Präsidentenwahl im Kongo:Zweifel am Wahlergebnis

Präsidentenwahl im Kongo: Für die einen manipuliert, für die anderen ein Sieg der Demokratie: Anhänger von Félix Tshisekedi feiern in den Straßen von Kinshasa.

Für die einen manipuliert, für die anderen ein Sieg der Demokratie: Anhänger von Félix Tshisekedi feiern in den Straßen von Kinshasa.

(Foto: Jerome Delay/AP)
  • Die Wahlkommission des Kongo hat den Oppositionskandidaten Félix Tshisekedi als Gewinner der Präsidentenwahl ausgerufen.
  • Der Urnengang hätte eigentlich bereits 2016 stattfinden müssen, damals war die Amtszeit von Joseph Kabila abgelaufen.
  • Der scheinbar unterlegene Kandidat Martin Fayulu nannte das Ergebnis einen "Wahlputsch".

Von Bernd Dörries, Kapstadt

In seiner Heimatstadt Mbuji-Mayi sollen die Anhänger von Félix Tshisekedi gleich versucht haben, den Gouverneurspalast zu stürmen. In der Hauptstadt Kinshasa jubelten Tausende Fans vor dem Hauptquartier seiner Partei, und selbst im fernen Johannesburg strömten Hunderte Exil-Kongolesen auf die Straße, um den möglichen politischen Wandel in der Heimat zu feiern.

Um vier Uhr früh am Donnerstag hatte die Wahlkommission der Demokratischen Republik den Oppositionskandidaten Félix Tshisekedi als Gewinner der Präsidentenwahl vom 30. Dezember ausgerufen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe war so gewählt, dass möglichst viele Kongolesen gar nichts mitbekommen sollten von den Neuigkeiten, die höchst umstritten sind.

Nach Angaben der Wahlkommission erhielt Tshisekedi 38,5 Prozent der Stimmen und lag damit vier Prozentpunkte vor dem anderen Oppositionskandidaten Martin Fayulu. Abgeschlagen auf den dritten Platz kam der Kandidat der Regierung, Emmanuel Ramazani Shadary, mit lediglich knapp 24 Prozent. Im Kongo reicht zum Sieg die einfache Mehrheit. Erklärt das Verfassungsgericht in den kommenden zwei Wochen die Wahl nicht für ungültig, wäre Tshisekedi Präsident.

Der Urnengang hätte eigentlich bereits 2016 stattfinden müssen, damals war die Amtszeit von Joseph Kabila abgelaufen, dem es die Verfassung untersagte, erneut anzutreten. Er schickte seinen treuen ehemaligen Innenminister Shadary ins Rennen und ließ die zwei bekanntesten Oppositionskandidaten nicht zur Abstimmung zu. Der Wahlkampf war von zahlreichen Behinderungen der Opposition geprägt, immer wieder wurden deren Unterstützer von Sicherheitskräften getötet. Während der Auszählung der Stimmen wurde schließlich sogar über Tage das Internet abgeschaltet. Dennoch reichte es für Shadary nicht zum Sieg.

Frankreichs Außenminister äußerte Zweifel am Wahlergebnis

Félix Tshisekedi kündigte am Donnerstagmorgen an, der Präsident aller Kongolesen sein zu wollen und rief zur nationalen Versöhnung auf. Von der aber ist der Kongo derzeit weit entfernt. Der scheinbar unterlegene Kandidat Martin Fayulu nannte das Ergebnis einen "Wahlputsch". Auch andere Oppositionelle kritisierten, dass sich die Resultate deutlich von Umfragen vor der Wahl unterschieden, die Fayulu deutlich in Führung gesehen hatten. Beobachter aus Europa und den USA waren nicht zugelassen. Die katholische Bischofskonferenz CENCO hatte aber 40 000 Beobachter entsandt und anhand der an den Wahllokalen ausgehängten Resultate eigene Hochrechnungen erstellt. "Wir stellen fest, dass die Ergebnisse der Präsidentenwahl nicht den Daten entsprechen, die von unserer Beobachtermission in den Wahl- und Zählämtern erhoben wurden", teilten die Bischöfe am Donnerstag mit.

Wer nach ihren Berechnungen vorne liegt, sagten sie nicht öffentlich, mehrere Diplomaten berichteten aber, dass die Zählung der Kirche einen Vorsprung von 20 Prozentpunkten für den Kandidaten Fayulu ergeben hätten. Auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian äußerte Zweifel: "Es scheint, dass die ausgerufenen Ergebnisse nicht mit den Ergebnissen übereinstimmen, die man hier und dort sehen konnte." Wahlsieger sei "auf den ersten Blick" der Oppositionskandidat Martin Fayulu. Ein Sprecher des unterlegenen Shadary sagte: "Wir sind nicht glücklich, weil unser Kandidat verloren hat, aber die Demokratie hat triumphiert."

Ob das tatsächlich der Fall ist, will das Lager von Fayulu in den kommenden Tagen und Wochen klären lassen. Seine Unterstützer weisen darauf hin, dass der offizielle Abstand zum Sieger nur etwa 700 000 Stimmen beträgt und die Wahl in einigen Teilen des Ostkongo aus angeblich technischen Gründen erst im März nachgeholt wird, wobei etwa 1,2 Millionen Stimmen zu vergeben sind. Deshalb könne es derzeit noch gar keinen offiziellen Sieger geben. Zudem vermuten die Anhänger Fayulus eine geheime Absprache zwischen dem scheidenden Präsidenten Kabila und dem angeblichen Sieger Tshisekedi.

Deren Berater hatten sich in den vergangenen Tagen immer wieder getroffen; Kritiker glauben, dass die beiden eine Art Pakt geschlossen haben könnten: Kabila lässt Tshisekedi gewinnen, der verspricht im Gegenzug, Kabila und seine Gefolgschaft nicht wegen Korruption zu verfolgen.

Der 55 Jahre alte Tshisekedi ist der Sohn des langjährigen Oppositionspolitikers Étienne Tshisekedi. Nach dessen Tod 2017 übernahm der Sohn bald die Leitung der vom Vater mitgegründeten Partei "Union für Demokratie und sozialen Fortschritt" (UDPS). Während Kabila die Popularität des Vaters so sehr fürchtete, dass er es bis heute untersagte, dessen Leichnam aus Belgien in die Heimat zurückzuführen, gelten der Sohn und andere Führungskräfte der Partei als eher flexibel im Umgang mit der Regierung Kabila. Der amtierende Premierminister gehört zu den Mitgründern der UDPS. Der Streit um den Ausgang der Wahl wird den Kongo womöglich noch die kommenden Monate beschäftigen. In Kinshasa gibt es auch Gerüchte, dass Kabila die vielen Ungereimtheiten zum Anlass nimmt, das Ergebnis zu annullieren und weiter im Amt zu bleiben.

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