Taipeh (dpa) - Taiwans Streitkräfte haben nach eigenen Angaben einen chinesischen Wetterballon vor der Küste des ostasiatischen Inselstaates entdeckt. Der Ballon habe am Donnerstag die mittlere Linie in der Meerenge zwischen Taiwan und China überquert und sei kurz darauf verschwunden, teilte das Verteidigungsministerium am Freitag in der Hauptstadt Taipeh mit. Die Behörde erklärte, dass das Fluggerät auf 21.000 Fuß (etwa 6400 Meter) rund 101 nautische Meilen (etwa 187 Kilometer) südwestlich von Keelung „vermutlich“ für Messungen eingesetzt wurde.
Der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin sagte am Freitag: „Mir ist die Situation nicht bekannt, und es handelt sich nicht um eine diplomatische Frage.“ Laut Taiwans Verteidigungsminister Chiu Kuo-chen trieben womöglich jahreszeitbedingte Winde den Ballon so weit nach Osten.
Die Entdeckung erinnerte an den Vorfall eines mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballons über US-Gebiet Anfang des Jahres. Peking erklärte damals, es habe sich um einen abgedrifteten Ballon für Wissenschaftszwecke gehandelt.
Fast tägliche Militärübungen
Taiwan berichtet täglich über militärische Aktivitäten Chinas vor seiner Küste. Ballon-Entdeckungen sind allerdings höchst selten in den Mitteilungen. Chinas Militär übt fast täglich vor der Küste Taiwans mit Kampffliegern und Kriegsschiffen. Das taiwanische Verteidigungsministerium meldete am Freitag 15 Jets, die binnen 24 Stunden in die Luftverteidigungszone der Inselrepublik eindrangen. Insgesamt seien 26 Militärflugzeuge und 10 Schiffe der chinesischen Marine um Taiwan entdeckt worden. Taiwans Streitkräfte hätten die Lage überwacht, hieß es.
Für Peking ist Taiwan eine abtrünnige Provinz, was auf den chinesischen Bürgerkrieg zwischen 1927 und 1949 zurückgeht. Die von der kommunistischen Partei regierte Volksrepublik zählt die Insel deshalb zu Chinas Territorium, obwohl in Taipeh eine unabhängige Regierung sitzt. Mit den täglichen Übungen dürfte China laut Experten die militärischen Fähigkeiten Taiwans testen und die Streitkräfte müde machen wollen.
Sorge vor Krieg
International besteht die Sorge vor einem Krieg. China drohte bereits mit einer Invasion, wenn die „Wiedervereinigung“ nicht möglich sei. Ein Konflikt in der Region, durch die wichtige Handelsrouten laufen, hätte auf die Weltwirtschaft schwere Auswirkungen.
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