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Kommunen - Görlitz:"Stadt auf Probe": Umzugskistenpacken für Inspiration

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Görlitz (dpa/sn) – Kleinstadtflair statt Großstadtleben: Für diesen Tausch bietet sich die ostsächsische Stadt Görlitz besonders gut an. Wie die Auswertung des jüngsten Projekts "Stadt auf Probe" zeigt, finden Selbstständige und Freischaffende Gefallen am Leben und Arbeiten jenseits großer Metropolen. "Neben Netzwerken, dem großen Angebot an Arbeitsräumen ist auch die Entschleunigung des Lebens wichtig. Sie macht die Konzentration auf eigene Projekte möglich und bietet Raum für Inspiration", sagte Constanze Zöllter, Mitarbeiterin im Interdisziplinären Zentrum für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (IZS) am Dienstag bei der Vorstellung der Ergebnisse in einem Online-Pressegespräch.

Mehr als die Hälfte der Befragten könnten sich deshalb sogar vorstellen, nach Görlitz zu ziehen. Allerdings sehen die langjährigen Großstädter auch Verbesserungspotentiale, vor allem bei der Infrastruktur. "Verkehrsanbindungen an die großen Städte und schnelles Internet sind zentrale Elemente", sagte Zöllter. Trotzdem: Bereits jetzt haben sich fünf Haushalte nach ihrem Probeaufenthalt für den Umzug nach Görlitz entschieden. Vor und während des Görlitz-Aufenthaltes wurden die Teilnehmenden durch das IZS-Team wissenschaftlich befragt.

Für die Stadt als Partner des IZS ist das Probewohnen bereits seit dem ersten Durchgang 2008 ein spannendes Experiment der Stadtentwicklung. "Die Probewohner zeigen uns Stärken und Schwächen", sagt KommWohnen-Geschäftsführer Arne Mykert. Die städtische Wohnungsgesellschaft stellt die drei Wohnungen den Projektteilnehmern mietfrei zur Verfügung. Weitere Partner dieses Durchgangs waren drei Vereine, die den Kreativen zum Beispiel Arbeits- und Galerieräume anboten. Auch Jana Luebeck, Vorsitzende des Vereins "Wildwuchs" begeistert vor allem der "Blick der Menschen von außen" auf ihre Heimatstadt Görlitz.

Von diesen Impulsen profitiert die Stadtgesellschaft. Die Probebewohner organisierten Ausstellungen, Workshops und etablierten sogar einen "Marktschwärmer"-Ableger, eine Initiative zur Vermarktung regionaler Waren. Von Januar 2019 bis März 2020 erlebten dort mehr als 60 Personen für jeweils vier Wochen Görlitz auf Probe. 90 Prozent kamen aus Großstädten.

Der Abschluss des Projekts bedeutet nicht sein Ende. Der nächste Durchgang steht unter der Überschrift "Stadt der Zukunft auf Probe" mit dem Schwerpunkt "Nachhaltige Stadtentwicklung". Ab Oktober 2021 sind Interessierte aufgerufen, sogar drei Monate in der Stadt zu leben und – zu Themen wie Klimaneutralität, zu arbeiten. "Wir wollen wieder Erwerbstätige ansprechen, Freiberufler, aber auch Start-ups, denen wir Hospitationen bei Arbeitgebern in Görlitz vermitteln", sagt Projektleiter Robert Knippschild vom IZS.

Auch Beschäftigte, die von ihrem Arbeitgeber an die Neiße für Nachhaltigkeitsprojekte entsendet werden, sind gern gesehen. Erste Gespräche über Kooperationen habe es unter anderem mit dem Siemens-Innovationscampus sowie dem Casus-Institut gegeben. Die Forschungseinrichtung des Helmholtz-Instituts zeigt schon jetzt das Potential der Städte wie Görlitz. Interdisziplinär, digital, grenzüberschreitend forschen dort Wissenschaftler aus sechs Nationen im Kleinstadtflair und jenseits großer Metropolen zu Klima, Covid 19 und Auto der Zukunft.

© dpa-infocom, dpa:210216-99-463136/3

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