Konflikte - Berlin:Giffey: Flüchtlinge als Chance für Deutschland betrachten

Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, kommen nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zu einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. Foto: Michael Sohn/POOL AP/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Die stetig wachsende Zahl ankommender ukrainischer Kriegsflüchtlinge kann für Deutschland nach Einschätzung von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey positive Impulse bringen. Sie sei dafür, "dass wir von Anfang an diese Entwicklung, die wir jetzt sehen, nicht nur als Belastung betrachten, sondern als Chance", sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag nach einer Bund-Länder-Schalte in Berlin. "Denn es gibt in Deutschland ein großes Wachstumshemmnis, und das ist der Fachkräftemangel."

Unter den Geflüchteten seien viele beruflich qualifizierte Menschen. "Wir hören aus der ukrainischen Community (in Berlin), dass viele, die hier ankommen, nicht als erstes die Frage stellen: Wo kann ich Leistungen beantragen", sagte Giffey. Sie stellten vielmehr als erstes die Frage: Wo kann ich arbeiten? "Diese Chance müssen wir nutzen", so die Regierungschefin.

Giffey verwies darauf, dass die Menschen aufgrund ihres Status als Kriegsflüchtlinge EU-weit zunächst ein Jahr Aufenthalts- und Arbeitsrecht hätten - mit der Option einer Verlängerung auf bis zu drei Jahre. "Das ist das, wovon wir jetzt auch ausgehen", sagte sie. "Wir erleben, dass die Geflüchteten, die hier ankommen, eigentlich lieber heute als morgen nach Hause wollen. Die wollen zurück in ihre Heimat gehen." Aber wegen des Krieges sei nicht klar, ob und wann sie das könnten.

Wichtig sei, dass die Menschen in der Zeit, in der sie hier sind, selbstbestimmt leben und arbeiten und dass ihre Kinder zur Schule gehen könnten. "Wir können nicht davon ausgehen, dass die Kinder kein Deutsch lernen müssen", so Giffey. "Egal wie lange sie bleiben, es wird ihnen nützen, dass sie hier in unserem Schulsystem auch ganz normal beschult werden."

Und weiter: "Wir sind gut beraten, von Anfang an auf Integration zu setzen und dafür zu sorgen: Integration durch Normalität. Zu warten und zu glauben, es wird schon alles und die Leute werden schon ganz schnell zurückgehen, verliert nur Zeit." Wenn die Menschen in ihre Heimat zurückkehren könnten, wäre das "wunderbar", so Giffey. Doch letztendlich könne niemand jetzt schon sagen, wann dieser Zeitpunkt kommen werde.

Bund und Länder verständigten sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) darauf, die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge als Gemeinschaftsaufgabe anzugehen und die Weichen für eine schnelle Integration in Deutschland zu stellen. Das betonten neben Giffey auf der gemeinsamen Pressekonferenz auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Wüst nannte die Hilfe eine große "nationale Aufgabe".

Über die Frage, wer dabei welche Kosten trägt, erzielten Bund und Länder zunächst keine Einigung. Eine Arbeitsgruppe soll bis zum 7. April einen entsprechenden Beschluss vorbereiten. Spätestens dann soll auch die Ministerpräsidentenkonferenz mit Scholz erneut beraten.

Giffey wies zum wiederholten Mal auf die Notwendigkeit einer koordinierten bundesweiten Verteilung der ankommenden ukrainischen Flüchtlinge hin. Was Deutschland bevorstehe, könne man schon jetzt in Berlin sehen. Denn in der Hauptstadt kämen jeden Tag um die 10 000 Geflüchteten an, um die 1500 davon müsse der Senat jeden Tag in den vom Land aktivierten Unterkünften unterbringen.

"Wir haben die große Aufgabe, auch hier aus Berlin heraus die Verteilung der Geflüchteten in die anderen Bundesländer zu koordinieren", so Giffey. "Dabei brauchen wir die Unterstützung des Bundes. Diese Unterstützung ist uns zugesagt worden." So sei sie "sehr froh", dass an dem geplanten neuen großen Ankunftszentrum Ukraine in Berlin-Tegel 80 Soldaten der Bundeswehr bei der Registrierung helfen werden.

In dem MPK-Beschluss wird das Ziel formuliert, "eine zügige und leistungsgerechte Verteilung der angekommenen Geflüchteten in Deutschland" zu erreichen. Der Bund solle hier koordinieren. Um aktuelle Überlastungen in einzelnen Ländern, nicht zuletzt Berlin, zu vermeiden, werde eine Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel erfolgen - also nach demselben Prinzip wie bei Asylbewerbern. "Die Ländergemeinschaft wird sich solidarisch zeigen, die bestehenden Überlasten in einzelnen Ländern aufzufangen und abzufedern", heißt es im MPK-Beschluss weiter.

© dpa-infocom, dpa:220317-99-564470/4

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