Süddeutsche Zeitung

Machtwechsel:Oppositioneller gewinnt überraschend Präsidentenwahl im Kongo

  • Félix Tshisekedi sicherte sich nach Angaben der Wahlkommission mehr als sieben Millionen der insgesamt 18 Millionen abgegebenen Stimmen. Etwa 1,25 Millionen Kongolesen waren allerdings von der Wahl ausgeschlossen.
  • Die Opposition hatte vor Bekanntgabe der Ergebnisse Wahlbetrug zugunsten des Regierungskandidaten Emmanuel Ramazani Shadary befürchtet.
  • Da die Regierung die Wahlkommission de facto kontrolliert, rechnen Experten nicht damit, dass der bisherige Machthaber Kabila den Machtwechsel verhindert.

Im Kongo hat Oppositionskandidat Félix Tshisekedi überraschend die Präsidentenwahl gewonnen. Damit wird er Joseph Kabila als Staatschef ablösen, der das Land seit 17 Jahren mit harter Hand regiert. Erkennen die unterlegenen Kandidaten ihre Niederlage an, wäre es der erste friedliche Machtwechsel im Kongo seit etwa 50 Jahren. Allerdings hat der Zweitplatzierte, der Oppositionskandidat Martin Fayulu, das Ergebnis bereits öffentlich angezweifelt. Dem Sender Radio France Internationale sagte er, die veröffentlichten Resultate seien "ein wahrer Wahlputsch". "Die Ergebnisse haben nichts mit der Wahrheit der Wahlurne zu tun."

Die Wahlkommission hatte am Donnerstag in Kinshasa unter Berufung auf die vorläufigen Endergebnisse erklärt, Tshisekedi habe mehr als sieben Millionen der 18 Millionen abgegebenen Stimmen bekommen. Knapp dahinter lag demnach mit mehr als sechs Millionen Stimmen der zweite wichtige Oppositionskandidat, Fayulu. Der Kandidat der Regierungspartei, Emmanuel Ramazani Shadary, kam nur auf gut vier Millionen Stimmen. Für den Sieg bei der Präsidentenwahl vom 30. Dezember genügte eine einfache Mehrheit.

Die Opposition hatte vor der Bekanntgabe der Ergebnisse Wahlbetrug zugunsten Shadarys befürchtet. Viele Beobachter rechneten ebenfalls mit einem Sieg des Regierungskandidaten. Die im Kongo sehr einflussreiche katholische Kirche hingegen hatte unter Berufung auf Tausende freiwillige Wahlbeobachter Fayulu zum Sieger erklärt. In den Straßen der Hauptstadt Kinshasa brachen viele Menschen in den frühen Morgenstunden in Jubel aus.

Entwicklungsminister Müller warnt vor "Ausschreitungen und Gewalt"

Da die Regierung die Wahlkommission de facto kontrolliert, ist davon auszugehen, dass Kabila den Machtwechsel wohl nicht verhindern wird.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller warnte kurz vor der Bekanntgabe des Ergebnisses vor "Ausschreitungen und Gewalt" im Kongo, falls der Regierungswechsel nicht den tatsächlichen Wählerwillen widerspiegeln sollte. Der scheidende Präsident Kabila müsse für "Gewaltfreiheit und einen friedlichen Machtübergang sorgen", sagte Müller der dpa.

Der 55-jährige Tshisekedi ist der Sohn des früheren Ministerpräsidenten und langjährigen kongolesischen Oppositionsführers Étienne Tshisekedi, der 2017 starb. Der jüngere Tshisekedi versprach den Wählern, Korruption und Armut zu bekämpfen und das instabile Land zu befrieden, das immer noch von zahlreichen bewaffneten Konflikten erschüttert wird.

Der neue Präsident soll bereits am 18. Januar vereidigt werden, obwohl die Wahl in einigen Regionen wegen der Unruhen und einer Ebola-Epidemie nicht stattfinden konnte. Damit waren etwa 1,25 Millionen von 40 Millionen Wahlberechtigten ausgeschlossen. Die Stimmabgabe soll dort im März nachgeholt werden. Bei der Abstimmung am 30. Dezember waren auch Provinzvertretungen und das Parlament neu gewählt worden.

Gebeuteltes Land mit reichen Rohstoffvorkommen

Nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit des Kongos von Belgien 1960 ergriff Diktator Mobuto Sese Seko die Macht. Erst infolge des großen Kongo-Kriegs, an dem sich mehrere Nachbarländer beteiligten, wackelte Mobutos Macht. Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila stürzte den Diktator und ernannte sich 1997 selbst zum Präsidenten. 2001 wurde der Staatschef von einem seiner Bodyguards erschossen. Sein damals 29 Jahre alter Sohn Joseph erbte die Macht. Er wurde 2006 und 2011 als Präsident wiedergewählt. Die Wahl 2011 wurde jedoch von Betrugsvorwürfen überschattet. Als seine Amtszeit 2016 endete, ließ er die Wahlen mehrfach verschieben. Nun durfte er sich nicht mehr um eine weitere Amtszeit bewerben.

Der Kongo ist flächenmäßig sechsmal so groß wie Deutschland und hat etwa 80 Millionen Einwohner. Trotz reicher Vorkommen von Mineralien wie Kobalt, Kupfer und Gold gehört der zentralafrikanische Staat zu den ärmsten Ländern der Welt. Schuld daran sind auch zahlreiche, von der Gier nach Rohstoffen befeuerte Konflikte. Etwa 4,4 Millionen Menschen sind auf der Flucht vor der Gewalt. Im Ost-Kongo gibt es zudem derzeit eine Ebola-Epidemie - die bislang zweitgrößte weltweit mit mehr als 628 Erkrankten und 383 Toten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4281885
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/Reuters/jobr/mane
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.