner für das Magazin Cosmopolitan aus, 2010 gewann er überraschenderweise den Senatssitz der verstorbenen Liberalen-Ikone Ted Kennedy in Massachusetts - um ihn etwas mehr als zwei Jahre später an die neue Liberalen-Ikone Elizabeth Warren zu verlieren. Ist inzwischen ins benachbarte New Hampshire gezogen, um einen neuen politischen Anlauf zu nehmen und die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen (nicht als Ikone bekannt) zu entthronen.

Aussichten: Brown hat den Rückstand in den Umfragen beinahe aufgeholt - auch wenn ausgerechnet Cosmopolitan die Unterstützung verweigert. "Seine politischen Positionen sind nicht so solide wie seine Bauchmuskeln in den Achtzigern", schrieb das Magazin.

Greg Orman

Quelle: AP

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Name: Greg Orman (Unabhängiger Kandidat)

Steht zur Wahl in: Kansas (Senat)

Mission: Als Nicht-Republikaner im konservativen Kansas gewinnen. Kein Experte rechnete Anfang 2014 damit, dass es in dem konservativen Staat im Mittleren Westen spannend werden könnte, doch Orman macht es möglich. Der 45-Jährige will sich in Washington als "Problemlöser" für Kompromisse einsetzen - und sich jener Partei anschließen, die nach der Wahl am 4. November die Mehrheit hat. Ein Erfolgsfaktor für Orman ist aber auch die Unbeliebtheit von Pat Roberts: Der Republikaner ist 78 und musste eingestehen, dass er kein eigenes Haus mehr in Kansas besitzt und sich nur selten in seinem Heimatstaat sehen lässt. Frust auf den Amtsinhaber und Lust auf ein neues Gesicht - das ist oft eine gute Kombination in Amerikas Politik.

Aussichten: Das Rennen ist eng, aber in den meisten Umfragen liegt Orman knapp vorne. Die Republikaner pumpen viel Geld in das Rennen und schicken Partei-Promis nach Kansas, um Pat Roberts zu retten, aber der Millionär Orman könnte neben Bernie Sanders und Angus King wirklich der dritte unabhängige Senator werden.

Bill Clinton Campaigns With Alison Lundergan Grimes In Kentucky

Quelle: AFP

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Name: Alison Lundergan Grimes (Demokratin)

Steht zur Wahl in: Kentucky (Senat)

Mission: Sich als Demokratin so weit wie möglich von Obama distanzieren. Grimes tritt in Kentucky gegen den Republikaner Mitch McConnell an: Dieser wurde 1984 in den Senat gewählt, als seine Herausforderin fünf Jahre alt war. Weil er strikte Auflagen für Kohlekraftwerke durchgesetzt hat und strengere Waffengesetze fordert, ist Präsident Obama in Kentucky sehr unbeliebt - und Grimes verbiegt sich in fast schon absurder Weise, um nichts mit ihm zu tun zu haben. Sie schießt in Wahlvideos auf Tontauben und weigerte sich lange, zu verraten, ob sie 2008 und 2012 für Obama gestimmt habe. Sie verwies auf das Wahlgeheimnis und betonte, sie sei vielmehr ein Fan von Bill und Hillary Clinton (auf dem Foto schießt sie gerade ein Selfie von sich mit dem Ex-Präsidenten).

Aussichten: Unwahrscheinlich, aber nicht aussichtslos. McConnell, der ranghöchste Republikaner im Senat, führt in den Umfragen mit etwa vier Punkten, aber auch er ist nicht wirklich populär in seiner Heimat. Ein Überraschungssieg der jungen Demokratin ist also nicht ausgeschlossen.

Tea Party Challenger To Cantor's Seat Dave Brat Campaigns

Quelle: AFP

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Name: David Brat (Republikaner)

Steht zur Wahl in: Virginia (Repräsentantenhaus)

Mission: Aufräumen in Washington. David Brat löste im Juni ein politisches Erdbeben aus, als der Republikaner in der Vorwahl Eric Cantor besiegte. Cantor war bereits die Nummer 2 im Repräsentantenhaus und hatte eine noch steilere Karriere vor sich. Brat besiegte Cantor, indem er die Wut vieler Bürger auf die abgehobene Elite in Washington ansprach - auch Cantor war sich für echten Wahlkampf zu fein. Nun betont der Wirtschaftsprofessor Brat aus Ashland seine Kompetenz als Ökonom, freut sich über die Unterstützung von Partei-Promis wie Rand Paul und verbreitet Optimismus: "Amerika kann wieder großartig sein. Wir haben unsere besten Zeiten noch vor uns."

Aussichten: Ziemlich gut, denn die Republikaner haben den 7. Stimmbezirk in Virginia eigentlich stets gewonnen. Sein demokratischer Gegner Jack Trammell ist übrigens ebenfalls Professor an der Uni in Ashland.

Mia Love

Quelle: AP

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Name: Mia Love (Republikanerin)

Steht zur Wahl in: Utah (Sitz im Repräsentantenhaus)

Mission: Geschichte schreiben. Die 38-Jährige wäre die erste schwarze Republikanerin im Repräsentantenhaus. Die Mormonin ist eine gute Rednerin und wurde schon 2012 beim Parteitag der Republikaner gefeiert. Sie hat die Unterstützung von Mitt Romney - Geld für ihren Wahlkampf hat sie also genug. Love zieht viel Aufmerksamkeit auf sich, da die Republikaner üblicherweise sowohl bei Afroamerikanern als auch bei jüngeren Frauen schlecht ankommen. Würde sie gewählt, wäre sie sicher noch öfter bei Fox News zu sehen als heute schon.

Aussichten: Gut, die ehemalige Bürgermeisterin einer Kleinstadt führt in den Umfragen. Hilfreich ist auch, dass der erfahrene Demokrat Jim Matheson, gegen den Love 2012 verloren hatte, nun nicht mehr antritt.

Montana-House Debate

Quelle: picture alliance / AP Images

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Name: Ryan Zinke (Republikaner)

Steht zur Wahl in: Montana (Sitz im Repräsentantenhaus)

Mission: Den Antichrist bekämpfen. Das ist für den erzkonservativen Ex-Elitesoldaten nicht Russland oder der Islamische Staat, sondern Hillary Clinton. Zwar relativierte der 52-Jährige die Aussagen später ("etwas harsch"), aber schlichte Aussagen sind bei Zinke Programm: Kohle, Öl und Gas sind die Zukunft der Energieversorgung, gegen Obama sollte ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden. Geld erhält er praktischerweise von einem Super Pac, das er vor zwei Jahren selbst gründete.

Aussichten: Schlichte Aussagen schaden in Montana nicht, Zinke liegt in Umfragen weit vor seinen Konkurrenten und wird höchstwahrscheinlich ins Repräsentantenhaus einziehen.

Jimmy Carter, Jason Carter

Quelle: AP

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Name: Jason Carter (Demokrat)

Steht zur Wahl in: Georgia (Gouverneur)

Mission: Das Erbe des Großvaters antreten. Jimmy Carter (links im Bild) war ebenfalls einst Gouverneur von Georgia, später wurde er 1977 überraschend Präsident der USA. Enkel Jason hat sich bereits einen Namen als Politiker in dem konservativen Staat im Süden gemacht, nun führt er einen erbitterten Wahlkampf gegen den republikanischen Amtsinhaber Nathan Deal. Dabei setzt er auf die Unterstützung der Schwarzen und Latinos im Bundesstaat, die einen immer größeren Teil der Bevölkerung stellen; unter anderem unterstützte der Anwalt Klagen gegen die Verschärfung der Wahlgesetze durch die Republikaner.

Aussichten: Das Rennen ist absolut offen, beide Kandidaten liegen gleichauf.

Rick Perry Calls Texas Legislature Back For Special Second Session

Quelle: AFP

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Name: Wendy Davis (Demokratin)

Steht zur Wahl in: Texas (Gouverneurin)

Mission: Beweisen, dass Demokraten in Texas eine Chance haben. Bisher ist der "Lone Star State" eine Hochburg der Republikaner, doch dank der wachsenden Latino-Bevölkerung und der vielen Zuwanderer aus dem ganzen Land hofft Obamas Partei, hier von 2020 an konkurrenzfähig zu sein. Die 51-jährige Davis wurde im Juni 2013 landesweit bekannt, als sie 13 Stunden lang im Parlament in Austin redete, um ein strenges Abtreibungsgesetz zu verhindern. Sie scheiterte, aber bekam aufmunternde Tweets von Obama. Ihre neue landesweite Popularität half Davis, 30 Millionen Dollar Spenden für ihre Kampagne einzusammeln.

Aussichten: Schlecht, denn die meisten Texaner stört es eher, wenn eine Kandidatin von Steven Spielberg und Barbra Streisand unterstützt wird. Zudem sorgte Davis mit einem geschmacklosen Video für Schlagzeilen: Es zeigt einen Rollstuhl und unterstellt Davis' körperlich behinderten Gegner Greg Abbott, dass er nach einem Unfall eine hohe Entschädigung bekommen habe - und nun Gesetze unterstütze, die dies anderen Opfern erschwere. Die Demokraten hoffen auf Schadensbegrenzung und dass Davis nicht mit mehr als zehn Punkten Abstand verliert.

Scott Walker

Quelle: AP

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Name: Scott Walker (Republikaner)

Steht zur Wahl in: Wisconsin (Gouverneur)

Mission: Seine Präsidentschaftskandidatur sichern. Scott Walker ist ein Held für viele Republikaner: Als Gouverneur im wichtigen swing state Wisconsin hat er sich mit den Gewerkschaften angelegt und ihnen das Recht genommen, Tarifverträge auszuhandeln. Das brachte ihm den Spitznamen "Mussolini des Westens" und ein Referendum über seine Absetzung ein, doch Walker setzte sich durch. Sollte er als Gouverneur wiedergewählt werden, hätte er gute Chancen als Republikaner-Kandidat 2016. Die Spender lieben ihn und als Gouverneur hat er Erfahrung im Regierungsalltag - eine Fähigkeit, die Barack Obama vor seinem Einzug ins Weiße Haus fehlte.

Aussichten: Demoskopen sehen Walker und seine demokratische Herausforderin Mary Burke Kopf an Kopf - und beide Seiten wissen um den Symbol-Wert dieses Rennens.

Michele Obama, Bruce Braley

Quelle: AP

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Name: Bruce Braley (Demokrat)

Steht zur Wahl in: Iowa (Senat)

Seine Mission: Braley hat zwei Ziele. Erstens möchte er, dass die Parteiprominenz endlich seinen Namen lernt. Sowohl Michelle Obama, als auch Bill Clinton nannten ihn bei Wahlkampfauftritten "Bruce Bailey", was ihm Hohn und Spott von Seiten der Republikaner einbrachte. Zweitens möchte er den Senatssitz seines Parteifreunds Tom Harkin erobern. Das wiederum findet auch die Parteiprominenz wichtig, denn im Kampf um die Senatsmehrheit in Washington könnte der Ausgang des Rennens entscheidend sein. Allerdings wirkt er blasser als seine republikanische Konkurrentin Joni Ernst, die etwa damit prahlt, als Studentin Eber auf einer Schweinefarm kastriert zu haben. Das Interesse an dem Zweikampf ist groß: 35 Millionen Dollar im Wahlkampf kommen von außerhalb Iowas.

Aussichten: In Umfragen liegt Braley ganz leicht zurück, das Rennen bleibt bis zum Schluss offen. Braley könnte die tragische Figur der Midterms werden - oder sich als der Retter der Demokraten im wahrsten Sinne des Wortes einen Namen machen.

Governor Rick Scott And Challenger Charlie Crist Hold Second Debate

Quelle: AFP

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Name: Rick Scott (Republikaner)

Steht zur Wahl in: Florida (Gouverneur)

Mission: Seinen Gouverneursposten behalten, koste es, was es wolle. Der ehemalige Geschäftsmann (132 Millionen Dollar schwer) und sein demokratischer Herausforderer Charlie Christ (links im Bild), selbst einst republikanischer Gouverneur im Sonnenschein-Staat, liefern sich ein fieses wie kostspieliges Duell. Interessensgruppen auf beiden Seiten schmeißen mit Millionen, die Kandidaten mit Dreck. Das Verhältnis ist so schlecht, dass Scott beinahe eine TV-Debatte platzen ließ, weil Christ unter seinem Rednerpult einen Ventilator platziert hatte. Im wichtigen Wechselwähler-Staat ist die Besetzung des Gouverneurspostens auch für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 wichtig.

Aussichten: Beide liegen in Umfragen gleichauf, auch in Sachen Unbeliebtheit. Nicht einmal jeder zweite Bürger Floridas gibt an, einen guten Eindruck von den Kandidaten zu haben.

Gil Fulbright

Quelle: Quelle: Facebook/Gil Fulbright

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Name: Gil Fulbright (Partei unbekannt)

Steht zur Wahl in: Kentucky (Senat)

Mission: "Bei dieser Kampagne geht es nicht um mich, sondern darum, eine Version von mir zu basteln, die Sie anspricht", erzählt Fulbright in seinem Wahlkampf-Video. Für die Bürger seines Wahlkreises habe er keine Zeit, denn 70 Prozent seiner Zeit sammle er Geld für die Wiederwahl, erzählt er. Dafür würden seine Gesetze dann aber auch keine mächtigen Interessensgruppen verprellen. Gil Fulbright ist ehrlich, weil er von einem Schauspieler gespielt wird: Für die Organisation Represent.us, die sich für eine Reform der Wahlkampffinazierung einsetzt, soll er die Korrumpierbarkeit politischer Kandidaten darstellen.

Aussichten: Da er nicht auf dem Wahlzettel steht, wird er nicht gewinnen. Doch der Spot verbreitete sich viral im Netz, die Crowdfunding-Kampagne, um den Spot in TV und Radio auszustrahlen, übertraf mit 114.000 Dollar sämtliche Erwartungen.

© SZ.de/ghe
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