Süddeutsche Zeitung

Kongresswahl in den USA:Obama frustriert Amerika

  • Die Unzufriedenheit der Amerikaner mit Präsident Barack Obama könnte den Republikanern bei der Kongresswahl am Dienstag die Mehrheit im Senat bringen.
  • Obama ist zur Belastung für seine Partei geworden, die sich in hart umkämpften Bundesstaaten von ihm distanziert.
  • Nach großen Pannen in Ministerien, den Steuerbehörden und dem Secret Service steht die Kompetenz der US-Regierung grundsätzlich infrage.
  • Viele US-Bürger sind zudem mit der wirtschaftlichen Lage unzufrieden.

Von Nicolas Richter, Washington

Wenige Tage vor der US-Kongresswahl ist die Mehrheit der Amerikaner besorgt über den Zustand des Landes und seiner Regierung. Die Unzufriedenheit mit Präsident Barack Obama könnte in der kommenden Woche neue Machtverhältnisse im Parlament schaffen: Den Republikanern werden von vielen Beobachtern gute Chancen eingeräumt, bei der Abstimmung am Dienstag die Mehrheit im Senat zu übernehmen, sie würden dann beide Parlamentskammern beherrschen. Zwei Jahre vor dem Ende seiner Präsidentschaft wäre Obamas Spielraum damit so beschränkt wie noch nie seit seinem Amtsantritt Anfang 2009.

Einer Umfrage von Washington Post und ABC News zufolge erklären sechs von zehn Amerikanern, dass sie der Regierung nicht zutrauen, "das Richtige zu tun". Der Unmut richtet sich auch gegen den Präsidenten selbst: Nur 43 Prozent der Amerikaner sind nach der Umfrage zufrieden mit Obama. Dies bestätigen auch andere Erhebungen: Im Durchschnitt mehrerer Umfragen, den die Webseite "Real Clear Politics" errechnet, sind 42 Prozent zufrieden und 54 unzufrieden.

Bei der Parlamentswahl am 4. November reichen der Opposition bereits leichte Gewinne, um ihren Einfluss massiv auszuweiten. Es gilt als sicher, dass die Republikaner ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus behalten, womöglich sogar ausbauen werden. Gleichzeitig müssten sie im Senat insgesamt sechs Sitze dazugewinnen, um auch dort die Mehrheit zu stellen. Jüngste Umfragen legen nahe, dass sie durchaus realistische Erfolgschancen haben. Die seriöse Statistik-Webseite "FiveThirtyEight" beziffert diese Erfolgswahrscheinlichkeit mit 64 Prozent.

Demokratische Senatoren vermeiden Auftritte mit Obama

Der Wahlkampf offenbart, dass Obama nach beinahe sechs Jahren im Amt zu einer echten Belastung für seine Partei geworden ist. In hart umkämpften Staaten wie Colorado, Louisiana oder North Carolina haben es die demokratischen Senatoren vermieden, mit ihm aufzutreten. Eher haben sie sich sogar von ihm distanziert. Die republikanischen Herausforderer versuchten derweil, diese Senatoren so nah wie möglich an Obama zu rücken: In Werbespots hieß es, sie hätten bei Abstimmungen im Senat "in 99 Prozent der Fälle" für dessen Vorhaben gestimmt.

Als der Präsident 2009 ins Weiße Haus einzog, beherrschten die Demokraten beide Kammern im Kongress, und Obama setzte bald einige zentrale Projekte durch, etwa die Gesundheitsreform. Schon bei der Zwischenwahl 2010 aber musste er die erste Niederlage hinnehmen: Angetrieben von der rechtspopulistischen Tea Party und ihrem Unmut über einen angeblich maßlosen Staat eroberten die Republikaner das Abgeordnetenhaus zurück. Seitdem ist Washington gelähmt: Die weit nach rechts gerückten Republikaner im Abgeordnetenhaus und der mehrheitlich demokratische Senat konnten sich nicht auf nennenswerte Reformen einigen.

Die US-Zwischenwahlen gelten immer auch als Referendum über die Leistung des Präsidenten, und oft nutzen die Amerikaner die Gelegenheit, um ihre Regierung abzumahnen. Sollte sich die Unzufriedenheit mit Obama auf das Wahlergebnis am Dienstag übertragen, muss er mit einer schweren Niederlage rechnen.

Nach großen Pannen in den Ministerien für Gesundheit und Veteranen, den Steuerbehörden und dem Secret Service steht zum einen die Kompetenz der US-Regierung grundsätzlich infrage. Zum anderen sehen viele Amerikaner die außenpolitische Glaubwürdigkeit ihres Landes beschädigt: Selbst Parteifreunde und frühere Kabinettsmitglieder werfen dem Präsidenten vor, die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) viel zu lange geduldet zu haben.

Viele Bürger spüren nichts vom Aufschwung

Unzufrieden sind die Amerikaner aber vor allem mit der wirtschaftlichen Lage des Landes. Obwohl die Arbeitslosigkeit seit Jahren sinkt, spüren viele Bürger nichts vom Aufschwung. Aus Sicht Obamas liegt es daran, dass die Menschen zu wenig verdienen, er plädiert für einen Mindestlohn. Aus Sicht der Republikaner dagegen erstickt der Demokrat die Konjunktur mit Steuern und Vorschriften.

Sollten die Republikaner den Senat erobern, dürfte es in den kommenden beiden Jahren zu einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Präsident und Parlament kommen. Mit ihrer Mehrheit in beiden Kammern dürften die Republikaner etliche Gesetze verabschieden und dem Weißen Haus vorlegen, und Obama würde sie per Veto blockieren. Gleichzeitig könnte der Präsident den Kongress umgehen und künftig per Dekret regieren. Im Sommer hat er angekündigt, dass er Teile des Einwanderungsrechts notfalls im Alleingang umgestalten werde.

Möglich ist aber auch ein drittes Szenario: Präsident und Parlament überwinden ihren Hader und finden Gemeinsamkeiten, wie zuletzt etwa Präsident Bill Clinton, der es in den 90er-Jahren ebenfalls mit einem republikanischen Kongress zu tun hatte. Als mögliches Kompromissthema gilt unter anderem eine Reform der Unternehmensteuern. Vor seiner Wahl zum Präsidenten hatte Obama einen solchen versöhnerischen Ansatz angekündigt. Stattdessen sind die Animositäten von Jahr zu Jahr gewachsen.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2014/mane
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