Konflikt mit Nordkorea:Wie die USA für den Ernstfall planen

Konflikt mit Nordkorea: Das Archivbild zeigt eine von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA verbreitete Aufnahme eines Raketentests im Februar dieses Jahres

Das Archivbild zeigt eine von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA verbreitete Aufnahme eines Raketentests im Februar dieses Jahres

(Foto: AFP)

Angeblich können nordkoreanische Raketen schon heute die USA erreichen. Dort denkt man bereits darüber nach, wie ein Militärschlag möglich wäre.

Von Tobias Matern

Nordkoreas Atomprogramm soll einen einzigen Zweck erfüllen: das diktatorische Regime zu erhalten. In dieser Logik liegt eigentlich ein beruhigender Faktor. Setzt Kim Jong-un seine Nuklearwaffen ein, legt er die Axt an sein Herrschaftssystem an. Die USA würden nach einem nordkoreanischen Erstschlag alles daransetzen, ihn zu stürzen - oder sein Land präventiv angreifen, wenn Kim es mit seinen Provokationen aus Washingtoner Sicht zu weit treibt. Die Waffe, die seine Macht sichert, könnte für den Diktator also suizidale Züge tragen. So weit, so rational. Aber was ist rational an einem 33-jährigen Herrscher, der keine Gelegenheit auslässt, den USA mit einem Angriff auf ihr exterritoriales Gebiet Guam oder gar das Festland zu drohen, der sich auch auf Warnungen aus China nicht mehr einlässt, der die letzten, stabilisierenden Wirkungen internationaler Normen außer Kraft setzen könnte?

Seit gut 70 Jahren funktioniert das "Gleichgewicht des Schreckens"; vor allem im Kalten Krieg war es ein Mittel, Schlimmeres zu verhindern. Nach den verheerenden US-Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki hat die Welt zwar immer wieder mal in den nuklearen Abgrund geblickt, hatten Amerikaner und Sowjets während der Kubakrise 1962 den Daumen bedrohlich nahe am Knopf, der die Massenvernichtungswaffe in Gang setzt, haben Staaten wie Indien und Pakistan sich einen nuklearen Rüstungswettlauf geliefert, begleitet von einer demonstrativen emotionalen Abneigung. Aber zum Einsatz gekommen sind Atomwaffen seit 1945 nie, weil die Kernwaffen-Staaten eine Regel beherzigt haben: Wenn wir sie einsetzen, setzt unser Gegner sie auch ein, der Schaden wäre für uns selbst überwältigend.

Doch Kim Jong-un feuert nicht nur rhetorische Raketen in Richtung Washington ab. Nordkorea hat unter seiner Führung beharrlich daran gearbeitet, das Atomwaffenprogramm voranzutreiben. Yukiya Amano, der die internationale Atomenergiebehörde der Vereinten Nationen leitet, hatte in der Süddeutschen Zeitung bereits im Mai gesagt, Kims martialische Worte und sein Handeln stünden im Einklang: "Wir haben Anhaltspunkte, dass das Nuklearprogramm so vorangeht, wie Nordkorea es verkündet."

Die Befürchtungen der internationalen Staatengemeinschaft haben seitdem noch einmal zugenommen, vor allem weil Kim im Juli zwei ballistische Interkontinentalraketen testen ließ. Beide Geschosse landeten in japanischen Gewässern, nachdem Nordkorea sie auf eine hohe Flugbahn geschickt hatte. Nach Einschätzung von Experten könnten solche Raketen das amerikanische Festland erreichen, wenn sie auf eine flachere Flugbahn geleitet würden.

Zentral ist nicht nur, wie weit die Raketen fliegen

Die Anfang Juli getestete Rakete erreichte laut nordkoreanischen Staatsmedien eine Flughöhe von 2802 Kilometern, sie flog 933 Kilometer weit und war 39 Minuten in der Luft. Die Erkenntnisse des US-Militärs wichen davon nur geringfügig ab. Interkontinentalraketen haben zwar nach internationaler Definition mindestens eine Reichweite von 5500 Kilometern. Der amerikanische Physiker David Wright von der "Vereinigung besorgter Wissenschaftler" geht aber davon aus, dass eine flachere Flugbahn der nordkoreanischen Rakete eine Reichweite von bis zu 6700 Kilometern ermöglichen könnte. Der Ende Juli vorgenommene nordkoreanische Raketentest erzielte noch weitere Reichweiten, demnach könnten bis zu 10 000 Kilometer möglich sein. Experten verweisen aber darauf, dass Nordkorea für Strecken, die bis zum US-Festland reichen könnten, einen leichteren, in die Rakete passenden Sprengkopf bräuchte. Ein US-Geheimdienst geht davon aus, dass dies Nordkorea bereits möglich ist, wie die Washington Post berichtete.

Mehrere Optionen liegen nun in den USA auf dem Tisch. Eine diplomatische Lösung bevorzugt nach wie vor Rex Tillerson: "Wir streben keinen Regimewechsel an, wir hoffen, dass sie das von einem gewissen Punkt an verstehen, und wir würden uns gerne mit ihnen zusammensetzen und einen Dialog mit ihnen beginnen", sagte der US-Außenminister wohl auch an Kims Adresse gerichtet. Von Nordkorea gehe keine unmittelbare Gefahr aus, betonte Tillerson am Mittwoch in versöhnlichem Ton.

Drei mögliche militärische Szenarien

Dennoch werden in Washington auch militärische Optionen erwogen, die naturgemäß eine massive Eskalationsgefahr in sich bergen. Kim würde sicherlich versuchen, seine Gegenschläge gegen die US-Verbündeten in der Nachbarschaft zu richten: Fürchten müsste sich dann vor allem Südkorea - vor einem konventionellen Angriff. In der Nähe der Hauptstadt Seoul sind nordkoreanische Artilleriegeschütze stationiert. Nordkorea könnte zudem versuchen, Japan mit Mittelstreckenraketen ins Visier zu nehmen.

Im US-Magazin The Atlantic entwirft der Militärexperte Van Jackson drei mögliche militärische Szenarien für einen US-Schlag gegen Nordkorea: Washington könnte demnach, erstens, auf Tomahawk-Marschflugkörper setzen, sie ließen sich von einem Flugzeugträger oder U-Boot aus abfeuern. Die Attacken könnten also ausgeführt werden, ohne dass amerikanische Flugzeuge in nordkoreanischen Luftraum eindringen müssten: für die USA die risikoärmste Variante. Zweitens wären Luftschläge mit Tarnkappenbombern möglich, um nordkoreanische Atomanlagen anzugreifen. Und drittens entwickelt der Experte die "Hightech-Option", nach der die USA auf bunkerbrechende Bomben setzen, die auch gegen Untergrund-Anlagen des Atomprogramms gerichtet werden könnten.

Für all diese Szenarien gilt nach Einschätzung von Analysten: Kims nukleare Ambitionen lassen sich damit wahrscheinlich ausbremsen, aber nicht gänzlich ausschalten. Dafür sind die Anlagen zu sehr über das Land verstreut.

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