Süddeutsche Zeitung

Kommunikation:Zwinker, zwinker

Whatsapp verändert die Sprache von Jugendlichen. Aber einiges bleibt dann doch beim Alten.

Von David Pfeifer

Wäre dieser Text eine Whatsapp-Nachricht, dann müsste hinter dem Eingangssatz ein Emoji stehen, vielleicht das lachende Gesicht, dem die Tränen aus den Augen schießen. Das populärste unter den Emojis sagt wenig und gleichzeitig viel, man kann jemanden beschimpfen und dies in derselben Nachricht abschwächen. Man kann auch ernst antworten und gleichzeitig die Aussage konterkarieren. Es gibt dem Stakkato der Messenger-Maschinensprache einen Gefühlsraum. Wenn jemand zu lange an einer Kurznachricht schreibt, um sich vollumfänglich zu erklären, ahnt man ja, dass es Stress gibt. Zwinkersmiley.

Wie wichtig der emotionale Notausgang aus heiklen Wortgefechten sein kann, zeigt sich auch daran, dass es mittlerweile einen "Welt-Emoji-Tag" gibt, vergangenen Samstag nämlich. Für diejenigen, die unter Fomo leiden (der "Fear of missing out", der Angst etwas zu verpassen, lol): Viel passiert ist da nicht. Doch immerhin veröffentlichte die Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg eine Studie, die untersuchte, wie Whatsapp das Schreibverhalten von Jugendlichen verändert, denn die Sorge um die Jugend ist ja etwa so alt wie die Jugend selbst.

Die Pressemitteilung steigt gleich mit einer Entwarnung ein: "Whatsapp verändert den Schreibstil von Jugendlichen, aber nicht so, wie wir befürchten." Es wurden rund 80 Aufsätze und 19 000 Whatsapp-Nachrichten von Schülerinnen und Schülern ausgewertet, mit dem Ergebnis, dass in Schulaufsätzen weiterhin großer Wert auf Rechtschreibung gelegt werde. Auch in Kurznachrichten sei das so, Schüler ermahnen sich sogar, wenn Unverständliches zusammengetippt wird. Nur stehen ihnen eben auch eine ganze Reihe von zusätzlichen Zeichen zur Verfügung, um ihre Aussagen fühlbar zu machen, kotzende Smileys, Einhörner, Kackhaufen. "Entgegen zahlreichen Behauptungen werden Emojis aber in der Regel nicht dafür genutzt, ganze Wörter oder Sätze zu ersetzen", so der Linguist Dr. Florian Busch, der die Untersuchung geleitet hat. Je enger die Verbindung der Schreibenden, desto eher werde sogar ganz auf Emojis verzichtet.

Doch vielleicht kommt die Studie etwas spät, denn mittlerweile wird immer häufiger ganz auf Schrift verzichtet. Die beliebtere Möglichkeit, seine Worte via Whatsapp in Gefühle zu kleiden, ist: Voice Message. Seit 2013 gibt es die Funktion bereits, doch erst seit wenigen Jahren laufen die Sprachnachrichten den Kurztexten den Rang ab. Um die Emotion richtig zu transportieren, wird angeplaudert und herumgeredet, bevor man zum Thema kommt. Es scheint ein Rücksturz aus dem Stakkato-Sprech zu sein, freundlich formulierte Wortwolken, Terrabytes an "Hallo, ich hoffe, es geht dir gut, hier regnet's in Strömen ...", oder "Ja, also, was ich eigentlich sagen wollte..." ziehen die moderne Kommunikation in Längen, die Ältere vielleicht noch aus der Zeit der Anrufbeantworter kennen. Deswegen hat Whatsapp vor einigen Wochen eine sinnvolle neue Funktion eingeführt: Man kann Nachrichten in der doppelten Geschwindigkeit abspielen. Es geht in der Kommunikation also wieder mehr um Emotion als um Information, eigentlich ganz romantisch. Dafür: drei Herzen.

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