Kommunen - Kassel:Wohnungslos: Zahl der Obdachlosen In Großstädten nimmt zu

Deutschland
Ein Obdachloser schläft nahe des Frankfurter Hauptbahnhofs hinter einer Betonmauer. Foto: Arne Dedert/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Frankfurt/Kassel/Offenbach (dpa/lhe) - Steigende Mieten, knapper werdender Wohnraum, zunehmende Migration: In Hessens Großstädten hat die Zahl der obdachlosen Menschen in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. Analog sind auch die Kosten für ihre Unterbringung gestiegen. Eine Ausnahme bei dieser Entwicklung bildet die Wissenschaftsstadt Darmstadt. Dort weist die Statistik konstante Zahlen aus.

In FRANKFURT ist die Zahl der obdachlos auf der Straße lebenden Menschen der Stadt zufolge stark schwankend, aber seit 2010 gestiegen. "Aktuell leben etwa 200 Menschen im öffentlichen Raum", sagte Pressesprecherin Miriam Bandar. 2010 seien es etwa 150 Menschen gewesen. Von den aktuell 200 Personen nutzten 100 die Winternotübernachtung. "Diese war in diesem Jahr auch während des Sommers geöffnet" erklärte Bandar.

Der Hauptgrund für den Anstieg sei Migration. "Nach unseren Auswertungen sind etwa zwei Drittel der Menschen keine deutschen Staatsbürger. Sie kommen insgesamt aus 68 verschiedenen Nationen, die größte Gruppe sind Menschen aus osteuropäischen Ländern", erläuterte die Pressesprecherin.

In KASSEL sind nach Angaben der Stadt aktuell etwa 1000 wohnungslose Menschen gemeldet. Schätzungsweise 100 bis 150 Personen lebten freiwillig auf der Straße. 831 Obdachlose sind demnach in Notunterkünften untergebracht. In 2010 waren es laut Stadt 405.

"Unter anderem sind es häufig finanzielle Problemlagen und damit einhergehende Mietrückstände, die zum Verlust der Wohnung führen, Trennungssituationen, psychosoziale Problemlagen oder psychische Erkrankungen oder auch Entlassungen aus Haft oder anderen Einrichtungen", erläuterte Pressesprecher Michael Schwab. Aufgrund der Lage am Wohnungsmarkt sei es für diese Personengruppen schwierig, selbst eine Wohnung anzumieten.

Wird eine Person unfreiwillig wohnungslos, ist die Kommune verpflichtet, sie vorübergehend unterzubringen. Aktuell gibt es laut Schwab zu diesem Zweck in Kassel mehr als 150 verschiedene Standorte. Die Kosten für diese Notunterkünfte sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 2012 beliefen sie sich auf 360.000 Euro, 2020 auf knapp 2,3 Mio. Euro.

Den rasanten Anstieg erklärte Schwab unter anderem mit der Einrichtung von Notschlafstellen und der verstärkten Gebäudebewachung und Überwachung beispielsweise durch Sicherheitsdienste. Auch Wohnungsbrände und die erhöhte Bevorratung von Wohnraum in der Corona-Pandemie mit der Belegung von Zimmern durch eine statt zuvor zwei Personen sowie die Möglichkeit für Unterbringung in Quarantänefällen hätten die Kosten in die Höhe getrieben.

Die Stadt OFFENBACH verzeichnete nach eigenen Angaben zwischen den Jahren 2010 und 2020 einen Anstieg um insgesamt 284 Personen von 219 auf 503 Obdachlose. Pressesprecherin Sabine Gleitsmann erklärte das mit dem Anwachsen der Einwohnerzahl und der Verknappung von Wohnraum. Aktuell seien etwa 500 Menschen in Notunterkünften untergebracht. 2010 seien es insgesamt 222 Personen gewesen. Die Kosten für die 22 Notunterkünfte in Offenbach stiegen demnach analog von rund 1,2 Millionen Euro auf 3,8 Millionen Euro im Jahr 2020.

In WIESBADEN sind laut Aline van den Borg vom Dezernat für Soziales, Bildung, Wohnen und Integration aktuell in den 16 Notunterkünften der Stadt 194 unfreiwillig wohnungslose Menschen untergebracht, weitere elf Menschen in Pensionen oder Hotels. Die Zahl der insgesamt auf der Straße lebenden Menschen werde in der Landeshauptstadt statistisch nicht erfasst. "Es gibt aber Hinweise, dass diese gestiegen ist", sagte van den Borg.

So habe die Nachfrage nach kostenlosen Übernachtungen durch obdachlose Menschen, insbesondere seit 2013 die Einschränkungen für die Freizügigkeit von EU-Bürgern aus Bulgarien und Rumänien aufgehoben wurden, deutlich zugenommen. Im Rahmen einer "Winterregelung" beispielsweise biete die Stadt obdachlosen Menschen kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten in der kalten Jahreszeit an, erläuterte van den Borg. Seit 2010 habe sich die Zahl derjenigen, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, schätzungsweise vervierfacht.

Unter den fünf größten Städten in Hessen ist die Zahl der Obdachlosen seit 2010 lediglich in DARMSTADT nahezu konstant geblieben. Laut Stadt liegt sie jährlich bei zwischen 170 und 210 Menschen. "Aktuell stehen 200 Plätze in acht Unterkünften zur Verfügung, davon zwei zielgruppenspezifisch für Frauen und Frauen mit Kindern", erläuterte Pressesprecher Daniel Klose. Neben der Unterbringung werde allen Personen eine sozialpädagogische Unterstützung vor Ort angeboten, um insbesondere den Zugang zu weiteren Stellen zum Ausstieg aus der Wohnungslosigkeit zu ermöglichen.

Für die kalte Jahreszeit sehen sich die Städte gut gewappnet: In Frankfurt werde das System der Unterbringungsmöglichkeiten über den Winter jeweils um die sehr niedrigschwelligen Angebote im Rahmen der Überlebenshilfe wie Übernachtungen in Tagesstätten erweitert, erläuterte etwa Pressesprecherin Miriam Bandar. "Grundsätzlich muss in Frankfurt niemand aus Mangel an Betten auf der Straße übernachten, es wird für den Betreffenden immer eine Lösung gefunden."

© dpa-infocom, dpa:211009-99-535830/2

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