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Kommunen - Radebeul:Bernig wird nicht Kulturamtsleiter: Autor zieht zurück

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Radebeul (dpa/sn) - Im Streit um den Posten des Radebeuler Kulturamtsleiters verzichtet der vor gut drei Wochen gewählte Schriftsteller Jörg Bernig auf eine zweite Abstimmung. "Für einen abermaligen Wahlvorgang stehe ich nicht zur Verfügung", erklärte er am Donnerstag laut Mitteilung. Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) nahm die Entscheidung "respektvoll zur Kenntnis". Nach seinen Angaben findet die für kommenden Montag im Zuge seines Vetos anberaumte nicht öffentliche Sitzung des Stadtrates dennoch statt. Der Radebeuler Kultur-Verein, der den Protest anführte, plädierte für eine Neuausschreibung der Kulturamtsleiterstelle.

Eine Wiederholung der "ordnungsgemäß erfolgten Wahl" würde die Anerkennung und Rechtfertigung "ideologischer Handlungsweisen" bedeuten, begründete Bernig den Rückzug. In der mit "Was zu sagen ist" betitelten Erklärung kritisierte der umstrittene Autor und Publizist die Attacken einiger Stadträte und Bürger nach seiner Wahl. Um "ideologischer Ansprüche auf den Kultur-Sektor willen" seien Regeln und Verordnungen gebrochen worden, unliebsames Denken und unbequeme Personen sollten durch Unterstellung, Verheimlichung, Verdrehung bis zu Stigmatisierung verdrängt werden. "Es handelt sich um Handlungsweisen aus dem Repertoire des Totalitären." Die aktuellen Vorgänge seien ein "Menetekel der Beschneidung von Freiheit, der Verhinderung von Vielfalt".

Frank Richter, Ex-DDR-Bürgerrechtler und SPD-Abgeordneter im Landtag, zeigte sich von Bernigs Begründung entsetzt. "Er zündelt gemeinsam mit denen, die unsere freiheitliche demokratische Ordnung schlecht reden und destabilisieren wollen." Das Veto des Oberbürgermeisters sei ebenso wie der öffentliche Protest aus der Kulturszene "gutes Recht" in einer Demokratie. "Wer dies mit totalitären Systemen vergleicht, muss sich fragen lassen, wessen politisches Geschäft er betreibt", sagte er. Mit seinem Rückzug nun habe Bernig dem politischen Klima in Radebeul und in Sachsen "einen Dienst erwiesen".

Erleichterung herrschte auch beim Radebeuler Kultur e.V., der mit einem Offenen Brief den Protest kanalisierte. "Wir sehr froh sind über die Entscheidung, den richtigen Schluss aus der Situation zu ziehen", sagte DDR-Jazzlegende Günter "Baby" Sommer als Vorsitzender. Allerdings war er von dem Schritt überrascht. Bei einem Gespräch mit Bernig und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) als Mediator vor einer Woche habe es keinerlei Annäherung gegeben.

Der Stadtrat hatte den von Kritikern der neu-rechten Szene zugeordneten 56-Jährigen am 20. Mai mutmaßlich mit den Stimmen von AfD und CDU gewählt. Nach öffentlichem Protest hatte Oberbürgermeister Wendsche Tage später auf der Grundlage der sächsischen Gemeindeordnung Widerspruch eingelegt und die Entscheidung dem Stadtrat zur Prüfung vorgelegt.

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