Kongress von CDU und CSU:Pannen in der Märchenwerkstatt

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CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer bei der Vorstellung des Wahlprogramms der Union.

(Foto: Getty Images)

Die SPD hat Wahlkampf-Patzer nicht länger exklusiv. CDU und CSU stellen ihr Wahlprogramm ausgerechnet in einer ehemaligen Werkstatt für Luftschlösser vor. Auch die CSU-Verwandtschaftsaffäre spielt eine Rolle. Die gute Laune der Parteichefs stört das nicht: Merkel gibt sich gewohnt souverän, Seehofer reagiert mit einer vorzeitigen Siegeserklärung.

Von Michael König, Berlin

Die Treppe hoch, scharf links. Achtung Schwelle, bitte nicht stolpern. Wieder links, zum Aufzug. Der ist voll. Also wieder die Treppe? Drei Stockwerke hoch. Und dann noch ein paar Stufen. Wer an diesem Montag zur Vorstellung des Regierungsprogramms von CDU und CSU will, der muss gut zu Fuß sein.

Es ist ein merkwürdiger Ort. Nicht nur, weil er nicht behindertengerecht ist. Die Opernwerkstätten in Berlin-Mitte stehen für vieles, was die Union partout nicht will: Der Ort atme "die Luft des Verwandlung, der Überraschung und des Unerwarteten", heißt es auf der Website der Opernwerkstätten. Jahrzehntelang wurden hier Bühnenbilder gebaut. Luftschlösser, Märchenwälder für die Produktionen der Berliner Theater und Opernhäuser.

Das passt zur Aussage des SPD-Fraktionschefs Frank-Walter Steinmeier, das Wahlprogramm der Union sei ein "Märchenbuch". Oder zum Auftritt von Kurt Lauk, Parteirebell und Präsident des CDU-Wirtschaftsrates. Dieser hatte am Vorabend in den ARD-Tagesthemen gesagt, es sei nun mal eine "traditionelle Übung", vor den Wahlen Wahlversprechen zu machen, die anschließend wieder "wegrationalisiert" würden. "Die Wähler wissen das", so Lauk.

Es passt gewissermaßen auch zum Faktencheck des Spiegel, in dem das 120-seitige Programm der Union (hier als PDF) die Schulnote "mangelhaft" bekommen hat. Es passt aber sicher nicht zu "Stabilität, Solidität und Sicherheit". Das sind laut CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Leitmotive des neuen Regierungsprogramms. Angela Merkel sagt in ihrer Rede: "Stärken sichern und Stärken ausbauen" seien die wichtigsten Punkte. Verwandlung, Überraschung, Unerwartetes? Kommt der Union überhaupt nicht gelegen.

Union tappt in Fettnäpfchen

Es ist schon bemerkenswert: CDU und CSU spotten seit Wochen über den Pannen-Wahlkampf der SPD. Kaum machen sie selbst ein bisschen Wahlkampf, tappen sie selbst in einige Fettnäpfchen.

Um elf Uhr geht es los, 600 geladene Gäste sitzen auf schwarzen Stühlen. Außer zu Applaudieren haben sie nichts zu tun, verabschiedet wurde das Programm bereits am Vortag. Vorne gibt Dobrindt den Einpeitscher. "Die Wahrheit liegt in der Urne", sagt er zur Begrüßung. Das soll schmissig klingen, erzeugt aber Gemurmel im Saal. In der Bestattungs-Urne? Dobrindt korrigiert sich: "Die Wahrheit liegt in der Wahlurne, meine ich."

Noch so ein Moment: Moderatorin Tanja Samrotzki kündigt den CSU-Chef Horst Seehofer mit den Worten an, "es ist immer gut, wenn man eine patente Verwandtschaft hat." Ein Raunen geht durch den Saal. Ist das eine Anspielung auf die Verwandtschaftsaffäre der Christsozialen?

Es liegt an Seehofer, die Stimmung zu drehen. Es gelingt ihm mit bombastischer Zuversicht und den gewohnt großen Tönen: "Wir werden von hier aus in 90 Tagen verkünden können, Angela Merkel bleibt Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland". Das ist kein Wunsch, es ist eine Tatsachenbehauptung. Ein Satz, wie man ihn am 22. September um 18:01 Uhr erwarten würde. Also nach der Bundestagswahl.

"Wer steht uns denn gegenüber?", fragt Seehofer. "Eine Opposition, die mit keinem Thema die Köpfe und Herzen erreicht, die immer über Macht redet und Ohnmacht demonstriert."

Der bayerische Löwe schnurrt

Er habe sich selten so auf einen Wahlkampf gefreut, sagt Seehofer und plaudert aus dem Nähkästchen: Wenn er bei seinen Reden einmal nicht weiterkomme, "wenn der Faden nicht wieder auf die Spule will, dann greife ich zum letzten Rettungsanker und erwähne die Kanzlerin. Dann ist die Stimmung im Zelt wieder bestens."

Der bayerische Löwe schnurre, wie er es auf dem Parteitag der CDU in Hannover versprochen habe, sagt Seehofer und wünscht sich "streng befolgte Kameradschaft" auch von der CDU. Er habe da ein schönes, nein ein "wunderschönes Gefühl".

Seehofer bekommt langen Applaus, vielleicht noch etwas länger als jener für Merkel. Die Kanzlerin redet zum Abschluss der Veranstaltung, gewissermaßen als Rausschmeißer. Es ist keine Wahlkampf-Rede, die sie da hält, sondern eine Vorab-Version ihrer Regierungserklärung vom Donnerstag.

Es geht erst mal um die Stärken Europas. Darüber, dass sie mehr Wettbewerbsfähigkeit will und weniger Bürokratie. "Deutschland wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es Europa gut geht", sagt Merkel. Dann folgen doch noch ein paar Wahlkampfschlager. "Auf Erfolgkurs bleiben statt mit Rot-Grün bergab", "solide Finanzen und vernünftige Investitionen widersprechen sich nicht", diese Dinge.

Dann ist Schluss, einige Minuten zu früh. Der Saal leert sich langsam: die schmale Treppe, der enge Aufzug. Aus dem Konrad-Adenauer-Haus ist zu hören, der richtige Wahlkampf der Union beginne erst im August. Im September sei dann eine "Verdichtung" der Maßnahmen geplant. Bis dahin ist viel Zeit, nach geeigneten Orten zu suchen.

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