Konflikt um UN-Mitgliedschaft der Palästinenser:Letzte Ausfahrt Richtung Frieden

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Israel zeigt sich bei den Nahost-Gesprächen so kompromissbereit wie lange nicht - und versucht damit, den geplanten Antrag der Palästinenser auf UN-Vollmitgliedschaft abzuwenden. Während auf Palästinenser-Präsident Abbas der Erwartungsdruck aus der Heimat steigt, brodelt es in der israelischen Regierung.

Peter Münch

"Lasst uns New York für Verhandlungen nutzen", sagt Dan Meridor und breitet die Arme aus, "beide Seiten wollen doch einen palästinensischen Staat Seite an Seite mit Israel." Da wartet die ganze Welt mit Bangen auf den Schlagabtausch zwischen Israelis und Palästinensern bei den Vereinten Nationen, und hier steht Israels Vizepremier, der Geheimdienst-Minister Meridor, am Rednerpult eines Jerusalemer Hotels und spricht vom Frieden und den Chancen, die es jetzt zu nutzen gelte. Schließlich seien in den nächsten Tagen, so fährt er fort, der Jerusalemer Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas "zur selben Zeit am selben Ort und im selben Gebäude". Fraglich bleibt nur, ob beide dasselbe meinen, wenn sie von Friedensverhandlungen reden.

Ein Porträt des 2004 verstorbenen Palästinenserführers Jassir Arafat im Gazastreifen. Seine politischen Nachfolger wollen erreichen, dass die Palästinenser eine Vollmitgliedschaft bei den UN erhalten. (Foto: AFP)

Lange schon hat sich die über Jahrzehnte ritualisierte nahöstliche Krisendiplomatie nicht mehr auf solch hohen Touren gedreht wie in diesen Tagen. Am Sitz der Vereinten Nationen in New York wird bis zuletzt darum gerungen, noch eine letzte Ausfahrt in Richtung Friedensgespräche zu eröffnen, bevor die Palästinenser am Freitag ihren Antrag auf volle UN-Mitgliedschaft einreichen.

Im sogenannten Nahost-Quartett aus USA, EU, Russland und UN werden die Parameter eines solchen Verhandlungsprozesses festgezurrt - und die israelische Seite zeigt sich plötzlich geschmeidig wie selten. Meridors Schalmeienklänge sind Teil einer konzertierten Offensive, mit der Israels Regierung die Welt von ihrer Friedensbereitschaft überzeugen und die Palästinenser als wahre Verweigerer zeigen will.

"Verhandlungen ohne Vorbedingungen" hat deshalb auch Netanjahu vor seiner Abreise nach New York noch einmal angeboten. Eine rettende Erklärung des Quartetts, so wird signalisiert, werde nicht an Israel scheitern. Der Ball liegt damit im Feld der Palästinenser - und es zeichnet sich recht deutlich ab, dass sie diesen Ball nicht mehr zurückspielen können.

Abbas hat in der Heimat hohe Erwartungen geweckt an seine Reise nach New York. Der Gang zu den UN hat dem Präsidenten zu neuer Popularität verholfen, und mit seiner Standhaftigkeit angesichts amerikanischen und israelischen Drucks hat er seinen alten Ruf revidiert, dass er im Zweifel immer umfällt. Auf den angekündigten Showdown vor der Weltgemeinschaft zugunsten neuer Verhandlungen kann er also nur noch verzichten, wenn er dafür reichlich entschädigt wird, zuvörderst mit einem Siedlungsbaustopp der Israelis.

Dafür jedoch gibt es in Jerusalem keine Anzeichen, und internationalen Druck in dieser Richtung scheint die Regierung auch nicht zu verspüren. Dabei war ein solcher Baustopp ursprünglich eine Kernforderung von US-Präsident Barack Obama gewesen, die Abbas zu seinem Unglück aufgegriffen hat.

Heute kann Meridor darauf verweisen, dass ein Bau- Moratorium, das Netanjahu im vorigen Jahr für zehn Monate verfügt hatte, keinen Fortschritt ermöglicht habe. "Es war keine gute Idee", sagt er, "und ich glaube, die Amerikaner werden das nicht mehr vorschlagen."

Die Suche des Nahost-Quartetts nach einer magischen Formel für neue Verhandlungen macht das gewiss nicht leichter. Parallel zur Last-Minute-Lösung baut die internationale Diplomatie deshalb bereits Dämme für den Fall, dass die Palästinenser sich nicht mehr davon abhalten lassen, bei den UN Fakten zu schaffen.

Wüste Drohungen aus der israelischen Regierung

Die Zeitung Haaretz berichtet von starkem Druck auf Netanjahu, dies nicht mit drastischen Strafmaßnahmen zu beantworten. Aus seiner Regierung sind dazu bereits wüste Drohungen zu hören, die vom Zudrehen des Geldhahns bis zur Aufkündigung der Oslo-Verträge und zu Annektionen im Westjordanland reichen.

Zu den Falken zählt Außenminister Avigdor Lieberman, der Netanjahu mit der Keule des Koalitionsbruchs unter Druck setzen kann. Zu den Moderaten zählt Vizepremier Meridor, der lächelnd bekennt, "ich glaube nicht an eine Sprache der Drohungen."

Solche Gegenmaßnahmen, das weiß er, dürften sich schnell als kontraproduktiv erweisen. Israel kann kein Interesse daran haben, die palästinensische Autonomiebehörde unter Abbas zu schwächen, weil dies nur die Gefahr von Gewaltausbrüchen erhöhen würde. Darum ging es bereits in einem Gespräch, dass Israels Verteidigungsminister Ehud Barak überraschend in New York mit dem palästinensischen Premier Salam Fajad geführt hat. Bei allen Differenzen ist beiden Seiten eines klar: Wenn die Diplomatie versagt, dann wird das allein die Radikalen auf beiden Seiten stärken.

© SZ vom 20.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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