Süddeutsche Zeitung

Kongo-Prozess in Stuttgart:Lange Haftstrafen für ruandische Milizionäre

Lesezeit: 1 min

Von Deutschland aus in den Bürgerkrieg eingeschaltet

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat gegen zwei Männer aus Ruanda langjährige Haftstrafen verhängt, weil sie sich von Deutschland aus in den Bürgerkrieg im zentralafrikanischen Kongo eingeschaltet haben.

Der 52 Jahre alte Hauptangeklagte wurde am Montag zu 13 Jahren Haft verurteilt - wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu Kriegsverbrechen. Ein 54-Jähriger erhielt wegen Rädelsführerschaft eine Haftstrafe von acht Jahren, muss aber wegen langer Untersuchungshaft nicht mehr hinter Gitter.

Verbrechen per Satellitentelefon, SMS und E-Mail gesteuert

Der Hauptangeklagte war nach Ansicht des Gerichts als Präsident der Hutu-Miliz FDLR ("Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas") für Verbrechen im Kongo 2008 und 2009 verantwortlich. Die Verbrechen habe er von Deutschland aus per Satellitentelefon, SMS und E-Mail gesteuert. Für ihn hatte die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft gefordert, für seinen Stellvertreter zwölf Jahre Haft. Die Verteidigung hatte Freispruch verlangt.

Beide Angeklagten haben die Vorwürfe in dem über vier Jahre dauernden Verfahren zurückgewiesen. Die Bundesanwaltschaft hatte dem Duo Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Richter kritisiert Verfahren

Der Vorsitzende Richter Jürgen Hettich übte massive Kritik an dem Mammutverfahren. "So geht es nicht", sagte er. Das Verfahren mit solchem Auslandsbezug sei mit der deutschen Strafprozessordnung nicht in den Griff zu bekommen. Die Richter hatten zwei Jahre eines Bürgerkriegs im Ostkongo aufzuklären.

Mehr als vier Jahre und fast 320 Sitzungstage lang hat das Gericht Puzzleteile zusammengetragen. Einige Zeugen wurden aus Ruanda eingeflogen oder per Videovernehmung ins Gericht geholt. Manche sagten an bis zu zwölf Verhandlungstagen aus. Die Prozessbeteiligten studierten mehr als 230 Dokumente, Filme, Karten und Telefonate. Nach Hochrechnung des Oberlandesgerichts kostet jeder Verhandlungstag etwa 15 000 Euro. Damit summiert sich der Prozess auf etwa 4,8 Millionen Euro.

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