Konflikt im Kaukasus:Georgien akzeptiert EU-Friedensplan

Präsident Saakaschwili hat dem von Frankreich vermittelten Plan zugestimmt. Doch es droht neuer Streit: Tiflis verklagt Moskau vor dem Internationalen Strafgerichtshof - und die Führer von Südossetien und Abchasien wollen nicht verhandeln.

Ein Ende der Gewalt scheint in Sicht: Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hat im Kaukasus-Konflikt mit Russland einer überarbeiteten Version des EU-Friedensplans zugestimmt. "Es ist eine Vereinbarung von Grundsätzen, und ich denke, wir haben eine volle Übereinstimmung", sagte Saakaschwili in der Nacht zum Mittwoch.

Konflikt im Kaukasus: Gibt sich weiterhin kämpferisch: Michail Saakaschwili

Gibt sich weiterhin kämpferisch: Michail Saakaschwili

(Foto: Foto: Getty Images)

Auf georgischen Wunsch wurde die Formulierung gestrichen, dass es eine internationale Diskussion über den "künftigen Status" der abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien geben solle. Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew habe dies bereits akzeptiert, sagte Sarkozy. So soll die territoriale Integrität Georgiens gesichert werden. Dieser Plan sei die Basis für eine UN-Resolution, sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Tiflis. Sarkozy hatte vorher Moskau besucht.

Der Friedensplan sieht vor, dass beide Seiten auf Gewalt verzichten, ihre Truppen zurückziehen und Helfern den Zugang zu den Opfern ermöglichen. Die russischen Friedenstruppen, die seit Mitte der neunziger Jahre mit einem Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Südossetien stationiert sind, verpflichten sich zu "zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen" in der abtrünnigen Provinz. Es handelt sich um eine Prinzipienerklärung, die nicht eigens unterzeichnet wurde.

Kritik aus Abchasien und Südossetien

Allerdings haben die selbsternannten Regierungen von Südossetien und Abchasien Gespräche mit Tiflis abgelehnt. "Es kann keine Gespräche mit den Organisatoren eines Völkermordes geben", sagte Südossetiens selbsternannter Präsident Eduard Kokojty laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Sergej Bagapsch, der Präsident von Abchasien, sagte, es werde keine Gespräche mehr mit Tiflis geben. "Verbrecher sollten vor Gericht gestellt werden", fügte er hinzu.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner will den Friedensplan am heutigen Mittwoch den übrigen EU-Außenministern in Brüssel vorstellen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte die EU vor einer Verurteilung des russischen Vorgehens in Georgien. Statt "starke Statements mit einseitigen Verurteilungen zu verabschieden" solle die EU "mit Blick auf die Zukunft eine wirkliche Rolle bei der weiteren Stabilisierung übernehmen", forderte Steinmeier.

Kouchner sprach sich für eine Friedenstruppe der Europäischen Union im Kaukasus aus. Eine solche Beobachter-Truppe könne zur Entspannung im Konflikt zwischen Russland und Georgien beitragen. Zuvor hat Litauen und Polen einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet.

Russlands Außenminister Lawrow erklärte, Moskau respektiere die Souveränität Georgiens. In einem Beitrag für die Financial Times schrieb er, sein Land habe "nicht die Absicht, sich Teile Georgiens einzuverleiben oder sie zu besetzen". Zugleich stellte er erneut Georgien als Auslöser der Gefechte um die Regionen Abchasien und Südossetien dar. Russland strebe eine diplomatische Lösung des Konflikts an.

Unterdessen hat Georgien den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag angerufen und Russland gewaltsame Vertreibungen in den Regionen Abchasien und Südossetien vorgeworfen. Das teilte der Nationale Sicherheitsrat des Landes am Dienstag mit. Die Klage beziehe sich auf das Vorgehen Russlands in den Jahren 1993 bis 2008. Der Gerichtshof bestätigte den Eingang der georgischen Klage.

Weiterhin Streit um Opferzahlen

Der georgische Gesundheitsminister Sandro Kwitaschwili hat die Zahl der Kriegstoten im eigenen Land mit Ausnahme des abtrünnigen Gebietes Südossetien auf 165 beziffert. Es blieb jedoch unklar, ob in der Zahl auch georgische Soldaten enthalten sind. Russland hatte zu Wochenbeginn von 2000 Toten allein in Südossetien berichtet. Die georgische Seite hatte diese Zahl als übertrieben bezeichnet.

Nach Angaben des Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates, Alexander Lomaia, erlitt Georgien im Kaukasus-Krieg "hohe Verluste" und die "Zerstörung wesentlicher Teile" seiner Militärstruktur. Im Westen des Landes sei der strategisch wichtige Militärflughafen Senaki zerstört, und im Schwarzmeerhafen Poti seien mindestens drei georgische Schiffe versenkt worden.

Osteuropäische Solidarität

Auf einer Kundgebung vor mehreren tausend Menschen in Tiflis stellten sich am Dienstagabend die Präsidenten mehrerer früherer Sowjetrepubliken hinter Georgien. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko sagte: "Es lohnt sich, für die Freiheit zu kämpfen." Auch seine Kollegen aus Litauen, Lettland und Estland nahmen an der Veranstaltung teil. Der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski sagte: "Unser Nachbar denkt, er kann uns bekämpfen. Wir sagen nein." Russland wolle eine Rückkehr zu "alten Zeiten".

Als Folge des Kriegs will Georgien aus der von Russland dominierten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) austreten. Die Regionen Abchasien und Südossetien will Georgien künftig als von Moskau besetzte Gebiete betrachten. Bei einer Großdemonstration vor dem Parlament in Tiflis hatte Saakaschwili am Dienstag die Führung in Moskau scharf kritisiert und Georgien als "Vorposten im Kampf gegen Russland" bezeichnet.

Auf der nächsten Seite: Der frühere georgische Präsident Schewardnadse kritisiert seinen Nachfolger - und die USA.

Georgien akzeptiert EU-Friedensplan

Der frühere sowjetische Außenminister und ehemalige Präsident von Georgien, Eduard Schewardnadse warnte vor einer Ausweitung des Konfliktes im Kaukasus. In der Bild-Zeitung nannte Schewardnadse die Lage in der Region "extrem angespannt und äußerst kompliziert". Der Ausgang des Konfliktes sei "völlig ungewiss". Er wies in diesem Zusammenhang auf die besonders wichtige strategische Lage Georgiens hin, die bei diesem Krieg eine Rolle spiele.

Konflikt im Kaukasus: Michail Saakaschwili spricht in Tiflis: Estlands Präsident Ilves (ganz rechts) und Ukraines Präsident Juschtschenko (2. von links) hören zu.

Michail Saakaschwili spricht in Tiflis: Estlands Präsident Ilves (ganz rechts) und Ukraines Präsident Juschtschenko (2. von links) hören zu.

(Foto: Foto: dpa)

Seinem Nachfolger Saakaschwili warf er vor, mit dem unvorbereiteten militärischen Einfall in die südossietische Provinzhauptstadt Zchinwali einen "schwerwiegenden Fehler" begangen zu haben.

In dem Interview sprach der frühere Politiker von einem "neuen Kalten Krieg". Dieser drohe aber nicht wegen der Ereignisse im Kaukasus, sondern "ist doch schon längst von den USA angezettelt durch den sogenannten Raketenabwehrschirm der Amerikaner in Tschechien und Polen". Zuvor hatte auch Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow den USA in der Washington Post Heuchelei vorgeworfen.

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