Konflikt zwischen Ankara und Damaskus:Erdogan droht Assad mit militärischen Mitteln

Der türkische Regierungschef Erdogan droht Syrien bei weiteren Aggressionen mit Vergeltung - und will das Volk "mit allen nötigen Mitteln" unterstützen, um Assad zu stürzen. Die Nato verurteilt den Abschuss eines türkischen Militärflugzeugs durch die syrische Luftabwehr als "nicht hinnehmbar".

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gefordert. "Die Türkei unterstützt das syrische Volk mit allen nötigen Mitteln, bis es von Unterdrückung, Massakern, diesem blutdürstigen Diktator und seiner Clique befreit ist", sagte Erdogan.

Der Nato-Rat hatte zuvor den Abschuss eines türkischen Militärflugzeugs durch die syrische Luftabwehr als "nicht hinnehmbar" verurteilt. "Das ist ein weiteres Beispiel für die Missachtung der internationalen Normen, des Friedens, der Sicherheit und des Menschenlebens durch das syrische Regime", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel nach einer Sondersitzung des höchsten Bündnisgremiums.

"Die Alliierten haben ihre feste Unterstützung und Solidarität mit der Türkei zum Ausdruck gebracht", sagte er weiter. Rasmussen äußerte die Erwartung an Syrien, dass ein "solcher Vorfall sich nicht noch einmal ereignet". Die Nato will demnach die Entwicklung an der syrisch-türkischen Grenze mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.

Die türkische Regierung hatte die Sitzung des Nato-Rats auf Grundlage von Artikel 4 des Nato-Vertrags beantragt. Der Passus sieht ein Treffen des Gremiums vor, wenn ein Mitglied "die Unversehrtheit des Gebiets" bedroht sieht. Eine Diskussion über den Artikel 5, der den Nato-Bündnisfall regelt, habe es nicht gegeben, sagte Rasmussen.

Türkei will sich gegen künftige Grenzverletzungen wehren

Unmittelbar vor dem Treffen hatte Erdogan das Assad-Regime heftig kritisiert. Der Abschuss der Maschine am vergangenen Freitag sei ein "feindseliger Akt" gewesen. "So wertvoll die Freundschaft der Türkei ist, so heftig ist ihr Zorn", sagte Erdogan vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP.

Die Türkei wird nach den Worten Erdogans auf jede weitere Aggression durch Syrien mit militärischen Mitteln reagieren. Die Einsatzregeln der türkischen Armee seien nach dem Abschuss eines türkischen Militärjets durch Syrien entsprechend geändert worden. Fortan würden alle Elemente der syrischen Streitkräfte, die sich der Grenze nähern, als Bedrohung betrachtet.

Nach dem Abschuss des Flugzeugs über internationalen Gewässern werde das Land alle Möglichkeiten des Völkerrechts ausnutzen. Die Türkei werde nicht jenen in die Falle gehen, die einen Krieg wollten, sagte der Regierungschef. Doch sie sei auch kein Land, das "mit gefesselten Händen" auf einen Angriff wie den auf ihr Flugzeug schaue.

Der Jet habe sich in internationalem Luftraum befunden, betonte der türkische UN-Botschafter Ertuğrul Apakan in dem Schreiben an den Sicherheitsrat und Generalsekretär Ban Ki Moon. Das Flugzeug habe kein feindliches Manöver unternommen und sei ohne Vorwarnung abgeschossen worden. Der Angriff, bei dem vermutlich zwei Piloten ums Leben gekommen seien, stelle eine "feindliche Handlung" Syriens gegen die "nationale Sicherheit" der Türkei dar. Ankara verurteile dies scharf.

Türkei will syrische Opposition unterstützen

Erdogan deutete als Konsequenz der Agression eine stärkere Unterstützung seines Landes für die syrische Opposition an. Das Regime von Baschar al-Assad habe jede Legitimation verloren und sei inzwischen nicht mehr nur eine Bedrohung für das syrische Volk, sondern auch für die Türkei, sagte er.

TURKISH F-4

"Ernste Bedrohung für Frieden und Sicherheit": Der Abschuss eines türkisches F-4-Kampfjets durch Syrien beschäftigt heute auch UN und Nato (Archivbild).

Der türkische Vize-Regierungschef Bülent Arınç sagte allerdings am Abend im Fernsehen, sein Land habe keine kriegerischen Absichten gegenüber dem Nachbarland. "Wir werden weiterhin mit kühlem Kopf agieren", sagte auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Arınç drohte Syrien allerdings mit einem Strom-Embargo. Die Türkei werde in den kommenden Tagen entscheiden, ob es Syrien die Stromlieferungen kappe. Nur aus Rücksicht auf die Bevölkerung sei dies bislang unterlassen worden.

Die Türkei warf Syrien zudem vor, ein weiteres türkisches Flugzeug beschossen zu haben. Nach dem Abschuss des Kampfflugzeugs am Freitag geriet demnach auch ein türkisches Suchfugzeug unter Feuer, wurde aber nicht getroffen. Andere Quellen berichten jedoch, dass die Maschine nur von syrischem Radar erfasst worden sei und daraufhin abdrehte.

Am Dienstagnachmittag wollte auch der UN-Sicherheitsrat in New York wieder über den Syrien-Konflikt beraten.

Schwerste Gefechte seit Beginn des Aufstands

Nur wenige Kilometer von der syrischen Hauptstadt Damaskus entfernt kam es nach Angaben der Opposition zu schweren Kämpfen. Zudem fuhr die syrische Armee in Damaskus in den Stadtteil Barse mit Militärfahrzeugen ein. Dort seien auch Schüsse zu hören gewesen. In der nordwestlichen Provinz Idlib nahm das Militär die Stadt Sarakeb unter Beschuss; dort wurden der Opposition zufolge innerhalb von einer halben Stunde mehr als 20 Raketen abgefeuert. In derselben Region wurden bei der Explosion einer Autobombe mindestens vier Sicherheitskräfte getötet und in Deir Essor starben mindestens fünf Zivilisten durch den Beschuss durch Regierungstruppen.

Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von den heftigsten Auseinandersetzungen seit Beginn des Aufstands vor 15 Monaten. Den Aktivisten zufolge wurden allein am Montag fast hundert Menschen getötet.

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