Süddeutsche Zeitung

Kongo:Krieg um Rohstoffe

Die Demokratische Republik Kongo, in der einer der erbittertsten Konflikte der Welt tobt, ist ein reiches Land. Es gibt Öl und Diamanten - vor allem aber das Mineral Coltan, das für die Herstellung von Handys benötigt wird. Doch wie in anderen Ländern Afrikas auch, fördert dieser Reichtum die Gewalt.

Michael Bitala

(SZ vom 17.6. 2003) - Vor zwei, drei Jahren schien für die Ostkongolesen ein Märchen wahr geworden zu sein. Sie brauchten nur eine Schaufel und ein paar Säcke, und schon konnten sie zentnerweise Reichtum aus dem Boden graben. Sie bekamen ein Vermögen für schwarzen Sand.

Bis zu 2000 Dollar im Monat sollen einzelne Schürfer verdient haben - und das in einem Land, in dem das durchschnittliche Jahreseinkommen laut Weltbank bei 80Dollar liegt.

Fast kein Bauer ging noch aufs Feld, fast kein Schüler noch in die Schule, und selbst viele der untereinander verfeindeten Rebellen, die das Grenzgebiet zu Ruanda und Uganda seit 1996 unsicher machen, zogen in die Minen.

Der plötzliche Boom

Dass es Coltan in Ostkongo gibt, war lange bekannt. Doch auf einmal wurden enorm hohe Preise bezahlt.

Im Jahr 1999 gab es auf den Weltmärkten noch 30 Dollar für 500 Gramm, zwei Jahre später schon 380 Dollar. Die Industrienationen brauchten Columbit und Tantalit, das aus Coltan gewonnen wird, für ihre damals boomenden Kommunikationsbranchen.

Die weltweite Nachfrage nach Handys war gewaltig, ebenso nach Computern und Spielkonsolen, und für all diese Geräte kauften die internationalen Konzerne Coltan aus Kongo, denn dort gibt es die größten Vorkommen der Welt.

Wäre die Demokratische Republik Kongo ein funktionierender, gut regierter Staat, dann wäre sie sicherlich das reichste Land Afrikas.

Denn außer Coltan gibt es auch riesige Vorkommen an Diamanten, Edelhölzern, Erdöl, Uran, Kobalt und Kupfer.

Doch das ehemalige Zaire ist kein Staat mehr, und sein Reichtum ist sein Fluch.

Schon 1997, als der korrupte Diktator Mobutu Sese Seko gestürzt wurde, war die einzige landesweite Institution, die noch funktionierte, die katholische Kirche.

Mit Beginn des Eroberungsfeldzugs durch Ruanda und Uganda und dem Einmarsch Simbabwes, Angolas und Namibias im August 1998 zerbrach das Land.

Kongo, ein Kadaver

Heute ist Kongo in weiten Teilen ein Flickenteppich, auf dem ungezählte Milizen zusammen mit ihren ausländischen Unterstützern versuchen, so viel Land und Bodenschätze wie möglich zu erobern.

Die Massaker rund um Bunia werden auch dadurch angeheizt, dass es dort Coltan, Gold, Edelhölzer und vermutlich auch jede Menge Erdöl gibt.

In Kongo hört man oft ein Sprichwort: Du wirst niemals das Fleisch eines ganzen Elefanten essen können.

So ist das auch mit dem zentralafrikanischen Land. Es ist als Staat tot, doch für die Plünderer gibt es noch unermessliche Reichtümer aus dem Kadaver zu schneiden.

Und Coltan ist nur ein Beispiel - eines, das zum Symbol geworden ist, wie ein weltweit begehrter Rohstoff den Krieg in Kongo schürt.

Der Hauptprofiteur der kongolesischen Coltan-Vorkommen ist das Nachbarland Ruanda, das die 27-fache Fläche des eigenen Staates im Ostkongo erobert und sich damit Zugriff auf 70 Prozent der Coltan-Reserven verschafft hat.

Ruanda hat noch immer die Kontrolle

Zwar ist die ruandische Armee im Herbst 2002 offiziell abgezogen, doch noch immer kontrolliert die Regierung in Kigali das Besatzungsgebiet. Ihre Schergen sind die Rebellen der RCD-Goma, einer berüchtigten kongolesischen Miliz, die Zivilisten ermordet, vergewaltigt und ausraubt.

Diese Truppe hatte für einige Zeit das Handelsmonopol für Coltan an sich gerissen, und die mit ihr verbündete berüchtigte Waffen- und Goldhändlerin Aziza Gulamali Kulsum organisierte den Export.

Die indischstämmige Kongolesin verkaufte das Coltan und zahlte dafür Ruanda und den Rebellen einen guten Anteil - mit dem diese wiederum Waffen kauften, um ihren Krieg in Kongo fortzuführen.

Andere Profiteure sind James Kaberebe, der Generalstabchef der ruandischen Armee, und Alfred Bisengimana Rugema, ein Schwager des ruandischen Präsidenten Paul Kagame.

Die Vereinten Nationen haben in einem Bericht zur Ausbeutung des Kongo festgestellt, dass kriminelle "Elite-Netzwerke", die sich aus Soldaten, Politikern und Geschäftsleuten zusammensetzen, das Land systematisch ausschlachten.

Ruandas Präsident Kagame und sein verfeindeter ugandischer Konterpart Yoweri Museveni werden gar als "Paten" dieser illegalen Ausbeutung bezeichnet.

Nicht zuletzt, weil Musevenis Halbbruder Salim Saleh mit am meisten an der Gold-, Edelholz- und Diamantenplünderung rund um Bunia verdient und auch der ugandische Armeechef James Kazini einen Teil kassiert.

Es wird geschätzt, dass Ruanda im Jahr 2001 fast eine Viertelmilliarde Dollar mit kongolesischem Coltan verdient hat. Die Fluglinien Sabena und Swissair haben jahrelang den wertvollen Sand von Kigali nach Europa geflogen.

Die UN fanden zudem heraus, dass Dutzende westlicher Firmen von der Plünderung profitieren, 21 Unternehmen kommen aus Belgien, zwölf aus Großbritannien, acht aus den USA und fünf aus Deutschland.

Vor allem der Tochter des Bayer-Konzerns, H.C. Starck, wurde lange Zeit der Vorwurf gemacht, Hauptabnehmer des kongolesischen Coltans zu sein.

Die Firma streitet dies ab und erklärte, dass sie seit September 2001 kein Coltan mehr aus Kongo gekauft habe. Ein weiterer deutscher Unternehmer ist Karl Heinz Albers, der schon seit den achtziger Jahren in Ostkongo ist und dort eine Pyrochlor-Mine besitzt.

Vor einiger Zeit hat er die ehemalige staatliche Coltan-Schmelze in Ruanda gekauft.

Geschäft trotz Preissturz

Zwar sind gegen Ende 2001 die Preise für Coltan genauso schnell und tief gefallen wie die Aktien am Neuen Markt, doch der Handel mit dem Mischkristall ist weiterhin ein gutes Geschäft - nicht zuletzt, weil Ruanda und die Rebellen den Schürfern so gut wie gar nichts mehr bezahlen.

Entweder wird den Menschen in den Minen das Coltan weit unter Wert abgenommen oder aber es werden Kriegsgefangene und ruandische Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.930099
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.