Der Streit um die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch und ihren Äußerungen zum Kommunismus geht in eine neue Runde. Die Parteichefin mühte sich an diesem Samstag deutlich um Schadensbegrenzung - mit einer Doppeltaktik: Einerseits grenzte sie die Linkspartei von der Vergangenheit der Vorgängerpartei SED ab.
Die Linke habe unwiderruflich mit dem Stalinismus gebrochen und sich bei den Opfern entschuldigt, sagte Lötzsch auf einem außerordentlichen Landesparteitag der Linken an diesem Samstag in Hamburg. Dies gelte weiterhin und werde von niemandem infrage gestellt. "Unser Weg soll zu einem demokratischen Sozialismus führen", sagte Lötzsch. "Keine Partei nimmt die Demokratie so ernst wie die Linke." Die Partei habe ihre Geschichte gründlich aufgearbeitet und setze diesen Prozeß fort.
Andererseits setzt die Parteichefin auf Attacke: Lötzsch verteidigte ihren umstrittenen Zeitungsartikel, in dem sie Anfang der Woche über "Wege zum Kommunismus" philosophiert hatte. Die Heftigkeit der Kritik lasse sich nur mit der Verunsicherung der bürgerlichen Parteien und Medien erklären, sagte Lötzsch. Die Vision einer gerechten Gesellschaft werde dort offenbar als eine Bedrohung empfunden.
Die aktuelle Diskussion um ihren Artikel in der linken Zeitung Junge Welt bezeichnete Lötzsch als "hysterische Reaktion" von CDU und CSU. Diese könne sie sich nur so erklären, dass die Unsicherheit in den Reihen der Neoliberalen dramatisch zunehme. Folglich habe sie mit ihrem Beitrag in ein Wespennest gestochen.
In dem Text heißt es unter anderem: "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung." Im letzten Satz sprach Lötzsch aber vom demokratischen Sozialismus als Zukunftsdevise.
Lafontaine: Lötzsch-Formulierung war unglücklich
Lötzschs Amtsvorgänger Oskar Lafontaine sprang ihr inzwischen bei: "Wir sind eine reformsozialistische und keine kommunistische Partei", sagte Lafontaine der Online-Ausgabe des Stern. Der Kommunismus sei gekennzeichnet gewesen durch die Forderung nach der Diktatur des Proletariats sowie des revolutionären Umbruchs zur Ein-Parteien-Herrschaft. In Deutschland werde der Kommunismus insbesondere mit dem Mauerbau und den Verbrechen Stalins verbunden. Damit habe die Linke nichts am Hut, betonte Lafontaine.
Lafontaine räumte ein, dass der Satz der Parteichefin "unglücklich" gewesen sei. In der Bilanz sei ihr Artikel jedoch ein Bekenntnis zum Reformsozialismus gewesen. Auch sich selbst bezeichnete Lafontaine als einen "demokratischen Sozialisten". Auf die Frage, ob er Kommunist sei, antwortete er: "Mit Sicherheit nicht. Ich war bekanntlich SPD-Vorsitzender."
Gregor Gysi, der Linken-Fraktionschef übte am Wochenende erneut Kritik an Lötzsch - und nahm sie zugleich in Schutz. "Man hätte den einen oder anderen Satz anders formulieren können und ein oder zwei Sätze fehlen auch", sagte er beim Wahlparteitag der Hamburger Linken. "Aber ihr etwas zu unterstellen, was sie nicht gesagt hat, ist grob unfair."
Zuvor hatte Linke-Vizefraktionschef Dietmar Bartsch gesagt, er erwarte von Lötzsch ein Bekenntnis zum demokratischen Wertesystem. "Wir haben uns auf den Weg gemacht 1989 und unwiderruflich mit stalinistischen Methoden gebrochen", sagte Bartsch am Samstagmorgen im Deutschlandradio Kultur. "Und wer auch nur einen Hauch von Zweifel aufkommen lässt, der muss auch deutlich kritisiert werden."
Diesen Bruch habe auch Lötzsch vollzogen, sagte er mit Blick auf die Debatte um die umstrittenen Äußerungen der Parteivorsitzenden zum Kommunismus. Er rechne damit, dass Lötzsch am Abend auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin klare Worte finden werde. Gemeinsam mit der RAF-Terroristin Inge Viett und der DKP-Vorsitzenden Bettina Jürgensen wollte Lötzsch über die Möglichkeiten zur Überwindung des "kapitalistischen Systems" diskutieren. Am Samstagnachmittag erklärte sie plötzlich, sie wolle nun "eine Rede halten". Als Begründung sagte Lötzsch zu Spiegel Online, sie wolle "unabgelenkt von anderen Diskussionsteilnehmern ihre eigene Position darlegen".
Als "irre" wies Bartsch im RBB-Inforadio Forderungen aus der CSU nach einem Verbotsverfahren für die Linke zurück. Linke- Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete Lötzschs Formulierungen als "missverständlich". "Wir können mit dem Begriff Kommunismus unsere Ziele nicht erklären", sagte er dem Tagesspiegel.
SPD-Chef Gabriel schließt Rot-rot im Bund aus
Vertreter anderer Parteien übten derweil harte Kritik an Lötzsch. SPD-Chef Sigmar Gabriel erteilte mit Blick auf deren Kommunismus-Äußerungen einer rot-roten Koalition nach der Bundestagswahl 2013 eine Absage. "Eine Partei, die solche Zweifel an ihrer demokratischen Grundorientierung zulässt, kommt als Partner für uns auf Bundesebene nicht infrage", sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, zeigte sich entsetzt über die Linken-Chefin. Lötzsch suche noch immer nach dem Kommunismus - "nach Millionen Toten, die ihm geschuldet sind", sagte Birthler der Bild am Sonntag. Und: "Als Vorsitzende ihrer Partei weiß sie, was viele in ihrer Partei heimlich oder offen denken, und spricht ihnen aus dem Herzen." Die Grünen-Politikerin Birthler - zu DDR-Zeiten Bürgerrechtlerin - sieht durch eine Verharmlosung des Kommunismus die bisherigen Erfolge bei der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur in Gefahr.
FDP-Chef Guido Westerwelle wies Lötzschs Äußerungen scharf zurück. "Ich habe mir nicht vorstellen können, dass wir im Deutschen Bundestag eine Parteivorsitzende haben, die ernsthaft dazu aufruft, wieder Wege in Richtung Kommunismus zu probieren", sagte er der Welt am Sonntag.