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Konföderierten-Flagge in South Carolina:Der Stoff, aus dem der Hass ist

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Die Konföderierten-Flagge gilt vielen als ein nostalgisches Symbol. Es ist ein vergiftetes. Vom Regierungssitz von South Carolina könnte sie bald verbannt werden. Doch unterschwellig wirkender Rassismus lässt sich nicht per Dekret abschaffen.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Nostalgie ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch ein Code. Im Bundesstaat Mississippi bieten sie Ausflüge in den "Antebellum South" an: Abendliche Feste in alten Herrschaftsvillen sollen an jene prunkvolle Periode vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg erinnern, als das ökonomische Kraftzentrum der Vereinigten Staaten rund um den Mississippi lag.

Dass Schwarze dieses Kraftzentrum als unermüdliche Sklaven antrieben und dafür mit Blut, Erniedrigung und einer bis in die Gegenwart vererbten gesellschaftlichen Benachteiligung bezahlten, bleibt natürlich unausgesprochen. Und wer sich auf einer Plantage in Louisiana wundert, warum die zweistündige Führung bis auf die letzten 15 Minuten um die dort lebenden weißen Besitzerfamilien kreist (und nicht um die Baracken, vor denen Sklaven mit heißem Eisen als Eigentum markiert wurden), findet sicherlich in der betörenden Wirkung der französischen Einwanderer-Kultur auf den Bundesstaat eine Erklärung.

Selten ist die Verbindung zwischen Teilen des amerikanischen Südens und seiner rassistischen Vergangenheit so greifbar wie das Stück Stoff, das bislang vor dem Regierungssitz von South Carolina hängt. Vor dem Kapitol in Columbia flattert die Konföderierten-Flagge, natürlich ist sie offiziell ein Symbol der Nostalgie, aber ein vergiftetes: Seit 1962 weht sie wieder dort, bis 2000 sogar ganz oben auf dem State House, der Staat zog sie in der Frühphase der schwarzen Bürgerrechtsbewegung auf.

Bald soll sie abgehängt werden, wie Gouverneurin Nikki Haley jetzt gefordert hat. "Diese Flagge war ein wichtiger Bestandteil unserer Vergangenheit", erklärte sie in einer Pressekonferenz, "aber sie repräsentiert nicht die Zukunft unseres großartigen Staates."

Wachsender öffentlicher Druck

Vor einer Woche hätte sich die Politikerin, mit ihren indischen Wurzeln die erste nicht weiße Gouverneurin des Staates, damit noch politischen Ärger beschert. Doch vor einer Woche lebten auch jene neun Afroamerikaner noch, die ein weißer Terrorist in ihrer Kirche in Charleston hinrichtete, der sich selbst gern mit dem Konföderierten-Symbol schmückte.

In den vergangenen Tagen war deshalb der öffentliche Druck gewachsen, sich von dem Konföderierten-Symbol zu trennen, Kirchenvertreter, Lokalpolitiker und auch Unternehmer aus South Carolina sahen den Zeitpunkt dafür nun endgültig gekommen.

Nach der Ankündigung beeilten sich die republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Haley zu ihrem Schritt zu gratulieren. Sie selbst hatten am Wochenende durchgehend vermieden, sich festzulegen und stattdessen auf die Entscheidungshoheit des Bundesstaates verwiesen.

Ausgerechnet Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte die Debatte am Samstag mit einem Tweet befeuert, in dem er das Entfernen der Flagge forderte ("Für viele ist sie ein Symbol des Rassenhasses").

US-Präsident Obama hatte erklärt, dass er die Flagge nirgendwo hängen sehen wolle, aber dies nicht seine Entscheidung sei. Noch müssen die Abgeordneten von South Carolina dem Vorschlag ihrer Gouverneurin zustimmen, dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

Nicht per Dekret abschaffen lässt sich, was im Süden schwerer zu greifen ist. Die Atmosphäre in jenen Restaurants, in denen die Weißen an den Tischen sitzen und die Schwarzen in der Küche arbeiten. Die institutionalisierte Benachteiligung der Afroamerikaner beim Zugang zu Bildung oder fairer Behandlung durch private und staatliche Institutionen. Die Verdrängung schwarzer Gemeinschaften an den ungemütlichen Rand vieler im Zentrum äußerst gemütlicher Städte.

Oder auch das gegenseitige Misstrauen, das in Mississippi (wo die Konföderierten-Flagge übrigens noch immer Teil der Flagge ist) so weit geht, dass in einigen Supermärkten tagsüber die Weißen einkaufen und abends die Schwarzen. Der heimliche und im Falle von Resten des Ku-Klux-Klans nicht einmal versteckte Hass der ewiggestrigen Rassisten, die zu wenig Widerspruch ernten.

Doch immerhin ist es vor dem Kapitol von Columbia wohl bald nicht mehr 1861 oder 1962. Und wer das bedauert, kann sich nun nicht mehr hinter Nostalgie verstecken.

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