Konflikte - Karlsruhe:Folter-Prozess gegen syrische Ex-Geheimdienstler rückt näher

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Karlsruhe (dpa) - Zum ersten Mal bringt die deutsche Justiz zwei Syrer wegen Gräueltaten in den Foltergefängnissen von Präsident Baschar al-Assad vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft hat am Oberlandesgericht Koblenz Anklage gegen die früheren Geheimdienstmitarbeiter erhoben. Die Männer hatten sich 2012 und 2013 aus Syrien abgesetzt. Sie waren im Februar diesen Jahres in Berlin und Rheinland-Pfalz festgenommen worden. Damals gab die Bundesanwaltschaft ihr Alter mit 56 und 42 Jahren an. Wie die Karlsruher Behörde am Dienstag weiter mitteilte, werden den beiden Männern, die bereits in Untersuchungshaft sitzen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit beziehungsweise Beihilfe dazu vorgeworfen.

Anwar R. soll in einem Gefängnis des Allgemeinen Geheimdienstes in der Hauptstadt Damaskus in leitender Funktion für die brutale Folter von mindestens 4000 Menschen verantwortlich gewesen sein. Mindestens 58 Gefangene seien an den Folgen gestorben. Dem in Rheinland-Pfalz festgenommenen Eyad A. wird vorgeworfen, mindestens 30 Demonstranten in das Foltergefängnis gebracht zu haben. Das teilte die Karlsruher Behörde am Dienstag mit. Den Angaben zufolge kam R. 2014 und A. 2018 nach Deutschland.

Die Ermittler sprechen von "systematischen brutalen physischen und psychischen Misshandlungen" in dem Gefängnis. Die Opfer seien mit Stöcken, Kabeln und Peitschen geschlagen und mit Elektroschocks traktiert worden. Einzelne Gefangene seien von ihren Peinigern an den Handgelenken an der Decke aufgehängt worden, so dass sie gerade noch mit den Zehenspitzen auf den Boden kamen. Andere hätten tagelang nicht schlafen dürfen. R. wird auch eine Vergewaltigung vorgeworfen.

Mit diesen Methoden habe der Geheimdienst Geständnisse erzwingen und Informationen über die Oppositionsbewegung bekommen wollen, hieß es weiter. In dem Gefängnis herrschten demnach "unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen". Niemand sei medizinisch versorgt worden. Die Zellen seien zum Teil so überfüllt gewesen, dass sich die Gefangenen weder hinsetzen noch hinlegen konnten.

Anwar R. soll die Ermittlungseinheit von Ende April 2011 bis Anfang September 2012 geleitet haben. In dieser Funktion habe er die Abläufe in dem Gefängnis überwacht. "Ihm war auch bewusst, dass Häftlinge aufgrund der massiven Gewalteinwirkungen verstarben."

Das Oberlandesgericht muss die Anklage noch zulassen. Nach Angaben des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) wäre es weltweit der erste Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien.

Das ECCHR unterstützt und betreut nach eigenen Angaben Folterüberlebende, die in dem Verfahren als Nebenkläger auftreten wollen. "Die Anklage ist ein wichtiges Zeichen", erklärte Generalsekretär Wolfgang Kaleck in Berlin. Seine Organisation werde weiter daran arbeiten, dass auch die Hauptverantwortlichen für die Folter unter Assad vor Gericht gestellt würden. Ein Folteropfer wurde mit den Worten zitiert, er sei bereit auszusagen. "Dieser Prozess in Deutschland gibt Hoffnung, auch wenn alles lange dauert."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: