Konflikt mit den Huthi-Rebellen:Jemen bricht auseinander

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Anhänger der Huthi-Rebellen in Sanaa. (Foto: dpa)

Auch das neue Friedensabkommen mit den Huthi-Rebellen in Jemen wird den Grundkonflikt nicht schlichten können: Schiiten gegen Sunniten. Viele Jemeniten fürchten, dass die Aufständischen noch mehr wollen: die ganze Macht.

Von Sonja Zekri, Kairo

Die Unruhen in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa haben inzwischen auch das Haus der Nobelpreisträgerin Tawakkol Karman erreicht. Ein Dutzend Kämpfer mit Verbindungen zu den schiitischen Huthi seien in das Gebäude eingebrochen und hätten es geplündert, twitterte Karman - kurz nachdem die Aufständischen am Sonntag unter Vermittlung der UN ein Abkommen mit der Regierung vereinbart hatten.

Das Abkommen sieht vor, dass die Huthi-Rebellen ihre Waffen niederlegen und die Blockade Sanaas aufgeben und die Regierung im Gegenzug einige von deren Forderungen erfüllt. So soll sie die Benzinpreise senken und eine neue technokratische Regierung unter stärkerer Beteiligung der Huthi bilden. Premierminister Mohammed Basindwa soll innerhalb von drei Tagen abgelöst werden, hatte aber ohnehin seinen Rücktritt angekündigt. In einer Erklärung klagte er, seine Partnerschaft mit Präsident Abdo Rabbo Mansur Hadi habe nur kurze Zeit gehalten, dann sei das Land in die "Autokratie" abgeglitten, weder er noch die Regierung seien über die Sicherheitssituation informiert gewesen.

Die Armee im Jemen scheint gespalten zu sein

Die Jemeniten sind skeptisch, ob die jetzige Vereinbarung tatsächlich hält, es ist ja nicht die erste. Und Jemen hat eine Tradition langwieriger, immer wieder von Abkommen unterbrochenen Verhandlungen. Nach Wochen der Belagerung hatten die Huthi am Wochenende das staatliche Radio überrannt, das Medienzentrum der Armee, Teile des Parlaments, die Zentralbank und die Luftfahrtbehörde sowie das Oberkommando der Armee. Das Innenministerium forderte die Sicherheitskräfte zur "Kooperation" auf und nannte die Huthi "Freunde der Polizei im Dienste des Vaterlandes". Bei Zusammenstößen starben in den vergangenen Tagen mehr als 100 Menschen.

Das Haus der Nobelpreisträgerin Karman sollen die Huthi inzwischen wieder geräumt haben. Einige der Institutionen übergaben sie inzwischen in die Hände der Militärpolizei, die mit ihnen sympathisieren soll. Ohnehin scheint die Armee gespalten zu sein: Die New York Times berichtete, dass einige Einheiten zu den Aufständischen übergelaufen seien. Gleichzeitig meldeten Agenturen, dass die Kämpfer das Hauptquartier des mächtigen Generals Ali Mohsen al-Ahmar unter Kontrolle gebracht haben sollen. Der General sei auf der Flucht.

Von der bedrängten Minderheit zur mächtigen Miliz

Die Abrechnung mit General Mohsen ist eines der Motive der Aufständischen. Er hatte die Huthi zehn Jahre lang im Namen des früheren Präsidenten Ali Abdullah Salih bekämpft. Später wandte er sich selbst gegen Salih, aber die Huthi vergaßen nicht. Sie machen Mohsen unter anderem für den Tod ihres Gründers und Anführers verantwortlich, des radikalen Predigers Hussein al-Huthi. Die Huthi waren ursprünglich ein Clan im bergigen Norden Jemens. Sie gehören dem saiditischen Islam an, einer Spielart des schiitischen Islam, die dem sunnitischen Islam nahesteht. Ein Viertel der Bevölkerung in Jemen, einige Quellen sprechen sogar von 45 Prozent, sind Saiditen.

Die Saiditen dominierten Nordjemen 1000 Jahre lang als Herrscher einer Theokratie, der Imamate, die erst in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts endete. Hussein al-Huthi versuchte, diese triumphalen Tage wiederzubeleben, die Traditionen, den Einfluss. Innerhalb von zehn Jahren aber, so der Economist, haben sich die Huthi von einer "bedrängten Minderheit zu einer mächtigen Miliz" entwickelt, die Monat für Monat weitere Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. Kritiker werfen ihnen vor, sie seien rassistisch und folgten dem Beispiel der schiitischen Hisbollah, die die Massen mobilisierte, um mehr Mitsprache in der Regierung zu erpressen.

Viele Jemeniten fürchten, dass die Huthi noch mehr Macht wollen

Die Spannungen in Jemen dürften den Grundkonflikt der Region verschärfen: Die sunnitischen Saudis sehen die Huthi als fünfte Kolonne des Iran, ihrer schiitischen Rivalen um die Macht im Nahen Osten. Nach Bahrain, wo Riad ebenfalls iranischen Einfluss witterte, schickten die Saudis im Arabischen Frühling Truppen. In Syrien stützt Teheran Präsident Baschar al-Assad, Mitglied der schiitischen Alawiten, die Golfstaaten fördern Baschars Gegner.

Zu den größten Gegenspielern der Huthi zählen deshalb die sunnitischen Islamisten der Islah-Partei. Nicht nur der unter unklaren Umständen scheidende Premier Basindwa steht der Partei nahe, sondern auch Friedensnobelpreisträgerin Karman sowie der Erzfeind der Huthi, General Mohsen al-Ahmar. Die Islah-Partei hatte vom Sturz Präsident Salihs sehr profitiert, viele waren den Huthi sogar dankbar, dass sie die Männer der Islah im Norden bekämpfte. Jemens Armee ist vollauf damit beschäftigt, im Süden eine der aktivsten Al-Qaida-Filialen der Region zu bekämpfen. Die stille Übereinkunft mit den Huthi-Rebellen änderte sich, als diese immer weiter nach Süden vorrückten und schließlich in Sanaa einfielen. Viele Jemeniten vermuten, dass auch das jetzige Abkommen sie nicht zufrieden stellen wird - dass sie die ganze Macht in Sanaa wollen.

© SZ vom 23.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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