Süddeutsche Zeitung

Wahl in der Demokratischen Republik Kongo:Für Kabilas Clique ist er das kleinere Übel

Wer stoppt die korrupte politische Elite, die mit internationalen Konzernen die Rohstoffe des Kongo plündert? Mit dem neuen Präsidenten ist ein Bruch mit der Vergangenheit jedenfalls nicht zu erwarten.

Kommentar von Bernd Dörries, Kapstadt

Vor mehr als vierzig Jahren wurde der deutsche Banker Erwin Blumenthal auf eine Art Expedition in das damalige Zaire geschickt, er sollte im Auftrag der internationalen Kreditgeber mal nachschauen, wo denn eigentlich all die Milliarden geblieben sind, die der Westen dem Diktator Mobutu Sese Seko überwiesen hatte. "Wer ruft: Haltet den Dieb?", fragte Blumenthal in seinem Abschlussbericht, der gleichzeitig sein Rücktritt war.

Auch vier Jahrzehnte später ist das die entscheidende Frage in der heutigen Demokratischen Republik Kongo, die seit ihrer Unabhängigkeit 1960 nie wirklich demokratisch war: Wer hält die Diebe auf, die seit vielen Jahrzehnten das Land ausplündern? Wer stoppt die korrupte politische Elite, die mit freundlicher Unterstützung internationaler Konzerne die Rohstoffe des Landes plündert? Seit vielen Jahrzehnten wird diese Frage immer wieder gestellt - ohne große Hoffnung auf eine Antwort. Dass sich in diesem riesigen Land nie etwas ändern würde, war außerhalb des Kongo bei den meisten Konsens, die sich überhaupt noch für diese Region interessieren. Jetzt ändert sich aber doch etwas. Zum ersten Mal in der Geschichte des Kongo findet gerade ein Machtwechsel an der Wahlurne statt, mit einem überraschenden Ergebnis: Die Pläne des langjährigen Diktators Joseph Kabila sind nicht aufgegangen, die Opposition hat gewonnen.

Kabila hat das Amt des Präsidenten von seinem Vater übernommen und 17 Jahre lang vor allem seine persönlichen Reichtümer vermehrt, 2016 sollte eigentlich schon gewählt werden, die Verfassung untersagte es ihm, noch einmal anzutreten. Also blieb Kabila einfach im Amt. Bis der Druck der katholischen Kirche und einiger afrikanischer Nachbarn so groß wurde, dass Kabila für die Wahlen am 30. Dezember einen Strohmann ins Rennen schickte. Er wollte es wie Wladimir Putin machen und nach einer fünfjährigen Auszeit ins Amt zurückkehren.

Der Plan scheiterte grandios, obwohl Kabila die bekanntesten Oppositionspolitiker von der Wahl fernhielt, obwohl es Berichte über Unregelmäßigkeiten an der Wahlurne gab und eine massive Behinderung der anderen Kandidaten. Sein Strohmann Emmanuel Ramazani Shadary kam dennoch auf ein so schlechtes Ergebnis, dass es selbst durch Fälschen und Schieben nicht für den Sieg reichte. Das ist die gute Nachricht, auch im Kongo ist ein Wandel möglich. Nur wohin? Félix Tshisekedi, der von der Wahlkommission zum Sieger ernannt wurde, wird allgemein als sogenannter Oppositionspolitiker bezeichnet, was in einem Land wie dem Kongo erst einmal gut klingt. Letztlich bedeutet es im Falle Tshisekedi aber nur, dass er eben gerade nicht an der Macht ist.

Wie Kabila erbte Tshisekedi seine Position von seinem Vater

Denn seine Partei ist gar nicht so weit entfernt vom System Kabila, das sie zu bekämpfen vorgibt. Wie Kabila erbte Tshisekedi seine Position von seinem Vater. Immer wieder ließen sich Vertreter seiner Partei von Kabila herauskaufen, auch der derzeitige Premierminister des Landes ist ein enger Weggefährte der Tshisekedis. Man kennt sich, man trifft sich. In den vergangenen Tagen verhandelten Kabila und Tshisekedi die Machtübernahme. Denn vieles deutet darauf hin, dass Tshisekedi nicht der eigentliche Gewinner an der Urne ist, sondern für Kabila das kleinere Übel. Nach Angaben der katholischen Bischöfe, der einzig wirklich unabhängigen Institution im Kongo, die 40000 Wahlbeobachter entsandt hatte, ist Martin Fayulu der wahre Sieger der Präsidentschaftswahlen. Er hat angekündigt, das Ergebnis vor Gericht anzufechten. Fayulu als Präsident würde Kabila und seine Clique wohl juristisch verfolgen lassen.

Von Tshisekedi ist ein solcher Bruch mit der Vergangenheit nicht zu erwarten, nach Bekanntgabe des Ergebnisses lobte er Kabila in den höchsten Tönen. Er weiß, was zu tun ist. Sollte er tatsächlich Präsident werden, wird sich im Kongo womöglich wenig ändern.

Zumindest wird es nicht schlimmer, das war zu lange die zynische Haltung der internationalen Gemeinschaft, was den Kongo anbelangt. Kabila bedeutete für viele Staaten im Westen zumindest Stabilität, den sicheren Export der seltenen Rohstoffe für Handys und Autobatterien.

Meint man es aber wirklich ernst mit den Bekenntnissen zu einem anderen Afrika, dann sollte die internationale Gemeinschaft auf eine Untersuchung des Wahlergebnisses drängen. Es sind zuerst einmal die afrikanischen Staaten gefragt, Länder wie Südafrika, auf dessen Druck Kabila aus dem Amt gewichen ist. Sie sollten Interesse an einem stabilen Umfeld haben, noch immer aber gibt es zu oft die fatale Haltung, dass man sich unter afrikanischen Brüdern nicht kritisiert.

Frankreichs Außenminister hat sich bisher am deutlichsten geäußert und seine Zweifel angemeldet. Deutschland hat zwar in den vergangenen Wochen stolz herumerzählt, dass es nun nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat ist. Zum Kongo, der dort auch Thema war, hat Deutschland aber lange geschwiegen. Diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit sollte geschlossen werden.

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SZ vom 11.01.2019/saul/mane
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