Süddeutsche Zeitung

Konflikt um US-Außenpolitik:Vorboten der Veränderung

Nach dem Washington-Besuch von Steinmeier sorgt sich die Bundesregierung um die Außenpolitik der USA. Was, wenn nach der nächsten Wahl wieder Interventionisten ans Ruder kommen, die daran glauben, nur harte Autorität halte Krisen im Zaum?

Von Stefan Braun

Auf dem Hinflug in die USA plagten Frank-Walter Steinmeier drei Sorgen: die Ukraine-Krise, die Verhandlungen mit dem Iran und der Kampf gegen den IS-Terror. Auf dem Rückflug kam eine vierte, immer größere Sorge dazu: die um die Handlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten. Selten zuvor hat ein deutscher Außenminister in Washington mit wenigen Sätzen so heftige Reaktionen ausgelöst. Und selten zuvor sind diese Reaktionen im US-Kongress so undiplomatisch, so unfreundlich, so aggressiv ausgefallen wie diesmal.

Der US-Senator John McCain attackierte den Gast aus Deutschland als rücksichtslosen Politiker, der sich nicht drum schere, wenn in der Ukraine unter Wladimir Putins Regie Menschen abgeschlachtet würden. Und sein Kollege Lindsey Graham ergänzte den Angriff mit der giftigen Formulierung, Steinmeiers Äußerungen zum Iran seien der größte Unsinn, den er je gehört habe. Was ist passiert? Sind das die Umgangsformen unter Partnern? Oder sind da Freunde schon zu Gegnern geworden?

Auch wenn man die Angriffe nicht zu ernst nehmen sollte, weil beide Senatoren es schon länger verlernt haben, in ihrer Sprache Maß zu halten - die Tonlage, die da öffentlich angeschlagen wurde, deutet einen inner-amerikanischen Klimawandel an, der jedem Außenminister Sorgen bereiten würde. Dabei sind die verbalen Ausrutscher der beiden Senatoren nicht das größte Problem und gelten in erster Linie auch nicht Deutschland. Sie sind die Begleitmusik für die rasant wachsenden Versuche konservativer Republikaner, den Handlungsspielraum des US-Präsidenten in der Außenpolitik zu beschneiden.

Innerhalb weniger Wochen haben sie ihm gleich dreimal Knüppel zwischen die Beine geworfen, um seine Autorität und Glaubwürdigkeit zu unterlaufen. Erst luden sie gegen seinen Willen Israels Premier Benjamin Netanjahu ein, damit dieser im Kongress gegen Obamas Iran-Verhandlungen polemisieren konnte. Dann kam der Brief der 47 Senatoren, in dem diese der Regierung in Teheran erklärten, ein künftiger republikanischer Präsident werde ein Abkommen zum iranischen Atomprogramm auf jeden Fall rückgängig machen, egal wie es ausfallen sollte. Und in dieser Woche dann lehnten Republikaner und Demokraten einen Antrag Obamas ab, ihm im Kampf gegen den Terror mehr Mittel in die Hand zu geben. Das mag alles innenpolitisch motiviert sein. Aber es schwächt die Vereinigten Staaten nach außen.

Wird es überdies, wie derzeit, mit schärfster Rhetorik verknüpft, dann vergiftet das die Möglichkeiten eines US-Präsidenten, bei schwierigen Entscheidungen zuhause um Unterstützung für seinen Kurs zu werben. Ein solcher Zustand ist schon in friedlichen Zeiten problematisch. Aber wenn es wie gegenwärtig darum geht, schwere internationale Krisen zu entschärfen, dann ist das Verhalten vieler Republikaner schlicht verantwortungslos. Und das umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Folgen längst nicht mehr nur die USA selbst betreffen.

Die Krise in der Ukraine wird sicher nicht entschärft durch amerikanische Marktschreier aus dem Kongress, die lautstark nach Waffen rufen und dabei noch nicht einmal sagen können, wie das im Konflikt mit einem aggressiven Russland zu einer friedlichen Lösung führen könnte. Für die Verhandlungen mit dem Iran braucht es eine US-Regierung, deren Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit nicht in Frage steht. Im Krieg gegen die IS-Terrormilizen muss die Autorität des amerikanischen Präsidenten uneingeschränkt sicher gestellt sein. All das steht durch die Querschüsse aus dem Kongress in Frage. Kein Wunder, dass in Berlin - und nicht nur dort - die Sorgen wachsen.

Für die Bundesregierung bedeutet das vor allem eines: Sie muss sich zum zweiten Mal schneller auf neue Zeiten vorbereiten als ihr lieb ist. Als sie vor gut einem Jahr erstmals davon sprach, Deutschland müsse sich in der Welt mehr engagieren, war das zunächst vor allem einem größeren internationalen Verantwortungsgefühl der schwarz-roten Regierung geschuldet. Dass mit der Ukraine-Krise, dem Gaza-Krieg und dem Erstarken der Terrormiliz IS der radikale Praxistext sofort folgen würde, hatte so niemand für möglich gehalten.

Ein Jahr später kündigt sich ein zweiter Praxistest an, der Berlin noch mehr abverlangen könnte. Seit sechs Jahren regiert mit Barack Obama ein US-Präsident, der als wichtigster Verbündeter für Berlin gut berechenbar ist und sich mit dem deutschen Anti-Interventionismus sehr gut ergänzt. Obama wollte raus aus den Kriegen der Vergangenheit, er will sie beenden, nicht neue anfachen. Das hat der Berliner Krisen-Diplomatie in der Ukraine bis heute den Rücken frei gehalten.

Die aggressiven Querschüsse der Republikaner könnten nun jedoch Vorboten dafür sein, dass sich das ändert. Was, wenn die aktuelle Tonlage rund ums US-Kapitol nur das Vorspiel ist für eine sich grundsätzlich ändernde Stimmung? Was, wenn nach der nächsten Wahl in Washington wieder die Interventionisten ans Ruder kommen, die eben doch daran glauben, dass nur harte amerikanische militärische Autorität Krisen im Zaum hält? Lange Zeit schien das durch den falschen und gescheiterten Irakkrieg fast unmöglich. Mittlerweile aber kann man so etwas, siehe Atmosphäre in der US-Hauptstadt, nicht mehr ausschließen. Wladimir Putin könnte das gefallen. Aber einer auf Ausgleich und Verständigung bedachten Bundesregierung würde es das Leben massiv erschweren. 2014 hat gezeigt, wie krisenhaft die Welt geworden ist. 2015 deutet an, dass sie noch ungemütlicher werden könnte.

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