Kongo:Der Krisenstaat

Es ist die größte und teuerste Mission der Vereinten Nationen. Die Präsenz ist nicht nur für die 17000 Blauhelmsoldaten gefährlich.

Von Tobias Zick

Die Demokratische Republik Kongo, der rohstoffreiche Riesenstaat im Herzen Afrikas, ist von einer Vielzahl von Konflikten geplagt. Am meisten internationale Beachtung findet der Nordosten des Landes: Eine Vielzahl von Milizen und staatliche Truppen kämpfen hier um Land, Macht, Gold und das seltene Erz Coltan, sie gehen auch brutal gegen Zivilisten vor. Die Kasaï-Provinzen im Süden dagegen, wo die beiden UN-Experten Zaida Catalán und Michael Sharp im März 2017 ermordet wurden, waren bis August 2016 vergleichsweise ruhig. Dann überfielen Kämpfer einer Miliz namens Kamuina Nsapu Armeeposten, Verwaltungsbüros und andere Einrichtungen des von ihnen abgelehnten kongolesischen Staats - und die Sicherheitskräfte begannen, brutal zurückzuschlagen. Zum Zeitpunkt von Cataláns und Sharps Recherchereise durch die Region war der Konflikt bereits stark eskaliert; UN-Informationen zufolge zwang die Kamuina-Nsapu-Miliz auch Kinder zum Kämpfen, die staatliche Armee tötete den Anführer der Miliz und massakrierte auch Zivilisten, etwa 40 Massengräber waren in der Region bis dato dokumentiert.

Kritiker werfen dem Regime von Präsident Joseph Kabila vor, den Konflikt zu schüren, um von einer anderen innenpolitischen Krise abzulenken: Kabila dürfte eigentlich seit fast zwei Jahren nicht mehr im Amt sein, er hätte im Dezember 2016 Neuwahlen zulassen müssen, bei denen er selbst nicht erneut antreten dürfte. Doch die Behörden haben den Wahltermin immer wieder verschoben, etwa mit Verweis auf logistische Schwierigkeiten aufgrund der bewaffneten Konflikte im Land. Derzeit ist die Wahl für den 23. Dezember angekündigt. Einmischung von außen verbittet sich die Regierung, auch nicht durch die UN-Blauhelm-Mission im Land, mit etwa 17 000 Mitgliedern die größte und teuerste der Welt. Einer internationalen Geberkonferenz im April in Genf, bei der die Vertreter von 50 Staaten über Hilfsgeld für die hungerleidende Bevölkerung verhandelten, blieb die kongolesische Regierung demonstrativ fern. Der Konflikt in Kasaï hat bislang mindestens 1,4 Millionen Menschen vertrieben, im Juni äußerte sich ein Untersuchungsteam des UN-Menschenrechtsrats "schockiert" über die Lage in der Region: Sowohl die kongolesische Armee und eine mit ihr verbündete Miliz als auch die Kamuina Nsapu habe "gezielt Zivilisten getötet, darunter auch Kinder, und Grausamkeiten begangen wie Verstümmelungen, Vergewaltigungen sowie andere Formen sexueller Gewalt." Die Taten seien teilweise als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder als Kriegsverbrechen zu werten. In einer Stellungnahme räumte eine Regierungsvertreterin ein, dass auch Polizisten und Soldaten sich mit Verbrechen schuldig gemacht hätten, stellte aber klar: nicht alle Männer und Frauen in Uniform seien Banditen.

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