Süddeutsche Zeitung

Kongresswahlen in den USA:Das Desaster der Demokraten

Herbe Niederlage: Die Demokraten verlieren die Kontrolle über das Abgeordnetenhaus. Zwei Jahre nach Obamas Wahl zum US-Präsidenten strafen die Amerikaner seine Partei bei den Kongresswahlen ab - und bescheren den Republikanern einen Triumph.

Bis zuletzt kämpfte Barack Obama gegen die drohende Niederlage an, bis zuletzt beschwor er immer wieder den "großen Moment des Wandels" und versuchte seine Anhänger zu mobilisieren. Am Ende steht der US-Präsident dennoch als der große Verlierer da: Obama und seine Demokraten haben beim ersten landesweiten Stimmungstest seit seiner Wahl vor zwei Jahren eine schwere Schlappe hinnehmen müssen.

Wie mehrere US-Sender in der Nacht zu Mittwoch prognostizierten, verloren die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Republikaner. Ihre Mehrheit im Senat konnten sie laut CNN und ABC, die sich auf erste Ergebnisse und Nachwahlbefragungen berufen, jedoch offenbar verteidigen.

Herbe Verluste

TV-Prognosen zufolge verloren die Demokraten mindestens 50 Mandate in dem 435 Sitze umfassenden Repräsentantenhaus. Laut des TV-Senders MSNBC können die Republikaner mit 237 Sitzen rechnen, die Demokraten mit lediglich 198.

Obama wird nach der Konstituierung des neuen Kongresses im Januar auf Stimmen der gegnerischen Republikaner angewiesen sein, um Gesetzesvorhaben verabschieden zu lassen. Die Republikaner werden Initiativen des Präsidenten blockieren können, Obama seinerseits hat die Möglichkeit, Beschlüsse des Kongresses mit einem Veto zu stoppen.

Als nahezu sicher gilt, dass John Boehner nach der Wahl zum Präsidenten des Repräsentantenhauses gekürt wird. Das macht ihn zum drittmächtigsten Mann im Staat nach Obama und dessen Vize Joe Biden. "Das amerikanische Volk hat heute eine unmissverständliche Botschaft gesandt: Ändere den Kurs!", sagte Boehner in der Nacht in Richtung Obama.

Der US-Präsident reagierte bereits: Er rief die Republikaner zur Zusammenarbeit auf und wolle Gemeinsamkeiten ausloten - mit dem Ziel, "das Land voranzubringen" zum Wohle der US-Bürger, hieß es in einer Mitteilung aus dem Weißen Haus am Mittwochmorgen.

Auch in den zweiten Kongresskammer, dem Senat, mussten Obamas Demokraten Verluste hinnehmen. Erste Auszählungsergebnisse deuteten aber darauf hin, dass sie in der 100 Sitze umfassenden Kammer eine knappe Mehrheit behalten könnten.

In Arkansas, North Dakota und Indiana nahmen die Republikaner den Demokraten Senatssitze ab; in Indiana siegte der frühere US-Botschafter in Berlin, Dan Coats. Der Republikaner war in den neunziger Jahren schon einmal Senator. In Ohio wurde der frühere Haushaltsdirektor des damaligen Präsidenten George W. Bush, Rob Portman, zum republikanischen Senator gewählt.

Erfolge für die "Tea Party"

Dem neuen Senat werden erstmals auch republikanische Senatoren angehören, die als Kandidaten der erzkonservativen Basisbewegung "Tea Party" angetreten waren und für den Fall ihrer Wahl eine Fundamentalopposition gegen Obamas Politik angekündigt hatten.

In Kentucky setzte sich der Kandidat Rand Paul durch, der im Wahlkampf mit Kritik an der Bürgerrechtsgesetzgebung der sechziger Jahre Unmut ausgelöst hatte. "Heute Nacht setzt die 'Tea Party' eine Flutwelle in Bewegung, und wir senden eine Botschaft an Washington", sagte Wahlsieger Paul in Kentucky. In Florida gewann der kubanischstämmige Politiker Marco Rubio. Die umstrittene "Tea Party"-Kandidatin Christine O'Donnell in Delaware verlor hingegen gegen einen Demokraten.

Die "Tea Party" ist eine lose Basisbewegung, die sich in Reaktion auf Obamas Wahlsieg gegründet hat. Sie versteht sich als rechtskonservativ und steht für eine Zurückdrängung des Sozialstaats, Steuersenkungen und ein möglichst unreguliertes Unternehmertum.

Bei der Senatswahl in West Virginia setzte sich der Demokrat Joe Manchin durch, der sich im Wahlkampf mit scharfer Kritik an seinem Parteikollegen Obama profiliert hatte. Bei der Senatswahl in Connecticut siegte der Demokrat Richard Blumenthal gegen die republikanische Unternehmerin Linda McMahon, die ihren Wahlkampf Schätzungen zufolge mit 50 Millionen Dollar aus eigener Tasche finanziert hatte.

In einem der am härtesten umkämpften Senatsrennen setzte sich der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, laut Prognosen gegen seine republikanische Mitbewerberin im Bundesstaat Nevada durch. Reid gewann bei der Abstimmung gegen die Republikanerin Sharron Angle, die als eine der bekanntesten Vertreterinnen der konservativen Tea-Party-Bewegung ins Rennen gegangen war, wie mehrere US-Sender unter Berufung auf Nachwahlbefragungen meldeten.

Die Republikaner hatten einen symbolträchtigen Sieg über den mächtigsten demokratischen Senator zu einem ihrer Hauptanliegen bei der Wahl erklärt. Laut CNN kam Reid auf 51 Prozent der Stimmen, Angle konnte etwa 45 Prozent auf sich vereinen.

Der ehemalige Senatssitz von Obama in Illinois ist an den konservativen Kandidaten Mark Kirk gefallen. Der 51-Jährige siegte mit einem knappen Vorsprung von zwei Prozentpunkten vor dem Demokraten Alexi Giannoulias (34), für den Obama bis zuletzt eindringlich geworben hatte. Kirk war bislang Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus.

Brown löst Schwarzenegger ab

Auf Gouverneursebene erlitten die Demokraten ebenfalls herbe Verluste: Mindestens neun Posten musste Obamas Partei an die Republikaner abgeben. Konservative Gouverneure regieren künftig die ehemals demokratisch geführten Staaten Kansas, Oklahoma, Iowa, Tennessee, Pennsylvania, Michigan, Wyoming, New Mexico und Wisconsin.

Während South Carolina mit der Republikanerin Nikki Haley die erste Gouverneurin asiatischer Abstammung bekommt, wird New Mexico künftig von einer Frau mit lateinamerikanischen Wurzeln regiert. Die Republikanerin Susana Martinez gewann gegen ihre demokratische Konkurrentin Diane Denish.

Auch Ohio wird zukünftig republikanisch regiert: In dem Kohlestaat setzte sich John Kasich mit 49 Prozent der Stimmen gegen den Amtsinhaber Ted Strickland (47 Prozent) durch. Ohio zählt wegen seiner Wechselwähler zu den sogenannten Swing States, die bei Präsidentschaftswahlen oft das Zünglein an der Waage sind.

In Kalifornien triumphierten die Demokraten hingegen. Ihr Kandidat Jerry Brown setzte sich als Nachfolger des Republikaners Arnold Schwarzenegger durch. Die ehemalige Ebay-Chefin Meg Whitman, die mehr als 140 Millionen Dollar aus eigener Tasche in den Wahlkampf gepumpt hatte, unterlag. Einen Sieg verbuchte auch der Demokrat Andrew Cuomo im Staat New York. Der Ex-Generalstaatsanwalt des Bundesstaates gewann gegen den konservativen Bauunternehmer Carl Paladino.

Offen blieb zunächst das Rennen um den Bundesstaat Florida: Dort lieferte sich der republikanische Kandidat Rick Scott ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seiner demokratischen Konkurrentin Alex Sink.

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