Kompromiss zur Online-Durchsuchung:"Gift für den Rechtsstaat"

Innenminister Schäuble und Justizministerin Zypries haben mit einem Kompromiss den Weg für die umstrittenen Online-Durchsuchungen freigemacht. Aus der Opposition hagelt es Kritik - und auch die SPD-Fraktion behält sich einen Einspruch vor.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist nach der Einigung zwischen Innen- und Justizministerium bei der umstrittenen Online-Durchsuchung von Computern noch skeptisch. Ihr innenpolitischer Experte Klaus-Uwe Benneter sagte der Berliner Zeitung: "Wir werden uns genau ansehen, ob der Gesetzentwurf mit den engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt, und behalten uns einen Einspruch vor."

Nicht zuletzt müsse sichergestellt sein, dass regelmäßig überprüft wird, ob das Gesetz richtig angewandt wird. Auch müsse klar sein, dass Betroffene im Nachhinein informiert würden, dass ihr Computer überwacht worden sei.

Dagegen forderte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) den Koalitionspartner SPD zur Zustimmung auf. "Wenn sich die SPD jetzt immer noch sträubt, dann schlagen die Leute doch die Hände über dem Kopf zusammen. Dafür hätte niemand mehr Verständnis", sagte Bosbach dem Blatt.

Die Union sei der SPD schließlich sehr entgegengekommen. Auf Drängen der SPD hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) darauf verzichtet, Polizisten den Zutritt zu Wohnungen von Verdächtigen zu erlauben, um auf deren Computern Überwachungssoftware zu installieren. Die Online-Durchsuchung werde damit "nicht zum stumpfen Schwert", sagte Bosbach am Dienstagabend der ARD.

Hohe Hürden für BKA-Gesetz

Die SPD hatte das Eindringen in die Wohnung Verdächtiger bis zuletzt abgelehnt. Nach Abschluss der Ressortabstimmung werde der Gesetzentwurf über erweiterte Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Bekämpfung des Terrorismus nun an die Länder geschickt, sagte ein Sprecher Schäubles. Vor der Sommerpause könne der Entwurf dem Bundeskabinett vorgelegt werden.

Scharfe Kritik kommt von der Opposition. "Meine Befürchtung war schon immer, dass sich der Widerstand der SPD gegen die heimliche Online-Durchsuchung in Schall und Rauch auflösen wird", sagte FDP-Fraktionsvize Max Stadler der Berliner Zeitung. "Selbst wenn die Hürden des Bundesverfassungsgerichts nicht übersprungen werden, heißt das noch lange nicht, dass man die Online-Durchsuchung politisch gutheißen muss. Wir bleiben sehr skeptisch."

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte der ARD: "Unser Privates stirbt ganz offensichtlich scheibchenweise." Auch der Rechtspolitiker der Grünen, Jerzy Montag, sagte: "So sollte man nicht mit den Bürgerrechten spielen. Wir glauben nicht, dass die Koalition die Notwendigkeit nachweisen kann, zu dem geplanten Überwachungsinstrument zu greifen."

Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, das Vorhaben sei "Gift für den Rechtsstaat". Ihre Partei werde "Union und SPD genau auf die Finger schauen, ob sie zumindest die hohen rechtsstaatlichen Hürden des Verfassungsgerichts einhalten." Sie befürchtete allerdings, die große Koalition gehe "in Richtung präventiver Überwachungsstaat".

Ähnlich äußerte sich der Rechtsexperte der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic. Nur weil das Verfassungsgericht Online-Durchsuchungen in bestimmten Fällen erlaubt habe, "heißt das noch lange nicht, dass man es man auch machen muss", sagte er. Aus seiner Erfahrung als Richter wisse er, dass technische Überwachungen Verdächtiger in den seltensten Fällen für eine Verurteilung ausgereicht hätten.

Gesetz im Schweinsgalopp

Auch der Linke-Abgeordnete Jan Korte monierte: "Das BKA-Gesetz macht private Computer zu leichter Beute für die Überwachungsbehörde. Es will den großen Lauschangriff wieder einführen, und es tastet zahlreiche Grundrechte an." Es sei unverständlich, warum die Regierung "im Schweinsgalopp ein derart kritisches Gesetz durchdrücken will, statt sich Zeit zu lassen für eine intensive Prüfung, wie und ob ein solches Gesetz mit den Grundrechten vereinbar sein kann".

Dagegen hält Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) die nun gefundene Regelung für nicht weitgehend genug. Sie erklärte am Dienstagabend in München: "Warum das Betreten der Wohnung ausgeschlossen sein soll, leuchtet mir nicht ein." Wenn nötig, müsse dies mit Genehmigung eines Richters möglich sein. "Hier wird man nachbessern müssen."

Innenminister Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) haben sich am Dienstag auf einen Kompromiss bei den umstrittenen Online-Durchsuchung privater Computer geeinigt. Nach Abschluss der Ressortabstimmung soll der Gesetzentwurf nun an die Länder geschickt werden. "Damit ist der Weg frei, dass das BKA die entsprechenden präventiven Befugnisse bekommt." Vor der Sommerpause könne der Entwurf dem Bundeskabinett vorgelegt werden.

Noch im Februar hatten Zypries und Schäuble über Details des geplanten BKA-Gesetzes gestritten. Schäuble hatte sich über "mutwillige Verletzungen vereinbarter Verfahren" beschwert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Ende Februar veröffentlichten Urteil Online-Durchsuchungen an hohe rechtliche Hürden geknüpft. Als Voraussetzung forderte Karlsruhe eine konkrete und absehbare Gefahr für überragend wichtige Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit sowie Güter der Allgemeinheit. Auch eine Richteranordnung sahen die Verfassungsrichter als zwingend an.

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