Kommunen - Spar oder stirb (6): Essen:Bestrahlung für den Haushalt

Den Kommunen steht eine Rekordverschuldung bevor. Diese Not macht erfinderisch und sorgt für skurrile Ideen: Der Stadtrat in Essen will künftig eine "Bräunungssteuer" erheben und Solarien zur Kasse bitten.

Es sieht schlecht aus für Deutschlands Kommunen: Die Städte und Gemeinden stehen vor dem höchsten Defizit ihrer Geschichte. Die Bilanz des ersten Halbjahrs 2010: knapp acht Milliarden Euro - 3,6 Milliarden mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Stadt Essen will 'Braeunungssteuer' einfuehren

Für viele ist es die einzige Möglichkeit, ein paar Minuten Urlaub vom Alltag zu haben. Essen will Solarien nun besteuern.

(Foto: dapd)

Die Kommunen versuchen also, das Unheil abzuwenden - und zeigen sich dabei äußerst erfinderisch. So kann es passieren, dass den Kölnern ein bellender Beamter in ihrem Hausflur begegnet. Sollte hinter einer der Türen ein Hund antworten und dieser nicht gemeldet sein, hat der Beamte der Stadt ein paar Euro mehr in die Tasche gebellt.

Die Stadt Oberhausen im Ruhrgebiet konnte seine Kasse mit schätzungsweise 200.000 Euro aufbessern, indem sie das Vergnügen ihrer Bürger besteuerte: Seit 2009 muss jede Prostituierte sechs Euro pro Arbeitstag abgeben; Tanzveranstaltungen fallen ebenso unter die "Vergnügungssteuer" wie Glücksspiele.

Essen scheint sich Oberhausen als Vorbild genommen zu haben: Der Stadtrat entscheidet heute über eine sogenannte Bräunungssteuer, eine Vergnügungssteuer für Solarien. Das Konzept ist simpel: Pro Sonnenbank muss der Betreiber 20 Euro monatlich an die Stadt zahlen.

Die Stadt erhofft sich nach eigenen Angaben Mehreinnahmen von etwa 150.000 Euro jährlich - und schiebt die Gesundheit ihrer Bürger vor. "Neben der Einnahmeerzielung hat diese Steuer jedoch den Zweck, aus Gründen der Volksgesundheit die Anzahl der in Essen betriebenen Geräte zu begrenzen", heißt es in der Vorlage zu der Steuer.

Wie nicht anders zu erwarten, löst die Sparidee Proteste aus. Der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen (BdS) kritisiert, dass bei einem voraussichtlichen Aufkommen von 150.000 Euro pro Jahr die neue Steuer nur unwesentlich zur Haushaltskonsolidierung beitrage. Im Verhältnis zu den gesamten Steuereinnahmen von 674 Millionen Euro liege der Anteil bei 0,022 Prozent. Und darin seien noch nicht die Kosten eingerechnet, die bei der Einführung und der Erhebung anfallen.

Dem widerspricht jedoch der Kämmerer der Stadt Essen, Lars Martin Klieve - es gebe keine weiteren Kosten durch die Erhebung der Steuer. Auch die Fraktion der Grünen verteidigt die Steuer. "Die Stadt ist so gut wie pleite", sagt Fraktionsmitglied Walter Wandtke. Da spüle die Steuer wenigstens etwas Geld in den Haushalt.

Der Photomed Bundesverband Solarien und Besonnung kritisiert die Pläne scharf. "Besonders kleinere Studios sind dadurch in ihrer Existenz gefährdet", meint der Vorsitzende Norbert Schmid-Keiner. Er befürchtet, dass weitere Städte nachziehen und ebenfalls eine "Bräunungssteuer" einführen wollen - und will deshalb Klage einreichen.

Bevor es soweit kommt, benötigt die Stadt ohnehin erst die Zustimmung vom Innen- und vom Finanzministerium, da es sich um die erste Steuer dieser Art in NRW handelt. Populär wäre eine Zustimmung aber wahrscheinlich nicht. Die Leser-Kommentare unter einem Bericht des Online-Portals Der Westen jedenfalls zeigen eine eindeutige Tendenz: "Die Herren im Stadtrat können es sich leisten, im sonnigen Süden Urlaub zu machen. Wie will das ein Hartz-IV-Empfänger bezahlen?", schreibt ein Leser. Und ein anderer stimmt ihm zu: "Ja, man nimmt dem kleinen Mann bzw. Frau noch die letzten paar Minuten Erholung."

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